6556239-1948_23_08.jpg
Digital In Arbeit

Von Newton zu Einstein

Werbung
Werbung
Werbung

Noch zur Zeit des großen Newton zu Beginn des 18. Jahrhunderts glaubte man, daß sich vom Lichte kleine Bildchen loslösen, die in unser Auge eindringen und uns dadurch die Dinge sichtbar Inachen. Heute lächeln wir darüber, aber so schlecht war diese Emanationstheorie nicht, mit ihr ließen sich die Reflexionsgesetze an ebenen und gekrümmten Spiegeln vollkommen richtig ableiten. Als dann aber um 1800 die Beugungsund Incerferenzerscheinungen des Lichtes immer bekannter wurden, da war es zu Ende mit den Bildchen, eine neue Theorie mußte die neuen Erscheinungen erklären. Durch Fresnel und durch Faraday wurde die Ätherschwingungstheorie entwickelt, wie sie schon hundert Jahre früher Huygens vertreten hatte. Und tatsächlich, wenn man ein Beugungsbild betrachtet, so liegt der Vergleich mit Wasserwellen recht nahe. Die neue Theorie bewährte sich ausgezeichnet. Insbesondere als um 1870 der große englische Theoretiker Maxwell der Faradayschen Nahwirkungstheorie in seinen Gleichungen die letzte mathematische Vollendung gab, konnte in immer neuen Versuchen die Übereinstimmung zwischen Natur und Theorie festgestellt werden. Unsere heutige Hochfrequenztechnik, ja unsere ganze Elektrotechnik ist ohne die Maxwellschen Gleichungen nicht denkbar. Das Licht, als ein kleiner Teil der elektromagnetischen Schwingungen, sollte in Schwingungen des Weltäthers bestehen. Schon Maxwell hatte darauf hingewiesen, daß die Erde in diesem Äther, der das gesamte Weltall erfüllte, sich irgendwie bewegen müsse. Diese Bewegung im Äther müsse durch Messung der Lichtgeschwindigkeit festzustellen sein, genau wie ein Flugzeug oder der Schall, der mit dem Wind geht, eine größere Geschwindigkeit hat als gegen den Wind.

Vor etwa sechzig Jahren wurde der Versuch in Amerika wirklich durchgeführt, es ist der berühmte Michelson-Versuch . Das Ergebnis war wider alle Erwartungen negativ. Die Geschichte dieses Versuches allein ist spannend genug. Die Zweifel an der Richtigkeit des Versuches wollten kein Ende nehmen. Nach den erste negativen Versuchen brachten Wiederholungen von anderen Gelehrten tatsächlich positive Ergebnisse, die allerdings auch wieder nicht mit der Theorie übereinstimmten. Es wurde die Meinung vertreten, daß der Äther von der Erde mitgenommen werde, daß daher ‘ auf hohen Bergen zumindest ein teilweiser Effekt zu erwarten sei. Aber auch die Versuche in dieser Richtung waren vergebens. Zuletzt wurde der Versuch von Joos nach dem ersten Weltkrieg in Jena mit den Hilfsmitteln der Zeißwerke in höchster Präzision ausgeführt. An dem negativen Ausfall des Michelson-Versuches ist nicht mehr zu zweifeln.

Inzwischen waren von der Theorie her verschiedene Versuche unternommen worden, dieses Problem zu klären. Von Fitzgerald und Lorentz wurde angenommen, daß sich alle bewegten’ Körper in der Bewegungsrichtung um einen bestimmten Betrag verkürzen. Dadurch wäre ohne weiteres der negative Erfolg des Michelson-Versuches geklärt. Aber diese Lösung war unbefriedigend, da sie einzig und allein für diesen speziellen Versuch in die Physik eingeführt war. Hier trat 1904 die große Wende ein durch die spezielle Relativitätstheorie A. Einsteins. Einstein legt darin dar, daß es nicht nur beim Michelson-Versuch, sondern überhaupt ganz allgemein unmöglich ist, eine Verschiedenheit der Lidhtgeschwindigkeit zu beobachten. Es ist dies das Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Es gilt für die Gesamtheit der Naturerscheinungen, daß es mit keinem Mittel möglich ist, eine absolute Bewegung festzustellen, auch nicht gegen den „absolut” ruhenden Äther.

