Wer hat an der Uhr gedreht?

Werbung
Werbung
Werbung

Hoffentlich jeder: Vergangenen Sonntag wurde den Europäern eine Stunde ihres Wochenendes genommen - es ist wieder Sommerzeit.

Das Procedere, das vergangenen Sonntag alle Uhrenbesitzer (außer von Funkuhren) vollzogen haben, wiederholt sich jährlich zwei Mal in der Europäischen Union und in Osteuropa: Es wird kollektiv an der Uhr gedreht. Einmal am letzten Sonntag im März, dann wieder am letzten Sonntag im Oktober. Die Uhren werden im Frühjahr eine Stunde vor-, im Herbst wieder eine Stunde zurückgestellt.

Außerhalb Europas machen manche Länder die Zeiger-Dreherei mit, andere lassen es bleiben. In den USA beispielsweise (wo am ersten Wochenende im April auf die "daylight saving time", also Tageslicht-Sparzeit, umgestellt wird), sind die Bundesstaaten Arizona, Hawaii und Teile von Indiana Sommerzeit-Verweigerer.

In Österreich gab es den sommerlichen Zeitsprung erstmals zwischen 1916 und 1920, dann von 1940 bis 1948 und während der Ölkrise 1973. Seit 1980 gibt es die Sommerzeit in der gesamten EU, aber erst seit 1996 ist auch das genaue Datum der Umstellung für alle Staaten verbindlich, aktuell geregelt in der "Richtlinie 2000/84/EG vom 19. Januar 2001 zur Regelung der Sommerzeit".

Auf die Idee, regelmäßig an der Uhr zu drehen, ist der US-amerikanische Naturwissenschaftler und Politiker Benjamin Franklin im Jahr 1783 gekommen, angeblich als er während einer Paris-Reise feststellte, dass die Franzosen sehr spät ins Bett gingen, daraufhin den Morgen verschliefen und so das Tageslicht nicht optimal ausnutzten. Mit der Umstellung sollte täglich eine Stunde weniger künstliches Licht ver(sch)wendet werden.

Auch während der beiden Weltkriege und der Ölkrise war der Gedanke des Energiesparens ausschlaggebend: Vor allem in Großbetrieben sollte länger bei Tageslicht gearbeitet werden können. Die Rechnung ging nicht auf, denn die Stromkosten für Beleuchtung sind so gering, dass die minimale Ersparnis nicht ins Gewicht fällt. Manche Messungen kommen sogar zu dem Ergebnis, dass durch den vermehrten morgendlichen Heizbedarf in den kühleren Monaten der Sommerzeit der Stromverbrauch noch ein bisschen steigt.

Pech haben Bahnreisende, die nachts vor zwei Uhr wegfahren: Ihr Zug hat durch die Umstellung eine Stunde Verspätung; alle Züge, die erst nach der Umstellung abfahren, fahren aber planmäßig - Anschlusszüge sind also weg.

Während sich die Freizeitindustrie über die helleren Abende freut, beschäftigen sich zahlreiche Studien mit den gesundheitlichen Folgen des Zeitsprunges. Das Ergebnis: Die Sommerzeit ist in den ersten Tagen nicht besonders gesund. "Jetlag für Minderbemittelte" nennt der deutsche Entertainer Harald Schmidt diesen Umstand. Beispielsweise kommt eine im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführte Studie zu dem Ergebnis, dass es in den ersten zwei bis drei Wochen nach der Zeitumstellung zu einem Anstieg der Arztbesuche kommt. Zudem stellt sie eine leichte Zunahme beim Verbrauch von Beruhigungs- und Schlafmitteln fest. Es dauere bis zu sieben Tage, bis sich der Körper an die neue Uhrzeit angepasst hat und sich Aufwachzeit, Körpertemperatur, Aufnahmefähigkeit und Schlafqualität normalisiert haben, heißt es.

Die Kommission zieht aus diesen Ergebnissen in einem Bericht an den Europäischen Rat den Schluss, "dass es sich nicht um eine ernsthafte Gefährdung der Gesundheit handelt, sondern lediglich um vorübergehende Störungen, die nach kurzer Zeit wieder vollständig verschwinden".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung