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Was schützt, wenn es kracht?

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Passive Sicherheit im Verkehr umfaßt alle jene Einrichtungen, die bei einem Unfall die Folgen für den Betroffenen möglichst gering halten.

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Passive Sicherheit im Verkehr umfaßt alle jene Einrichtungen, die bei einem Unfall die Folgen für den Betroffenen möglichst gering halten.

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Im Rereich „Passive Verkehrssicherheit” hat die Automobilindustrie vor allem bei der Konstruktion der Karosserien, und bei der Entwicklung effizienter „Rückhaltesysteme” in den letzten Jahren wesentliche Verbesserungen für die Sicherheit verunfallter Autofahrer erreicht. Automatikgurte sind gesetzlich verankerter Standard, Air-bags sind im Regriff, sich als Serien-ausstattung für sehr viele Automodelle zu etablieren. Knautschzonen und Systeme zur Auf- und Verteilung der bei Zusammenstößen auftretenden Kräfte sind zwar von außen nicht sichtbar, entscheiden aber oftmals über Tod und Leben.

Rei der Kollision eines Autos mit einem anderen Fahrzeug oder einem vielleicht noch unangenehmeren Hindernis wie einem Raum treten ungeheure Kräfte auf. Die Masse des Automobils und seiner Insassen wird oft auf einer sehr kurzen Strecke von einer hohen Geschwindigkeit bis zum Stillstand abgebremst oder abrupt in eine andere Richtung abgelenkt. Dabei wirken auf die Insassen bisweilen Gewalten, die einem Vielfachen der Erdanziehungskraft entsprechen. Da der menschliche Körper keinesfalls für solche rüden Re-handlungen ausgelegt ist, gilt es, die Relastungen unter Kontrolle zu halten. In der Praxis werden Karosserien entwickelt, die sich in vorberechneter Art und Weise verformen und dabei bereits einen großen Teil der Aufprallenergie aufnehmen.

Ein kompliziertes System von Verstrebungen soll die auftretenden Kräfte möglichst gut verteilen. Der unmittelbare Sitzbereich der Insassen aber darf logischerweise nicht verengt werden - die Sicherheitszelle wird daher so steif wie möglich konstruiert. Weiters muß vermieden werden, daß Teile wie die Lenksäule in den Fahrgastraum geschoben werden. Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, wenden die Hersteller immer ausgeklügeltere Konstruktionsstrategien an, die Prinzipien sind allerdings meist ähnlich.

Dieses Stichwort ist derzeit in aller Munde. Oben erwähnte Prinzipien sind bei Frontalzusammenstößen (überdeckend oder versetzt) oder Auffahrunfällen noch recht einfach vorstellbar. Nur, wo ist die Knautschzone bei seitlichen Kollisionen? Immerhin macht diese Art der Kollision fast ein Drittel aller Unfälle aus - und verständlicherweise gerade die gefährlichsten.

Max Lang, Technischer Leiter des ÖAMTC, beschäftigt sich intensiv mit allen Aspekten der Fahrzeugsicherheit: „Im letzten Jahrzehnt hat die Industrie im Rereich der Frontsicherheit viel getan. Rei der Seitensicherheit sind viele Hersteller aber noch dort, wo sie vor zehn Jahren waren. Die Erhöhung der Seitensicherheit ist im Fahrzeugbau derzeit unsere wichtigste Forderung an die Autoerzeuger.' Lang weist darauf hin, daß im Ortsgebiet bei einem seitlichen Aufprall mit „nur” 50 Stundenkilometern der auf der zerstörten Seite sitzende Passagier derzeit in den meisten Autos kaum Überlebenschancen hat.

Den Weg in Richtung mehr Seitensicherheit scheint derzeit Volvo vorauszueilen. Das jüngst präsentierte SIPS (Side Impact Protection System) hat sich in Vergleichstests als momentan überlegene Maßnahme in diesem Zusammenhang erwiesen. Unterstützt werden die besonderen Verstrebungen im seitlichen Rereich noch durch den erstmals in Serie produzierten Volvo-Seitenairbag. Volvo plant, das SIPS möglichst bald in allen Modellen anzubieten, derzeit sind nur zwei Fahrzeugtypen (eher teure) damit ausgestattet.

Eine Initiative zum Schutz von Fondpassagieren bei seitlichen Karambolagen hat Mazda mit der „Mutter-Kind-Rox” gesetzt. Zwei spezielle Stahlgehäuse unter den Rücksitzen des neuen Modells 323 sollen für die meist hinten sitzende Mutter und ihr Kind den Abstand zu „unerwünschten Eindringlingen” wahren.

Airbag und Gurte

Allgemein findet sich das Merkmal „Seitenaufprallschutz” bereits in den meisten Auto-Werbungen, aus Tests ist aber bekannt, daß viele so betitelte Maßnahmen noch nicht unbedingt lebensrettend sind.

