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Von Wölfen und Lämmern

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Auf den Hauptverkehrsstraßen Oesterreichs weist der Verkehr namentlich am Wochenende und zu besonderen Reisezeiten bereits eine solche (Dichte auf, daß zu bestimmten Tageszeiten das Kolonnenfahren im allgemeinen unvermeidlich wird. Das aber erfordert ein großes Maß an Disziplin, und zwar von jedem einzelnen Fahrer. Gerade hierbei aber kann man immer wieder eine Reihe von Disziplinlosigkeiten feststellen, die allein mit Unerfahrenheit nicht mehr zu entschuldigen sind. Es wäre deshalb sehr zweckmäßig, wollte jeder Kraftfahrer versuchen, sich über die unumstößlichen Bedingungen des Kolonnenfahrens klarzuwerden, denn damit allein würde schon ein Beitrag zur Hebung der Verkehrssicherheit geleistet werden.

Die Geschwindigkeit, die sich bei starker Frequenz auf unserer westlichen wie südlichen Bundesstraße wie von selbst ergibt, liegt etwa um 70 Stundenkilometer und sinkt bei Eintritt der Dunkelheit etwas ab. Jeder Kraftfahrer hat grundsätzlich die Pflicht, sich der Kolonne und ihrem Fahrtempo weitestgehend anzupassen, um nicht als störendes und gefährdendes Element aus der Ordnung herauszufallen.

Die erste Voraussetzung einer möglichst verkehrssicheren Fahrt innerhalb einer Kolonne ist: Abstand zum Vordermann, um bei plötzlicher Notbremsung eines vorne fahrenden Fahrzeuges für das eigene einen entsprechenden Bremsweg zur Verfügung zu haben und somit ein Auffahren zu verhindern. Leider ergeben sich in der Praxis Schwierigkeiten schon dadurch, daß verantwortungslose Fahrer diese Abstände immer wieder dazu benützen, um sich durch rücksichtsloses Vorfahren in diese Kolonnenabstände hineinzudrängen. Vielfach wird dabei, durch den Gegenverkehr gezwungen, dem meist darauf nicht gefaßten Ueberholten der Weg abgeschnitten, wodurch dieser entweder an den Fahrbahnrand gedrängt oder zu einem plötzlichen Bremsmanöver gezwungen wird, das wiederum die ganze nachfolgende Kolonne aufs ärgste gefährdet. Will man diese störenden Vorgänge hintanhalten und es den Rowdies, den Uebernervösen und Allzueiligen unmöglich machen, durch egoistische Affekthandlungen die Mehrzahl der Fahrer zu benachteiligen, dann ist man gezwungen, die richtigen Kolonnenlücken auf gefährlich geringe Abstände zu reduzieren, wodurch der einen Gefahr nur mit einer anderen begegnet werden kann. Es wäre deshalb außerordentlich wichtig, daß sich jeder Kraftfahrer vor Augen hält, wie wichtig in solchen Verkehrssituationen Selbstbeherrschung und Disziplin nicht nur im Allgemeininteresse, sondern auch für ihn selbst sind. Das heißt keineswegs, daß ein Vorfahren etwa am Sonntag abend während des Sommerverkehrs nun ein für alle-.mal verboten ist, sondern das heißt nur, daß auch der Fahrer mit dem noch so schnellen Wagen nur dann vorfahren darf, wenn g e-nügend große Lücken da sind und der eigene Wagen wirklich ein so ausgeprägtes Beschleunigungsvermögen aufweist, daß es ihm i n kürzester Zeit möglich ist, das jeweilige Vorfahrmanöver wieder zu beenden. Meist werden aber solche Ueberholvorgänge mit größter Sorglosigkeit gerade dann eingeleitet, wenn Gegenverkehr, unübersichtliche Kurven, Bodenwellen, Einfahrten oder ähnliches das Manöver besonders gefährlich machen. Nach welchen GeSichtspunkten solche Verkehrsteilnehmer den Zeitpunkt für gekommen erachten, um auf das Gaspedal zu treten, ist fas.t nie klar. Wahrscheinlich folgen sie überhaupt keiner Ueberlegung, sondern nur einer recht flüchtigen „Eingebung“.

Eine Besonderheit des Kolonnenfahrens ist es aber, daß sich nicht nur das disziplinlose Ueber-holen, sondern auch zu langsames Fahren verkehrsgefährdend auswirkt. Immer wieder sucht sich der und jener Sonntagsfahrer, der typisch nichts anderes vor hat, als spazieren zu fahren, ausgerechnet die Hauptverkehrsstraße dazu aus, um nun mit 30, 40 oder 50 Stundenkilometern längs des Straßenrandes dahinzuzuckeln. Dadurch zwingt er die gesamte Kolonne dazu, ihn zu überholen. Diese „Schläfer am Lenkrad“ möchten wir dringendst darum ersuchen, ihre Zaghaften Spazierfahrten auf verkehrsarme Nebenstraßen zu verlegen, und dies selbst dann, wenn deren Zustand nicht so gut ist wie der der Hauptstraße. Autofahren ist — und das gilt für den Rowdy ebenso wie für den Uebervorsichtigen — keine individuelle Tätigkeit, sondern erfordert im Interesse des gesamten Verkehrsgeschehens Solidarität. .

Wer auf größeren Ueberlandstrecken zusehen kann, mit welcher Ahnungs-, Rücksichtslosigkeit und absoluten Ichbezogenheit eine große Anzahl von Verkehrsteilnehmern gegen alle Gesetze der Vernunft und der Sicherheit verstoßen, der wundert sich nur darüber, daß daraus relativ so wenig schwere Verkehrsunfälle resultieren. Daß diesen „Helden“ auch nach vielen Jahren solcher Praktiken noch nichts passiert ist, ist noch lange kein Beweis dafür, daß sie sich im Grunde doch irgendwie richtig verhalten haben, sondern ist ausschließlich darauf zurückzuführen, daß sie das große Glück hatten, zu ihren verantwortungslosen Handlungen stets passende Mitmenschen gefunden zu haben, die nicht nur mehr Verstand, sondern auch Rücksichtnahme und Können für zwei bewiesen. Das ist jedoch für den Verkehr absolut keine ausreichende Sicherung. Denn wie überall im Zusammenleben mit Menschen ist es auch im Verkehr: der eine kann nicht immer geben und der andere nicht immer nehmen wollen. Und hierbei kommt es keineswegs auf besondere Erfahrung im Verkehr an, sondern diese einfache Forderung geht auch dem einfachsten noch sich im Denken zu -üben, sondern man

Kopf ein und kann von ihm ohne besonderen braucht auch im noch so schwierigen VerkehrsDenkaufwand befolgt werden. . gewühl einzig und allein die Regeln des primiEs ist also weder erforderlich, sich im Fahren tivsten Anstandes zu befolgen.

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