Vom Abenteuer im All zur Spurensuche

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Vergangene Woche starb Neil Armstrong, der erste Mensch am Mond, im 83. Lebensjahr. Mit ihm begann die kurze Ära der großen Weltraumabenteuer.

Es gibt berühmte Aussprüche, die im kollektiven Gedächtnis mit einer ganz bestimmten Person verbunden sein werden. Zu ihnen zählt Kennedys Bekenntnis, ein Berliner zu sein. Ebenso Einsteins Diktum, dass Gott nicht würfelt. Und ganz gewiss gehört dazu auch Neil Armstrongs Charakterisierung seines legendären "kleinen Schrittes“ als "großer Sprung für die Menschheit“. Am 20. Juli 1969 betrat Armstrong, Kommandant der NASA-Mission Apollo 11, als erster Mensch den Mond. Dieses historische Ereignis lässt sich rückblickend auf vielerlei Weisen reflektieren.

Es war ein Prestigesieg der USA über die rivalisierende Sowjetunion um die symbolische Vorherrschaft im All. Es war ein mediales Spektakel, das weltweit mehr als eine halbe Milliarde Menschen live auf den Fernsehschirmen verfolgten. Vor allem war es ein Beweis dafür, dass man mit enorm viel Geld, Personal und Risikobereitschaft scheinbar Unmögliches schaffen kann. Genau 15742 Tage später, am 25. August 2012 starb Neil Armstrong im Alter von 82 Jahren an den Folgen einer Herzoperation.

Wonach wirklich gesucht wird

Armstrong, ehemaliger Kampfpilot und Kriegsveteran, repräsentierte den hemdsärmeligen Typus Astronaut, der sich mutig der Gefahr des Unbekannten entgegenwirft. Elf Menschen dieses Musters betraten nach ihm den Mond. Doch das öffentliche Interesse sank mit jeder weiteren Apollo-Mission. 1972 wurde das Programm aus Kostengründen vorzeitig beendet. Inzwischen ist die Raumfahrt in ihrer Rhetorik deutlich bescheidener geworden. Statt große Abenteuer zu bestreiten, steht sie heute für anspruchsvolle Wissenschaft. Man sucht beispielsweise mit Weltraumteleskopen wie Herschel oder Hubble nach Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Oder man analysiert die Spektrallinien außerirdischer Objekte, um Rückschlüsse auf dort vorhandene chemische Elemente zu ziehen. Es ist mittlerweile Allgemeinwissen, dass die stets aktuelle Suche nach außerirdischem Leben nicht nach grünen Männchen Ausschau hält, sondern nach Spuren von Wasser oder organischen Molekülen in Gesteinsproben. Mehr als ein Dutzend unbemannter Raummissionen sind noch in diesem Jahrzehnt von Raumfahrtorganisationen geplant. Zum Mars (NASA 2013, ESA 2018 + 2020), zur Venus (Russland 2016), zur Sonne (China 2012, ESA 2017), zum Mond (Japan 2012, NASA 2013, Russland 2015, Indien 2016) und zum Asteroiden 1999 RQ36 (NASA 2016). Die Weiten des Weltalls haben ihr Interesse für die Wissenschaft nicht verloren. Nur eines gibt es derzeit nicht: konkrete Pläne für eine bemannte Mission zu einem extraterrestrischem Ziel. Zu teuer, zu riskant.

Dabei finden Weltraumreisen zu fremden Planeten noch immer ihre Fans. Selbst wenn sie bloß von Hightech-Robotern durchgeführt werden. Das beweisen die Berichte über den Marsrover Curiosity, der vom Roten Planeten Bodenproben zur Erde schickt. An die Faszination der ersten Mondlandung kommt Curiosity jedoch nicht heran. Man interessiert sich, doch man staunt nicht mehr. Immer wieder schaffen es Skeptiker in das Feuilleton oder sogar in die Wissenschaftsberichterstattung, den Nutzen solcher Projekte in Zweifel zu ziehen. Die aktuelle NASA-Mission auf dem Mars kostet zwei Milliarden Euro. Na und? Die Olympischen Spiele in London haben sechs Mal so viel gekostet. Für die Missionen von heute gilt, was immer galt: Sie sind nicht sinnlos. Warum wir Sonden zum Mars schicken sollen? Die einfachste Antwort ist die beste: Weil er da ist. Ausführlicher formuliert: weil Grundlagenforschung niemals sinnlos ist. Abgesehen vom reinen Erkenntnisgewinn haben uns 50 Jahre Raumfahrt etliche Technologien beschert. Vom Klettverschluss über feuerfeste Materialien bis zu integrierten Schaltkreisen, ohne die Smartphones wohl die Größe eines Konzertflügels hätten.

Zur Zeit des Kalten Krieges war die internationale Raumfahrt ein Politikum unter wissenschaftlichem Deckmantel. Heute ist sie Wissenschaft unter den Bedingtheiten nationaler Forschungsbudgets.

Die neuen Mächte im Weltraum

Mit der europäischen Weltraumbehörde ESA, mit Indien, Japan und China gibt es zahlreiche neue Player im Spiel. Das ist gut, weil damit die Auftragslage für Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen steigt. Vor allem das Land der Mitte schickt sich an, zur Weltraumnation Nummer eins zu werden. Im Juni startete eine Raumfahrt-Mission erstmals mit einer Frau an Bord.

Vergangenes Jahr startete China 19 Raketen, die NASA nur 18. Seit die NASA ihr Space Shuttle-Programm eingestellt hat, bieten die russischen Sojus-Raketen derzeit die einzige Möglichkeit, Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS zu bringen. Für die amerikanische Weltraumbehörde eine demütigende Situation. Sie hat deshalb private Unternehmen damit beauftragt, in den nächsten paar Jahren völlig neue Raumfahrzeuge zu entwickeln.

Es ist unter Experten eine offene Frage, ob eines Tages wieder Menschen zu entfernten Planeten geschickt werden sollen. Oder ob Roboter deren Aufgaben nicht besser erledigen können. Nur im ersten Fall kann Raumfahrt das Flair des Abenteuerlichen wieder erlangen, das sie mit Neil Armstrong kurzfristig hatte.

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