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Wann kommt die internationale Anerkennung der Studientitel?

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Wem als Student die Möglichkeit versagt blieb,, einen Teil seiner Studien an einer ausländischen Universität zu absolvieren, dem mag die Fragestellung nach einer zwischenstaatlichen Anerkennung der Studientitel als „akademisch“' — im Sinne von praktisch eher bedeutungslos — erscheinen. Wer aber im Ausland feststellen könnte, wie wenig konkrete Vorstellungen über österreichische Universitätsstudien an auswärtigen Hochschulen bestehen, und wer dann gezwungen war, über manche Studienabschnitte neuerlich Vorlesungen hören und Prüfungen ablegen zu müssen, ehe er tatsächlich dort anfangen konnte, wo er daheim aufgehört hatte — dem wird es eher unbegreiflich erscheinen, daß diese Frage nicht schon längst durch eine allgemein anerkannte internationale Konvention geregelt- wurde, 1

Eine solche Konvention gibt es aber nicht, •und es läßt sich auch keineswegs absehen, wann sie jemals zustande kommen sollte.

Das Bureau International des Universites ,in Paris, das in enger Zusammenarbeit mit der UNESCO steht, hat es seit einigen Jahren unter der Leitung von Professor de Miranda unternommen, in minuziöser Kleinarbeit das Material über sämtliche bilaterale und multilaterale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade zu sammeln. Dabei ergab sich, daß die ersten Konventionen, die in der Hauptsache zwischen verschiedenen lateinamerikanischen Staaten abgeschlossen wurden, bis ins vorige Jahrhundert zurückreichen, während die meisten Abmachungen zwischen den europäischen Ländern erst jüngeren und jüngsten Datums sind. Jedoch auch aus diesen überaus aufschlußreichen Zusammenstellungen lassen sich international gültige, allgemein anerkannte Ableitungen im Sinne einer im Weltmaßstab liegenden Konvention noch nicht einmal ansatzweise feststellen.

Etwas günstiger liegen die Dinge auf der rein europäischen Ebene. Schon 1954 wurde im Europarat erstmalig eine Konvention über die gegenseitige Anerkennung von Studienabschnitten innerhalb der Mitgliedstaaten publiziert; sie steht nun vor ihrer Schlußredaktion. Oesterreich hat schon als Beobachter beim Europarat daran mitgearbeitet und legte nun nach seiner Aufnahme als Vollmitglied ein erhöhtes Interesse an den Tag. Aber auch die Initiative des Europarats ist, soweit sich das bisher beurteilen läßt, mit manchem Wenn und Aber behaftet.

In der Praxis bleibt man also in erster Linie auf die bilateralen Uebereinkommen angewiesen. Meist werden die entsprechenden Bestimmungen in die zwischenstaatlichen Kulturabkommen eingebaut.

Was Oesterreich betrifft, hat dieses Problem itn Falle Südtirol über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus akute politische Bedeutung angenommen und nach langen Verhandlungen schließlich zu der vorgesehenen Anerkennung der österreichischen Diplome durch Italien geführt. Die Vereinbarungen mit Italien nehmen daher auch für Oesterreich den weitaus wichtigsten Platz im Rahmen des gesamten Fragenkomplexes der ausländischen Studientitel ein. Doch bestehen auch im Kulturabkommen mit Frankreich diesbezügliche Bestimmungen. Die Abmachungen mit deutschen Universitäten beschränken sich auf bestimmte Studiengebiete und sind auch gewissermaßen noch nicht kodifiziert.

Die Schwierigkeiten, die sich der Ausarbeitung einer internationalen universitären Konvention entgegenstellen, liegen auf der Hand. Sie beginnen schon am Ausgangspunkt der Hochschulstudien angesichts der stark unterschiedlichen Mittelschulbildung. Während man • in Europa im allgemeinen voraussetzt, daß die Allgemeinbildung des Hörers, der die Mittelschule absolviert hat, jenes Maß an Hochschulreife erreicht hat, das ihm ausschließliche oder doch stark überwiegende Konzentration auf . seine Spezialstudien gestattet, ist dies in Ueber-see keineswegs der Fall.

Dort wird, vor allem in den Vereinigten Staaten, in den Mittelschuljahren das alleinige Gewicht nicht darauf gelegt, dem künftigen Studenten möglichst umfassende und zugleich schon stark in die Spezialbegriffe eindringende Allgemeinkenntnisse zu vermitteln; man betont neben den eigentlichen Unterrichtsfächern in viel höherem Maß sowohl den Sport als auch das Klubleben und“ die gesellschaftlichen Mo- mente (social activities), um günstigere Entfaltungsmöglichkeiten für die Persönlichkeit des Schülers zu schaffen. Dies allerdings erfordert nun von den Universitäten, daß sie die Arbeit der Mittelschulen, parallel mit dem anlaufenden Spczialstudium, in den ersten vier Studienjahren zu Ende führen. Dann erst vermag der Student .nach weiteren drei bis vier Studienjahren sein Doktorat zu erlangen.

Vergleicht man nun beispielsweise eine österreichische Matura mit dem amerikanischen Abgangszeugnis von der Mittelschule, wird man sie auf Grund der konzentrierten Lehrmethode höher einstufen müssen als diese; dem nach weiteren acht Semestern dann in Amerika erreichten Grad kann sie aber nicht mehr gleichgesetzt werden, weil dieser Grad auch bereits erhebliche Grundlagen im eigentlichen Fachstudium voraussetzt, die unserem Maturanten noch fehlen. Aehnliche Unterscheidung hat man dann auch in der Bewertung der Doktorate zu treffen.

Weiter werden auch innerhalb eines Landes die akademischen Grade verschiedener Universitäten mit Recht oft nicht als gleichwertig eingeschätzt. Dies wird im Lande selbst kaum irgendwelche rechtliche Auswirkungen, höchstens einen praktischen Niederschlag im Berufsleben finden; in den zwischenstaatlichen Beziehungen wird jedoch auch dies zum Teil stark berücksichtigt, was dazu führen kann, daß ein Land die an einer bestimmten ausländischen Universität erworbenen Diplome anerkennt, die an einer anderen Hochschule des gleichen Staates aber nicht. Ein derartiges Beispiel findet sich in einer französisch-englischen Konvention von 1938.

Nicht zuletzt aber bleibt das Problem der Verschiedenheit der schon angedeuteten Kompetenzbereiche überlassen, durch den die internationalen Schul- und Hochschulbeziehungen jeweils entweder der Unterrichtsbehörde oder den Hochschulen oder aber beiden zusammen übertragen sind.

Alle die dargelegten Schwierigkeiten auf dem Wege zur Ausarbeitung einer zunächst europäischen, dann universalen Konvention über die Anerkennung von Studienabschnitten und Studiengraden sollten jedoch nicht von der Notwendigkeit ihrer Ausarbeitung entheben. Die Studenten von heute sind die Staatsmänner, Richter, Erzieher und Wissenschaftler von morgen. Viele Staaten haben bereits erkannt, daß ein intensiver internationaler Studienaustausch in ihrem eigenen Interesse liegt und sind bereit, dafür Millionenbeträge auszugeben. Wäre es nicht naheliegend, diesen Studienaustausch um so wirksamer und erfolgreicher zu gestalten, indem man die vorhandenen bürokratischen Hindernisse allmählich, aber zielbewußt abbaut?

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