Airbag ist das zweite, derzeit sehr häufig gebrauchte Schlagwort, wenn es um automobile Sicherheit geht. Er dient zum Schutz vor einem Aufprall des Kopfes an Lenkrad oder Armaturenbrett (Reifahrer) sowie zur Entlastung der Halswirbelsäule. Der Airbag ist ein Rallon (Sack) aus einem textilen Gewebe, der in Tausendstelsekunden durch einen Gasgenerator aufgeblasen wird und ebenso schnell wieder in sich zusammenfällt. Entscheidend ist, daß er genau im richtigen Moment aktiv wird, schließlich ist er nur für die Dauer von weniger als einer halben Sekunde aufgebläht. Daher sind übrigens - das belegen Versuche -eventuelle Fehlauslösungen

während der Fahrt ungefährlich.

Das blitzartige Aufblasen wird durch einen Sensor im Falle eine Aufpralls ausgelöst. Genau dann, wenn der Körper des Insassen durch die aufprallbedingte Verzögerung nach vorne geschleudert wird, stützt der Airbag seinen Kopf kurzzeitig ab. Die Entwicklung eines so schnellen Systems - sowohl Auslösung wie auch Entfaltung des Sackes - bis zur Serienreife dauerte Jahrzehnte; bereits 1952 wurde in den USA ein erstes Patent in diesem Zusammenhang angemeldet. Doch erst jetzt beginnt der Airbag langsam, in die Serienausstattung etlicher Automodelle aufgenommen zu werden.

Auf der Fahrerseite ist der Airbag im Lenkrad untergebracht, beim Reifahrer in die Konsole integriert. Er kann bei einigen Marken auch nachträglich eingebaut werden.

Vorsichtig sollte man sein, wenn am Reifahrersitz (mit Airbag) ein

Kind im Kindersitz transportiert wird - der Nachwuchs sollte unbedingt in Fahrtrichtung schauen. Rei gegen die Fahrtrichtung montierten Sitzen besteht Verletzungsgefahr für das Kind.

Wesentlich für den sinnvollen Einsatz eines Airbags ist, daß die entsprechenden Passagiere auch angeschnallt sind - der Airbag kann keineswegs als Alternative zu den Sicherheitsgurten gesehen werden.

Die Renutzung von Gurten hat schon unzähligen Menschen das Leben gerettet. Die Gefahr, durch einen klemmenden Gurt im brennenden Auto festgehalten zu werden, ist minimal im Vergleich zur Gefahr, 3.000 Kilogramm nicht mit zwei Armen abfangen zu können. So groß ist nämlich die Kraft, mit der ein Auto-lenker bei einem Anprall von 50 Stundenkilometern auf ein starres Hindernis gegen das Lenkrad gedrückt wird. Das Risiko, bei einem Unfall getötet zu werden, ist für nichtangeschnallte Lenker sechsmal höher als für Fahrzeuglenker, die einen Sicherheitsgurt verwenden.

Der Gurtstraffer spannt im Falle eines Aufpralls den Sicherheitsgurt. So wird erreicht, daß der Passagier früher samt Auto gebremst wird und nicht „in den Gurt fällt”. Schließlich liegt durch dicke Kleidung und ähnliches üblicherweise der Gurt nie wirklich stramm über Schulter und Recken.

Neben Sicherheitsgurt, Gurtstraffer und Airbag darf ein wesentliches Rückhaltesystem nicht vergessen werden: der Kindersitz. Laut jüngster Statistiken wird er in Österreich entgegen den neuen gesetzlichen Re-stimmungen sehr oft nicht verwendet. Er ist für die Sicherheit der Kleinen im Auto aber mindestens so wichtig wie der Sicherheitsgurt für die Eltern.

Manche Autohersteiler bieten speziell auf ihre Modelle abgestimmte an (zum Reispiel Volkswagen System „Robsy”). Das ist deshalb sinnvoll, weil so am ehesten eine verläßliche Verankerung im Fahrzeug gewährleistet ist. Sehr wichtig ist auch, daß der Sitz dem jeweiligen Gewicht des Kindes entspricht und die Gurte des Sitzes auf die Körpergröße des Kindes eingestellt werden. Nachdem Kinder mitunter sehr schnell wachsen, sollte diese Abstimmung öfters überprüft werden.

Kollision mit Fussgängern

Einige Automobilhersteller machen sich außer über das Wohl ihrer unmittelbaren Kunden auch Gedanken über die Gesundheit anderer, eventuell in einen Unfall verwickelten Verkehrsteilnehmer. So vermeiden die Planer neuer Modelle alle Elemente, die zum Reispiel Fußgänger im Fall einer Kollision unnötig verletzen könnten. Türgriffe werden ”versenkt, die Karosserie allgemein abgerundet; Außenspiegel können leicht abgeklappt werden. Citroen zieht extra . die Frontpartie weiter hinunter, damit Fußgänger im Unglücksfall wenigstens am Schienbein statt am empfindlicheren Knie getroffen werden.

RMW berechnet seine Knautschzonen sogar in Hinblick darauf, daß eventuell leichtere und schwächere Unfallgegner-Autos bei einem Zusammenstoß nicht allzu schwer beschädigt werden.

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