Auf dieser Grundlage ist das gewaltige Gebäude der Relativitätstheorie aufgebaut. Nicht nur das Licht, sondern überhaupt alle elektromagnetischen Erscheinungen sollen sich für jeden Beobachter ganz in gleicher Weise darstellen, ob dieser Beobachter sich nun in Ruhe befindet oder irgendwie bewegt. Die mathematischen Formeln, wie sie Maxwell aufgestellt hat, müssen dann bei irgendeiner relativen Bewegung zwischen dem elektromagnetischen Vorgang und dem Beobachter unverändert ihre Gültigkeit behalten. In der klassischen Physik ist für alle Berechnungen der Übergang von einem System zu einem anderen hiezu bewegten System durch die Galilei-Transformation gegeben. An ihreStelle tritt zur Erfüllung des. neuen Relativitätsprinzips die Lorentz-Transformation. Etwas fachlicher ausgedrüdet: die Maxwellschen Gleichungen sind gerade gegen die Lorentz- Transformation invariant. Natürlich ergeben sich daraus sehr wichtige Folgerungen. Die Geschwindigkeit des Lichtes ist absolut konstant, dafür sind die Maße des Raumes und der Zeit veränderlich und von der relativen Bewegung des Beobachtenden abhängig. Die Lichtgeschwindigkeit wird das Maximum aller physikalisch möglichen Geschwindigkeiten. Das besagt das Einsteinsche Additionstheorem der Geschwindigkeiten. Wenn zwei Geschwindigkeiten sich addieren, so kann ihre Summe doch nie größer werden als die Geschwindigkeit des Lichtes. Aber nicht nur Längen und Zeiten werden relativ, auch die Masse eines Körpers hängt von seiner Geschwindigkeit ab. Wird die Geschwindigkeit des Körpers der Lichtgeschwindigkeit gleich, so wird seine Masse unendlich groß, keine endliche Kraft kann ühm eine größere Geschwindigkeit erteilen. Es wird so Energie in Masse und Masse in Energie umgewandelt, ein Vorgang, der beim Zerfall der Atome zu beobachten ist. Damit ist eine Erklärung gegeben für die ungeheuren Energiemengen, die in der Strahlung der Fixsterne oder bei der Atombombe frei werden. An die Stelle der zwei Sätze von der Erhaltung des Stoffes und der Erhaltung der Energie tritt der eine Satz: Die Summe von Materie und Energie ist konstant.

Diese „spezielle Relativitätstheorie” hat nur für Interialsystame Gültigkeit, das heißt für un.beschleuriigte, gleich schnell und geradlinig bewegte Systeme. 1917 stellte Einstein seine „allgemeine Relativitätstheorie” auf, die auch beschleunigte Bezugsysteme umfaßt. Der unmittelbare Zweck war, die elektromagnetischen Erscheinungen und die Gravitation in eins zusammenzufassen, ein gewaltiger Versuch, die Einheit der physikalischen Welt von der Theorie her zu gestalten. In seinem Äquivalenzprinzip setzt Einstein die Trägheit, die bei beschleunigter Bewegung sich zeigt, und die Schwere, die aus der Massenanziehung folgt, einander gleich. Es ist in der Wirkung gleichgültig, ob ein Körper sich in einem Schwerefeld befindet oder eine beschleunigte Bewegung vollführt. Ein gerader Lichtstrahl erscheint einem beschleunigten Beobachter gekrümmt, ebenso muß nach dem Äuquivalenzprinzip, da Beschleunigung und Massenanziehung gleichwertig sind, ein gerader Lichtstrahl auch in einem Schwerefeld gekrümmt sein. Erst im letzten Jahre wieder wurden große Expeditionen ausgerüstet, um bei einer Sonnenfinsternis zu überprüfen, ob tatsächlich das Licht im Schwerefeld der Sonne eine Ablenkung erfährt. Die Tatsache der Ablenkung steht fest, nur ob ihre Größe mit den theoretischen Berechnungen übereinstimmt, ist noch zu klären.

Im letzten führt die allgemeine Relativitätstheorie die Gravitation auf geometrische Ursachen zurück, auf die Krümmung des Raumes. Die Schreibweise der vierdimensionalen Welt hat Minovski zur Vereinfachung der Rechnung in die Relativitätstheorie eingeführt, indem er die Zeit einer imaginären Raumkoordinate gleichsetzte. Aus der absoluten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ergibt sich weiter die Endlichkeit der Welt, wobei entweder der Raum endlich und die Zeit unendlich oder beide, Raum und Zeit, endlich, gekrümmt und in sich geschlossen sein können. Raum und Zeit werden vertauschbar wie Masse und Energie, Trägheit und Schwere.

Die Entwicklung der Relativitätstheorie ist auch heute noch’ keineswegs zu Ende. In ihrer schwierigen mathematischen Form ist sie voll nur wenigen Fachleuten zugänglich. Die Physik wird den Physikern selbst viel zu schwer, wie einmal ein großer Mathematiker gesagt hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung