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Was steht im konkordat?

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Kirche und Staat haben in Osterreich ihre Beziehungen durch ein Konkordat und Nachfolgeabkommen geregelt. Kann ein Rütteln daran

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Kirche und Staat haben in Osterreich ihre Beziehungen durch ein Konkordat und Nachfolgeabkommen geregelt. Kann ein Rütteln daran

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Konkordat ist ein nach den Regeln des Völkerrechts abgeschlossener Vertrag zwischen der Katholischen Kirche auf der einen und einem Staat auf der anderen Seite. Inhalt eines solchen Vertrages ist die Regelung von Fragen von beiderseitigem Interesse.

Das österreichische Konkordat vom 1. Mai 1934 ist zwar in der Periode des Ständestaates autoritärer Prägung (1934-38) unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuss in Kraft getreten, die wesentlichen Vertragsinhalte wurden aber schon zu einer Zeit vereinbart, als es noch ein demokratisches Osterreich gab. Erste Verhandlungen zum Abschluß eines Konkordats wurden bereits unter dem der Großdeutschen Partei angehörenden Bundeskanzler Schober, nämlich 1929, aufgenommen, das Konkordat selbst wurde am 5. Juni 1933 ratifiziert. Die Bezeichnung des Vertragswerkes als „Dollfuss-Konkordat”, wenn damit gemeint ist, daß es seinem gesamten Inhalt nach von der Ideologie des autoritären Ständestaates geprägt sei, ist daher historisch nicht haltbar.

Bevor auf Einzelheiten des Inhalts eingegangen wird, ist folgendes festzuhalten: Das Konkordat bewegt sich vollständig im Rahmen der österreichischen Bundesverfassung. Die katholische Kirche Österreichs, wenngleich zahlenmäßig die weitaus stärkste religiöse Gruppe (etwa 78 Prozent), erhält weder durch das Konkordat, noch durch sonst eine Regelung irgendjemandem nutzen?

eine bevorzugte Rechtsstellung gegenüber den anderen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften (derzeit insgesamt zwölf). Von der geltenden Verfassung her besteht zwischen den gesetzlich anerkannten Kirchen (Religionsgesellschaften) der Grundsatz der Parität, das heißt sie sind alle in der gleichen Nähe beziehungsweise Ferne zum (religiös neutralen) Staat. Es gibt in Österreich keine Staatsreligion. Alle gesetzlich anerkannten Kirchen (Religionsgesellschaften) haben die Rechtsstellung von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie Verden dadurch unter anderem in ihrer gesellschaftlichen Relevanz besonders betont und sind deutlich von rein privaten Vereinen abgehoben.

Wenn vom österreichischen Konkordat gesprochen wird, ist nicht nur das 1934 abgeschlossene Vertragswerk ins Auge zu fassen, sondern auch die in der Zweiten Republik hinzugekommenen Zusatzverträge (Konkordatsnovellen), nämlich der Vermögensvertrag (1960), der Schulvertrag (1962), sowie Vereinbarungen über die Errichtung neuer Diözesen (Eisenstadt, Innsbruck, Feldkrich).

Im Konkordat können zwei Arten von Regelungsbereichen unterschieden werden: Solche, die etwas Besonderes für die katholische Kirche zum Inhalt haben und solche, bei denen die vertragliche Regelung inhaltlich mit dem auch anderen Kirchen Zukommenden identisch ist.

Zu den letzteren gehört der Schulbereich. Hier leistet der österreichische Staat einen Zuschuß zu den Erhaltungskosten der konfessionellen Privatschulen in Form der sogenannten „lebenden Subventionen”, das heißt der Staat übernimmt grundsätzlich 100 Prozent der Kosten für das Lehrpersonal. Obwohl dies in bezug auf die katholische Kirche Gegenstand einer Sondervereinbarung (im Schulvertrag) ist, entsteht daraus keine Sonderstellung, weil alle konfessionellen Privatschulen in der selben Weise unterstützt werden. Gleiches ist zu sagen bezüglich des Religionsunterrichts. Dieser ist zunächst Pflichtgegenstand in den meisten Schultypen für die Angehörigen der gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften (mit der Möglichkeit zur Abmeldung); die Be-soldung aller dieser Religionslehrer erfolgt seitens des Staates.

