Vorwärts in die Vergangenheit

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Bei der ars Electronica in linz wurde ein archäologie-Projekt in Ägypten dreidimensional vor augen geführt. moderne Technik bringt Geschichte immer näher.

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Bei der ars Electronica in linz wurde ein archäologie-Projekt in Ägypten dreidimensional vor augen geführt. moderne Technik bringt Geschichte immer näher.

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Um tief in die Vergangenheit einzutauchen, arbeiten heute Techniker und Naturwissenschafter mit Archäologen zusammen.

Der "Deep Space" im Ars Electronica Center in Linz bietet eine 16 mal 9 Meter Wandprojektion und eine ebenso große Bodenprojektion: 3-D-Animationen entfalten in diesem Raum eine eindrucksvolle Wirkung, zumal die Bildwelten in besonders hoher Auflösung (8K) präsentiert werden können. Bei der heurigen Ars Electronica (7.-11. September) wurde der "Deep Space" für eine virtuelle archäologische Besichtigung genutzt: Bilder von der Festung Hisn Al-Bab führten die Betrachter mit 3-D-Brillen an einen Grabungsort im südlichen Ägypten, der für Touristen völlig unzugänglich ist. Man wähnt sich inmitten der gut erhaltenen Befestigungsanlagen, die auf einer Klippe über dem Nil errichtet wurde. Gegen Ende des Römischen Reiches verlief dort die ägyptisch-nubische Grenze. Das war damals, lange nach der Pharaonen-Herrschaft, eine "politisch heiße" Gegend, wie die Projektleiterin Pamela Rose von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) berichtete.

Vielsagende Ruinen

Um sämtliche architektonischen Überreste in Hisn Al-Bab zu erfassen und für die Nachwelt zu dokumentieren, wurde von der Technischen Universität Wien ein 3-D-Scanning durchgeführt. Das Österreichische Archäologische Institut unter dem Dach der ÖAW erforscht die Besiedelungsgeschichte vor Ort. Das ist aus mehreren Gründen interessant. "Die Anlage befindet sich an der einstigen Südgrenze des Römischen Reiches. Während dessen Nordgrenze gut erforscht ist, wissen wir nur wenig, wie dicht oder durchlässig die Südgrenze war", sagt Sabine Ladstätter, Direktorin des Archäologischen Instituts, im Gespräch mit der FURCHE. "Ebenso spannend ist, dass an der Festung ein historischer Übergang studiert werden kann - von der spätrömischen in die mittelalterlicharabische Phase." In Hisn Al-Bab sind sukzessive Befestigungsanlagen errichtet worden. Die Mauern der Ruinen sind bis zu einer Höhe von acht Metern erhalten.

Die Daten, die hier aus rein wissenschaftlichem Interesse gewonnen werden, können -so wie bei der Ars Electronica -mithilfe moderner Technik aufbereitet und für die breite Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Teilhabe des Publikums durch neuartige mediale Präsentation ist dann ein Sekundärnutzen ohne Mehraufwand. "Besonders reizvoll ist das natürlich bei abgelegenen oder unzugänglichen archäologischen Stätten", so Ladstätter. "Viele dieser Orte befinden sich in militärischen Sperrgebieten. Dann ist der Zutritt nur für Archäologen gestattet." Die jüngsten Erfahrungen mit dem Terrorregime Islamischer Staat (IS), das Kulturdenkmäler systematisch zerstört hat, zeigen, wie wichtig die archäologische Dokumentation sein kann. Durchaus möglich, dass sich künftig wieder einmal zerstörungswütige Regenten daran machen, ein historisches Erbe zu zertrümmern.

Die Grabungsarbeiten in Hisn Al-Bab sind exemplarisch für den technologischen Umbruch, der in den letzten 20 Jahren in der Archäologie stattgefunden hat. "Für uns ist das tatsächlich eine Revolution. Ich habe noch mit Maßstab und Lot gelernt", erinnert sich Ladstätter, Österreichs Wissenschafterin des Jahres 2011. "Heute werden die historischen Stätten nur noch gescannt und digital aufgenommen."

Die Grabungsarbeiten in Hisn Al-Bab sind exemplarisch für den technologischen Umbruch, der in den letzten 20 Jahren in der Archäologie stattgefunden hat.

Historisches Bewusstsein

Um tief in die Vergangenheit eintauchen zu können, arbeiten heute Techniker und Naturwissenschafter mit Archäologen zusammen. Laserscanning vom Flugzeug aus ermöglicht, selbst kleinste Unebenheiten der Erdoberfläche zu dokumentieren und die künstlichen von den natürlichen Erhebungen zu unterscheiden. Doch das Ausgraben ist ein Erkenntnisprozess, der auf kulturhistorisches Wissen angewiesen ist. Den Archäologen selbst kann das Lasergerät nicht ersetzen.

Mit zukunftsweisenden Techniken lässt sich somit auch die Vergangenheit plastisch und lebendig zurückholen, so das Fazit der 3-D-Vorführung in Linz. "Ich bin auch davon überzeugt", bemerkt Ladstätter, "dass man sich Zukunftsfragen wesentlich gelassener widmen kann, wenn man sich der eigenen Geschichte stärker bewusst wird. Das gilt etwa für das brennende Thema Migration: Wenn man sieht, wie Menschen in der Vergangenheit mit dem Phänomen umgegangen sind, erscheinen solche Probleme gleich in einem anderen Licht."

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