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Warum Autofirmen kooperieren

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Das Thema „Zusammenarbeit” ist nicht neu, es ist fast so alt wie die Automobilindustrie, also rund 80 Jahre, denn bereits in den Anfängen der Motorisierung lassen sich Beispiele anführen: Daimler- und Benz-Motoren, also deutsche Erzeugnisse, waren in den ersten französischen Wagen, die die ersten Autorennen siegreich beendeten, eingebaut, und schon vor der Jahrhundertwende gab es eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Daimler und Levassor, den Brüdern Peugeot oder Renault. Neuerdings ist die Daimler-Benz A. G. und das „bayerische Nationalautowerk” BMW stark in den Mittelpunkt des Interesses der Zusammenschhißpropheten gerückt, jenes Werk also, das erst vor relativ kurzer Zeit die Autofabrik Glas in Dingolflng gekauft hat und so seine Produktionsmöglich- keitien erweitern konnte.

Welche Bewandtnis hat es mit diesen Vorgängen, wie war das früher und was steht noch bevor? Die dritte Frage ist am schnellsten beantwortet: Gespräche werden ständig auf nationaler und auf internationaler Ebene, sogar über Kontinente hinweg, geführt, und die Experten sind wieder einmal durchaus nicht einer Meinung: Es gibt sehr fundierte Prophezeiungen, die darauf hinauslaufen, daß es in Europa in einigen Jahren höchstens noch zehn große Konzerne geJrsm wird, daß also alle „Kleinen” verschwinden müssen, und ebenso gibt es anerkannte Fachleute, wie etwa den Sprecher des Vorstandes bei Mercedes, Dr. J. Zahn, der gerade den kleineren Werken unter bestimmten Voraussetzungen Uberlebemschancen etoräumt. Unter diesen Umständen ist es klüger, keine Voraussagen zu machen, um so mehr, als das Thema an sich ergiebig genug ist.

Warum gehen Autofirmen zusammen? Vom relativ seltenen Fall abgesehen, daß ein Werk am Ende ist und von einiem anderen aufgekauft wird, ergibt sich oft das Zusammengehen durch wirtschaftliche Überlegungen: Gemeinsamer Einkauf, Kundendienst, die Zusammenlegung von Vertreterorganisationen sind heute notwendige R ati anal i si erungsma ß - nahmen, noch mehr kosten Forschung und Versuchsanlagen, diesen „Luxus” können sich nur große Firmen leisten. Auch das Marketing (Studium der Erfordernisse bestimmter Märkte) verlangt enorme Summen, von der Werbung ganz zu schweigen. Nationale Grenzen spieflen dabei keine ausschlaggebende Rolle, denn über sie und sogar über dia Weltmeere hinweg findet intensive Kooperation zwischen Autofirmen und Zulieferern statt. Bemerkenswert dabei ist, daß es oft Konkurrenten sind, die auf Teilgebieten ihrer Tätigkeit Zusammengehen, während sie sonst in hartem Wettbewerb stehen: in Frankreich Renault und Peugeot, in Deutschland etwa MAN und Mercedes (Turbimenbaiu).

Die Frage, wie das früher war, wurde schon eingangs angeschnitten. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht ganz interessant, nachzuforschen, wie viele Automobilflrmen es bisher gegeben hat und wie viele davon übriggeblieben sind. Mit etwa 3000 von Anbeginn bis heute wird man nicht weit von der Wirklichkeit entfernt sein, und heute schwanken die Schätzungen zwischen 100 und 200. Eine genaue Zahl zu nennen, etwa indem man einfach die Namen im Katalog der „Berner Automobil Revue” zusammenzählt, ist leider kein zielführendes Unternehmen: Einerseits gibt es eine ganze Reihe von Marken, die von ein und demselben Konzern stammen (bekanntestes Beispiel sind Buick, Cadillac, Chevrolet, Oldsmobile und Pontiac, die alle zur General Motors gehören, nicht nur das, auch Opel in Deutschland, Vauxhall und die Lastwagen Bedford in England gehören ebenfalls dazu, und in Australien ist der Holden auch ein Produkt des größten Ihdustriekon- zems der Welt). Ferner müßte man die zahlreichen Montagewerke in aller Herren Ländern separat anführen, denn sie erzeugen oft Fahrzeuge, die wohl grundsätzlich der Konzeption das Mutterwerkes entsprechen, aber doch auf geographische oder nationale Gegebenheiten ausgerichtet sind und dementsprechend auch manchmal vom ursprünglichen Typ abweichende Namen tragen. Berücksichtigt man ferner, daß es eine ganze Reihe von Automobilwerken hinter dem Eisernen Vorhang gibt, deren Existenz in keinen Statistiken festgef- halteo ist, dann wird es verständlich, daß man eine genaue Zahl der bestehenden Werke nicht anführen kann.

Die meisten Automobilfabriken, besonders zu Beginn der Motorisierung verschwanden, weil sie technisch nicht mitkamen, weil die finanziellen Voraussetzungen nicht gegeben waren oder weil die Gründer zur Ansicht kamen, daß es besser sei, etwas anderes zu produzieren als die konjunkturempfindlichen Autos. Sogar bis in die letzte Zeit kann man beobachten, wie unterschiedlich Konzerne die Konjunktur auffassen. Ein Beispiel wären Studebaker-Packard einerseits und Nash- Hudson anderseits. Letztere Firma heißt bekanntlich jetzt American Motors Corporation (AMC), sie hat ebenso wie ihr gigantischer Konkurrent, die General Motors, neben Automobilen auch andere Industriesparten (häufig sind es Kältemaschinen) gepflegt. Während die AMC, die in der letzten Zeit finanzielle Schwierigkeiten hatte, sich dadurch gesundgeschrumpft hat, daß sie die Nebenbranchen abstieß, ist Studebaker- Packard den umgekehrten Weg gegangen. Die Firma existiert weiter, hat aber die Automobilproduktion aufgegeben und dafür die früheren Nebenprodukte ausgebaut. Dabei handelte es sich gerade bei diesen beiden Marken um berühmte Namen, denn Stude- baker war nicht nur ein sehr fortschrittlicher Wagen, die Firma hatte bereits vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts als Wagenbauer Weltruf, tmd Packard, um tlfe- Jahrhundertwende aus einer Elektrofirma entstanden, galt als eine der vornehmsten Marken der Welt überhaupt.

Allein über die amerikanischen Zusammenschlüsse zu berichten, wäre also lohnend, würde aber über den Rahmen unserer Betrachtung hinausgehen. Ganz allgemein kann man sagen, daß es falsch wäre, anzunehmen, in Europa müsse die gleiche Entwicklung Platz greifen wie in den USA, wo von vielen hunderten Firmen heute nur vier Konzerne (GM, Ford, Chrysler und der Benjamin AMC) übriggeiblieben sind. Europa dürfte auch auf längere Sicht doch mehr dem Trend zum Automobil für den Individualisten folgen, während in Nordamerika seit Jahrzehnten die Massenproduktion zu einer von anderen Ländern nicht erreichten Größenordnung hinaufgezüchtet wurde. In diesem Sinne also könnte die eingangs erwähnte Meinung des Daimler-Benz-Sprechers Dr. Zahn viel für sich haben.

Bei unseren Überlegungen haben wir den dritten großen Block, der sich in der Autowelt gebildet hat, noch nicht erwähnt: Japan. Vor einigen Jahren spielte dieses Land in der Autoerzeugung keine überragende Rolle, heute wachsen nicht nur die Produktionsziffern, sondern auch die Exporte von Jahr zu Jahr in einem Maße, daß mit Fug und Recht von einer dritten Kraft im Autobau gesprochen wird, wenn auch berücksichtigt werden muß, daß die imponierenden japanischen Produk- tionsziffem einiges von ihrer Suggestivkraft verlieren, wenn man bedenkt, daß ein großer Teil des Ausstoßes Kleinwagen und Nutzfahrzeuge sind. Japan ist das einzige Land der autobauenden freien Welt, in welchem die Lastwagenproduktion diejenige der Personenwagen übertrifft, ein Umstand, der sonst nur in den Oststaaten verzeichnet werden kann. Aber auch in Japan sind große Konzentrationsbestrebungen im Gange, denn gerade dieses exportorientierte Land muß alles daransetzen, möglichst rationell zu produzieren.

Die Zusammenschlüsse der letzten Zeit, die am meisten Staub aufgewirbelt haben und die nicht nur für die betreffenden Firmen, sondern für die ganze nationale Industrie der jeweiligen Länder von größter Bedeutung sind, lassen sich rasch aufzählen: Das Volkswagenwerk hat NSU mit seinen wertvollen Wankellizenzen in sich aufgenommen, vorher wurde die Auto Union (Ingolstadt) einverleibt, ein Werk, von dem man eigentlich vorher angenommen hatte, es werde einmal zum Daimler-Benz-Konzem gehören. Viele Diskussionen hat die Interessengemeinschaft zwischen Fiat und Citroen ausgeiöst. Aber nacht einmal General de Gaulle konnte die Kooperation zwischen diesen beiden Werken verhindern. Das größte Gewicht im Rahmen dieser Betrachtung muß dem Zusammenschluß der sieben Marken (Austin, Morris, MG, Daimler- Jaguar, Rover und Triumph) der englischen Industrie beigemessen werden. Hier hat sich unter der Patronanz eines der größten Lastwagenherstellers der Welt, Leyland, ein Rie- senkonzem, die „British Leyland Motor Corporation” (BLMC) gebildet, die durchaus įn der Lage ist, den mächtigen amerikanischen Firmen mit ihren Tochtergesellschaften die Stirne zu bieten.

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