Was die Differenz ausmacht

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"Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken" - auf den Bestseller folgt nun die Kino-Fassung. Doch wie lehrreich ist der "Lehrfilm" tatsächlich?

Die Pop-Psychologie Bücher von Allan und Barbara Pease haben sich weltweit mehr als 20 Millionen Mal verkauft. Nun kommt die Verfilmung ihres Megasellers "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken" in die Kinos. Obwohl sich das Drehbuch relativ lose am Original orientiert, greift es doch ausgiebig auf dessen (angeblich) wissenschaftliche Erkenntnisse zurück. Die Furche entnahm dem Film zehn Thesen und bat eine Archäologin (Brigitte Röder, Universität Basel), eine Psychologin (Judith Glück, Universität Klagenfurt) und eine Anthropologin (Katrin Schäfer, Universität Wien) um Stellungnahme.

These I: Mit Rückblenden in die Steinzeit zeigt der Film: Männer waren schon damals Jäger, Frauen Sammlerinnen - und so wird es stets bleiben.

Brigitte Röder: Ein Problem der Urgeschichte ist: Es gibt keine Schriftquellen mit Selbstzeugnissen der Menschen. Und einem Beil oder Keramiktopf sieht man nicht an, wer ihn hergestellt oder benutzt hat. Selbst wenn man bei Männern als Grabbeigabe Steinbeile findet, bei Frauen Keramiktöpfe, dann bedeutet das nicht, dass die Männer den ganzen Tag Bäume gefällt und die Frauen nur gekocht haben. Denn: Gräber haben einen kultischen Kontext und sind nicht einfach Spiegel des Alltags. Übrigens kennen wir auch Frauengräber mit Steinbeilen. Und in Mitteldeutschland wurde ein Mann mit Webzeug bestattet.

These II: In einer Szene kommen die Steinzeit-Männer gerade von der Jagd zurück. Die Steinzeit-Frauen warten schon und hören dann gebannt den tollen Abenteuern ihrer Männer zu.

Röder: Diese Rollenzuschreibungen sind kein Ergebnis archäologischer Forschung. Vielmehr projizieren sie ein Geschlechtermodell auf die Urgeschichte, das im 18./19. Jahrhundert in der bürgerlichen Gesellschaft entwickelt wurde. Laut diesem Modell läge es "in der Natur" des Mannes Versorger zu sein. Die Frau hingegen sei die Fürsorgerin.

Später haben die Archäologen dieses kulturelle Gepäck - unreflektiert - in ihre Wissenschaft hineingetragen: Der Versorger wurde zum mobilen Steinzeitjäger, die Steinzeitfrau passte vor der Höhle auf die Kinder auf. Selbst das Modell der bürgerlichen Kleinfamilie wurde in die ferne Vergangenheit zurückverlegt. Dabei hätte man aus ethnologischen Studien wissen können, dass dies eine ganz spezielle Gesellschaftsform ist - und gar nicht so häufig vorkommt.

Gerade heute in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche wird das urgeschichtliche Geschlechterparadies mit seinen wohl definierten Rollen wieder gerne beschworen - nicht nur von Allan und Barbara Pease. Für Eva Hermann etwa tragen die Frauen die Schuld am derzeitigen Geschlechter-Wirrwarr - weil sie ihrer angeblich natürlichen Rolle als Mütter und Hausfrauen nicht nachkommen. Das ist selbstverständlich Unsinn.

These III: In einer Szene wird Jonathan Armbruster gezeigt, wie er gerade einen riesigen Eisbären erlegt hat. Er steht damit wohl in einer langen Ahnenreihe von mutigen Großwildjägern. Früher jagten die Alpha-Männer eben Säbelzahntiger und Mammuts.

Röder: Wie gesagt: Die Arbeitsteilung in der Urgeschichte ist schwierig zu eruieren. Aufschlussreich können aber ethnologische Vergleiche sein. (Männliche) Entdecker, Trapper und Missionare haben etwa viel - und voller Bewunderung - darüber geschrieben, wie Polarvölker Großwildjagd betrieben haben. Linda Owen hat in einer akribischen Textlektüre gezeigt, dass Großwild in der Tat meist von Männern gejagt wurde, dass es in Familien ohne männlichen Nachwuchs aber durchaus vorkam, dass Mädchen zur Großwildjagd ausgebildet wurden. Außerdem weiß man von Frauen, die als Scouts auf den Schiffen mitgefahren sind oder den Entdeckern Karten von Küsten gezeichnet haben. Frauen waren also mobil und hatten hervorragende geographische Kenntnisse.

Für die Altsteinzeit ist Ähnliches anzunehmen: Es wurden nicht nur Mammuts gejagt. Die Ernährung war differenziert und bestand aus Fischen, Vögeln, Kleinwild und Pflanzen. Warum sollten da Frauen, Kinder und alte Menschen nicht als Versorger mitgeholfen haben?

These IV: Frauen können nicht einparken. Männer hingegen sind seit Urzeiten darin geübt, räumliche Distanzen abzuschätzen. Beim Jagen etwa hatten jene einen evolutionären Vorteil, die Speere zielgenau schleudern konnten.

Judith Glück: Es gibt unzählige Studien zum räumlichen Denken von Mann und Frau, aber kaum eine für so eine konkrete Situation wie das Einparken. Würde man eine solche Studie durchführen, würden wahrscheinlich die Männer ein wenig besser abschneiden wie die Frauen - im statistischen Mittel versteht sich!

Der Unterschied ist aber sicher nicht genetischer Natur. Frauen haben wohl allgemein weniger Erfahrung mit Autofahren. Ein wichtiger Faktor ist auch das Selbstvertrauen: Für Männer ist eine enge Parklücke eher eine spannende Herausforderung; viele Frauen hingegen finden sie beängstigend - vor allem wenn noch drei Autos hinter ihnen stehen und hupen. So üben sie weniger und werden nicht besser. Ein Teufelskreis. Jedenfalls gilt: Frauen, die genauso viel Auto fahren wie Männer, können auch genauso gut einparken.

These V: Die Frau schaltet das Navigationsgerät ein. Doch der das Auto lenkende Mann biegt nicht links ab, sondern fährt nach rechts - und findet trotzdem das Ziel.

Glück: Aus Experimenten wissen wir, dass Frauen genauso gut von A nach B finden. Allerdings orientieren sie sich weniger an abstrakten Dingen wie Distanzen und Himmelsrichtungen, sondern denken eher: bis zur Bäckerei, dann links, bis zur Kirche und rechts etc. Wenn sie die Frauen aber bitten, Landkarten im Kopf zu entwerfen, können sie das durchaus. Und mit ein wenig Training sind sie bald so gut wie Männer.

Übrigens: Während man bei Studien vor 30 Jahren noch gewaltige Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt hätte, sind die Differenzen heute viel kleiner geworden. Das spricht stark gegen eine biologische Erklärung, weil so schnell passieren evolutionäre Entwicklungen nicht. Die Erklärung ist wohl, dass Frauen inzwischen weniger stereotyp erzogen werden. Wenn sich Mädchen etwa heute für technisches Spielzeug oder Mathe interessieren, hindert sie niemand daran, sich damit zu beschäftigen.

These VI: Der Mann starrt in den Kühlschrank und findet das Gewünschte nicht. Die Frau kommt ihm zu Hilfe: Schau, hier ist das und da ist das und dort ist jenes.

Glück: Es gibt Studien, wo es darum geht, ein bestimmtes Objekt aus vielen Objekten herauszufinden. Das ist eine der wenigen räumlichen Aufgaben, in denen Frauen - im Durchschnitt - tatsächlich besser abschneiden. Untersuchungen zu so etwas wie Tunnelblick bei Männern kenne ich keine.

These VII: Jan schaut Fußball - und nickt zu allem, was Katrin sagt. Doch mitkriegen tut er nur, was auf der Mattscheibe läuft.

Glück: Mit der Literatur zu Multitasking bin ich nicht vertraut, da es nicht mein engeres Fachgebiet ist. Jedoch würde ich sagen: Sehr oft muss im realen Leben die Frau Arbeit, Haushalt und Kindererziehung unter einen Hut bringen. Der im Büro arbeitende Mann hingegen konzentriert sich auf eine einzelne Tätigkeit. Kein Wunder, dass er nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun kann - wie so oft gilt: Es ist alles eine Frage der Übung.

These VIII: Am Beginn des Films heißt es: Wir sind alle moderne Nacktaffen.

Katrin Schäfer: Das ist einerseits richtig: Menschen und Affen sind eng verwandt, wie wir seit Darwin wissen. Ein falsches Bild entsteht, wenn damit animalische Instinkte illustriert werden. Die Neanderthaler etwa waren keine brüllenden Horden, die bloß übereinander hergefallen wären. Und wenn man die Gemeinschaften von Schimpansen oder Bonobos näher betrachtet, findet man auch hier feinste soziale Gefüge. Das ist alles sehr weit weg von einem niederen Verhalten.

These IX: Die Lippen einer Frau sind ein "Spiegelbild der Genitalien"(O-Ton).

Schäfer: Tatsächlich stellen die Lippen einen Östrogenmarker dar. Volle Lippen sind damit ein sichtbares Zeichen für Fruchtbarkeit und Jugendlichkeit. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Taille zu Hüfte, das bei jungen Frauen etwa 0,7 beträgt. Männer über alle Kulturen hinweg finden solche Frauen schön - dazu gibt es zahlreiche Studien. Jedoch trifft man auch auf gewisse kulturelle Abweichungen: In Gesellschaften, in denen Nahrungsmittel knapp sind, kann etwa ein Schönheitsideal ein wenig üppiger aussehen. Doch auch diese Üppigkeit hat ihre Grenzen: Bei zu starken Abweichungen treten gehäuft Fruchtbarkeitsstörungen auf.

These X: Frauen finden V-förmige Männer schön.

Schäfer: Ein V-förmiger Körper signalisiert einen athletischen Mann. Aber für Frauen ist nicht nur ein starker Mann wichtig; sie wünschen sich auch Zuverlässigkeit und dass der Mann bereit ist, Ressourcen zur Verfügung zu stellen und in die Beziehung zu investieren.

Judith Glück hat an folgendem lesenswerten "Anti-Sachbuch" mitgearbeitet:

Warum Frauen glauben, Sie könnten nicht einparken - und Männer ihnen Recht geben

Von C. Quaiser-Pohl, K. Jordan

dtv, München 2007

192 Seiten, kart., € 9,80

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