Die aufgrund des Vermögensvertrages (1960) an die katholische Kirche geleisteten jährlichen Zahlungen (derzeit etwa 320 Millionen Schilling) stellen kein aus freien Stücken vom Staat gegebenes Geschenk dar, sondern sind eine Entschädigung für die in der NS-Zeit erfolgte Verstaatlichung (Säkularisierung) der Religionsfonds, aus denen bis zum „Anschluß” der Großteil des (katholischen) kirchlichen Sach- und Personalaufwands bestritten wurde. In der Zweiten Republik wurde das ehemalige Religionsfondsvermögen zum Großteil nicht mehr der katholischen Kirche rückerstattet, sondern blieb Staatseigentum. Staatliche Zuschüsse ähnlicher Art, ebenfalls aufgrund von in der NS-Zeit erlittenen vermögensrechtlichen Nachteilen erhalten die evangelische Kirche, die altkatholische Kirche und die israelitische Rel-gionsgesellschaft.

Die Katholisch-Theologischen Fakultäten Österreichs (Wien, Innsbruck, Graz, Salzburg) sind Gegenstand einer Sonderregelung im Konkordat. Theologische Lehre kann nur erteilt werden, nachdem der örtlich zuständige Bischof zur Ernennung eines Professors (Dozenten) seine Zustimmung gegeben hat. Wird diese entzogen, muß der betreffende akademische Lehrer aus dem Lehrbetrieb der Fakultät ausscheiden. Von dieser Regelung ist behauptet worden, daß sie in Widerspruch zum Grundrecht der akademischen Lehrfreiheit stehe und eine mit demokratischem Rechtsempfinden nicht zu vereinbarende Sonderstellung der Katholisch-Theologischen Fakultäten im Universitätsverband bedeute.

Dem ist zu erwidern, daß die verfassungsgesetzlich gewährleistete akademische Lehrfreiheit eine Bindung des akademischen Lehrers an Glaubensinhalte einer Kirche nicht ausschließt. Wenn es überhaupt konfessionell orientierte theologische Fakultäten gibt, dann müssen diese auch in irgendeiner Weise an das geistliche Lehramt der betreffenden Kirche rückgebunden sein. Auch für die Evangelisch-theologische Fakultät (Wien) ist im Protestantengesetz (1961) vorgesehen, daß die akademischen Lehrer Angehörige der evangelischen Kirche sein müssen und daß vor der Bestellung von Professoren Kontakt mit der evangelischen Kirchenleitung herzustellen ist.

Der Fortbestand der theologischen Fakultäten im Gesamtverband der „Universitas litterarum” ist nicht nur für die wissenschaftliche Theologie, sondern für die Universitäten selbst von großer Bedeutung. Angesichts einer immer größer werdenden Gefahr der Zersplitterung, wodurch den einzelnen Wissenschaften der Blick für Grundfragen verloren gehen kann, ist der integrierende Beitrag einer sich den Herausforderungen der Gegenwart öffnenden Theologie unerläßlich.

Die katholische Kirche ist heute weniger als zu anderen Zeiten auf den Erwerb von Privilegien von Seiten des Staates bedacht, sondern wünscht nur jene Freiräume, die für die Verwirklichung ihres Auftrags am Menschen erforderlich sind. Sie ist, gerade auch in ihrem Verhältnis zum Staat, mit besonderem Nachdruck bestrebt, alles zu vermeiden, „was die Lauterkeit ihres Zeugnisses in Frage stellen” könnte (vergleiche Pastoralkonstitution „Gaudium et spes”/GS Nr. 76).

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