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Vorbeugen ist besser als heilen

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Mehr als ein Drittel aller Freizeit- und Haushaltsunfälle ließen sich durch Sicherheitsmaßnahmen vermeiden.

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Mehr als ein Drittel aller Freizeit- und Haushaltsunfälle ließen sich durch Sicherheitsmaßnahmen vermeiden.

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Schi-Ausrüstung und Schipisten haben in Österreich bereits einen hohen Sicherheitsstandard. Trotzdem passieren jährlich rund 90.000 Unfälle (siehe Seite 9). Die Zahl der tödlichen Schiunfäl-le ist sogar ansteigend. Fuhren im Durchschnitt in den Jahren 1982 bis 1991 36 Menschen in den Tod, so starben 1992 und 1993 jeweils schon über 50. Laut Untersuchungen des Institutes „Sicher leben“ kennen 63 Prozent aller Schifahrer keine einzige der zehn Pistenregeln des Internationalen Schiverbandes, jeder zweite ist mit falsch eingestellter Bindung unterwegs!

Die größte Sicherheitsreserve beim Schilauf schlummert daher im Schifahrer selbst. „Wir müssen die Schifahrer viel effizienter als bisher über sicheres Verhalten auf der Piste informieren und ihnen zeigen, wie man eine Schisaison ohne Verletzung erlebt. Dann werden wir eine deutliche Reduktion der Schiunfälle erreichen“, sagt Rupert Kisser, Leiter des Institutes „Sicher leben“. Die positiven Auswirkungen seien beachtlich, verweist er auf ein entsprechendes Beispiel in Norwegen:

Mit einem umfassenden Präventionsprogramm konnte in einer norwegischen 'Schiregion (Geilo bei Oslo) innerhalb von nur vier Jahren das Unfallrisiko um 40 Prozent gesenkt werden. Dabei wurden Informationskampagnen mit Foldern, Postern und Videos über richtiges und sicheres Verhalten auf der Piste, über die richtige Ausrüstung und deren Wartung, über die richtige Vorbereitung auf die Schisaison et cetera durchgeführt. Weiters wurden die Pisten auf höchsten Sicherheitsstandard gebracht und Pistenbetreuer, die das Geschehen auf der Piste überwachen, eingesetzt. Auch in den Schischulen wurde das Thema Schisicherheit verstärkt unterrichtet.

Entscheidend für den Erfolg des Projektes war, daß alle am Schilauf in Geilo beteiligten Gruppen wie die Liftgesellschaft, die Schischulen, die Sportartikelgeschäfte und die Schiverleihfirmen, die Hotels und die Bevölkerung sich in den Dienst der Sache stellten. Die gesamten Kosten der Aktion wurden jeweils zur Hälfte vom norwegischen Gesundheitsministerium und von der norwegischen Wirtschaft (Sportartikelhandelskette et cetera) getragen und beliefen sich in vier Jahren auf umge rechnet rund fünf Millionen Schilling. Und in Österreich?

Auch hier weiß man seit Jahren, wie effizient regionale Programme zur Erhöhung der Sicherheit sein könnten. Deshalb hat das Institut „Sicher leben“ ein entsprechendes Maßnahmenpaket für heimische Schiregionen ausgearbeitet. Man zeigt sich zuversichtlich, schon im Winter 1995/96 ein derartiges Modellprojekt starten zu können.

Aber nicht nur bei den Schifahrern orten die Experten ein großes Sicherheitspotential. „Es ist kein Schwindel, und es ist keine Propaganda, wenn ich Ihnen sage, daß sich ein Viertel bis ein Drittel aller Unfälle einsparen lassen“ ist Sicherheitsmann Kisser überzeugt. So finden sich bei den „100 Maßnahmen zur Umsetzung des österreichischen Unfallverhütungsprogrammes“ auch folgende Vorschläge: Das Unfallgeschehen im Fußballsport ist derzeit nur in seinem Ausmaß ungefähr bekannt. Von rund 700.000 Österreichern, die Fußball spielen, verletzen sich jährlich etwa 30.000.

Die Hintergründe sind nur teilweise erforscht. Untersuchungen — mit der Zielsetzung präventive Maßnahmen ableiten zu können — wären erforderlich, um die Gesundheitskosten vom mehr als einer halben Million Schilling zu verringern.

Das Institut schlägt daher vor, eine solche Unfallursachenstudie durchzuführen, aufbauend auf dem derzeitigen Stand der Sportunfallforschung, sowie konkrete Maßnahmen zur Unfallverhütung aufzuzeigen. Mögliche Auftraggeber dieses Projektes könnten alle Träger von Folgekosten durch Fußballunfälle (Sozialversicherungsträger, private Unfallversicherer, Spitalsernalter) sein.

KINDERUNFÄLLE IN DER KÜCHE

Interessant ist auch der Vorschlag zur Vermeidung von Unfällen in der Küche. Das ist jener Raum im Haushalt, in dem die meisten Kinderunfälle passieren. Das ist auch ganz plausibel, wenn man berücksichtigt, daß die Küche einerseits ein Arbeitsraum ist und andererseits von Kindern häufig zum Spielplatz umfunktioniert wird.

Das Institut „Sicher leben“ ließ eine vier Meter hohe Riesenküche bauen. Diese ist - wie die meisten österreichischen Küchen - nicht mit Kindersicherheitsprodukten ausgestattet, um den Erwachsenen die Gefährlichkeit deutlich vor Augen zu führen. Am Herd steht zum Beispiel ein großer Topf, den man herunterziehen muß, um hineinschauen zu können. Das Herunterziehen von Töpfen mit kochender Flüssigkeit führt immer wieder zu schweren Verletzungen der Kinder.

Diese Riesenküche wird auf Messen und ähnlichen Veranstaltungen eingesetzt. Die Besucher erhalten Informationen über Unfallverhütung und Kindersicherheitsprodukte. Die Träger dieser auf nur 10.000 Schilling geschätzen Unfallverhinderungsaktion (Aufstellungskosten) könnten Versicherungen und diverse Firmen wie Möbelhändler sein.

Eine Kampagne schlägt das Institut auch gegen Sturzunfälle im Alter vor: Sie sind für diese Altersgruppe ein spezielles gesundheitliches Problem. Verletzungen nach Sturzunfällen stehen bei Menschen über 60 Jahren immerhin an sechster Stelle in der Todesursachenstatistik. Allein die jährlichen Aufwendungen für die stationäre Behandlung der über 60jährigen Opfer von Stürzen belau-fen sich in Österreich auf rund zwei Millliarden Schilling (!).

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