Wissenschaft soll sich melden

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Johannes Hahn, Wissenschaftsminister, setzt im Kampf gegen EU- und Technikskepsis auf die Wissenschafter.

Steigende EU-Skepsis sowie die Angst vor Gentechnik und Stammzellenforschung gefährden den Wissenschaftsstandort Österreich. Viele Forschungsprojekte sind auf Geld aus Brüssel angewiesen.

Die Furche: Muss die Europa-Skepsis in Österreich den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung nicht irritieren?

Hahn: In der EU gibt es Dinge, die man optimieren kann, aber in Summe gibt es keine Alternative zum Projekt Europa. Zur Forschung: 117% unserer eingezahlten Mittel haben wir im sechsten Rahmenforschungsprogramm herausgeholt, wir sind seit 1995 an mehr als 5000 Forschungsprojekten beteiligt gewesen. Es ist illusorisch zu glauben, ein Land wie Österreich hätte isoliert eine Chance, in Forschung und Wissenschaft mitzuhalten.

Die Furche: Was könnten EU-Skepsis und Gegnerschaft auslösen?

Hahn: … uns in Wissenschaft und Bildung sowie als Wirtschaftsstandort gefährden. Wir haben 450 Millionen Euro als Forschungsgelder von der EU zurückbekommen, die werden uns dann abgehen.

Die Furche: Wie konnte es zu dieser EU-Skepsis kommen?

Hahn: Wir müssen offensiv informieren. Ich habe begonnen aufzuzeigen, was die EU für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Österreich bedeutet.

Die Furche: Tragen die Unis das mit, äußern sich die Professoren?

Hahn: Ja, aber der gesamte Druck kann nur von uns kommen. 65 Prozent der Professorenberufungen 2007 waren Auslandsberufungen, doppelt so viele wie zu Beginn des Jahrzehnts. Die würden nicht kommen, müssten sie in einer geistigen Enklave arbeiten.

Die Furche: Wieso ist denn die Skepsis gegenüber Gentechnik so groß? Manche Forschungsprojekte und Versuche sind bei uns nicht mehr möglich.

Hahn: Das ist richtig. Bei der Embryonenforschung ist das nicht so gravierend, weil die international ist. Wenn ich an Stammzellenforschung denke, ist von Bedeutung, in welchem Kulturkreis ich mich aufhalte. Denn wann Leben entsteht, wird unterschiedlich gesehen. Daraus ergeben sich andere Zugänge. Was bei uns wegen ethischer Grundsätze nicht denkbar ist, ist auf anderen Teilen der Welt keine Frage. Wir müssen nur schauen, dass es eine Balance gibt auf internationaler Ebene. Österreich hat bei der roten, grünen oder weißen Gentechnik unterschiedliche Positionen. Wir müssen schauen, wissenschaftlich nicht abgekoppelt zu werden. Und Kritik kann man an einer Sache nur üben, wenn man sich darin auskennt. Dazu muss man die Dinge beforschen und man muss in den internationalen Wissenschaftszirkeln verankert sein. Daher ist es mir wichtig, folgendes Bewusstsein zu schaffen: Österreich hat, etwa bei Atomstrom, eine andere Haltung und die mag okay sein, aber im Wissenschaftsbereich müssen wir trotzdem das Wissen für diese Sachgebiete haben. Einfach, um auch international wissenschaftlich und politisch mitreden zu können.

Die Furche: Wie läuft die Achse zwischen Agrar- und Wissenschaftsministerium zur grünen Gentechnik?

Hahn: Wir werden in Zukunft sicher Gespräche führen. Es ist aber aus der Wissenschafts-Community nicht unbedingt der Druck da. Das Interesse kommt eher aus den Forschungsabteilungen der Unternehmen. Einige Großunternehmen sagen uns: Wir forschen woanders. Aber Forschung breit bei uns in Österreich zu haben, ist ein grundsätzliches Thema, weil es auch um die Verfügbarkeit von Wissen geht. Und das braucht man, um politische Entscheidungen auch mit einem rationalen Hintergrund treffen zu können. Das Wichtigste ist, dass wir forschungsmäßig nicht vereinsamen, dass wir dran bleiben und dann die richtigen Schlüsse ziehen. Ich habe immer wieder Mitglieder der Akademie der Wissenschaft, die Leuchttürme unserer Wissenschaftsszene sind, aufgefordert, sich stärker in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Weil wir die Wissenschafter mit ihrer Autorität brauchen, um öffentliche Debatten zu führen in den verschiedensten Bereichen. Ich würde mir wünschen, seitens der Wissenschafter möge man etwas stärker auf die öffentliche Debatte setzen.

Das Gespräch führten Stefan Janits und Claus Reitan

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