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Wissensdiaftsattaches heute!

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Frankreich unterhält in Warschau drei Diplomaten allein für den Kulturbereich, berichtete Österreichs Kulturbeauftragter Dr. Cocron dieser Tage aus seinen Erfahrungen in der polnischen Hauptstadt — einer der drei französischen Kollegen ist speziell zur Betreuung der Wissenschaft und der Forschung eingeteilt.

Ein besonderes Anliegen des (schweizerischen) Wissenschaftsrates war auch im abgelaufenen Jahr die Förderung des Kontaktes zu schweizerischen Akademikern im Ausland, heißt es im Jahresbericht der eidgenössischen Forschungsinstitution, auf ihre Anregung habe der Bundesrat nicht nur in erster Dringlichkeit den Posten des Wdssenschaftsattaeilės an der Botschaft in Washington wieder besetzt, sondern auch zwei entsprechende Posten bei den schweizerisdien Missionen in Moskau und Tokio geschaffen …

Zwei Meldungen der letzten Tage, die schlagartig erhellen, daß es nicht mehr genügt, die Wissenschaft im Bereich der Auslandskulturpolitik mit der linken Hand nebenher mitzubetreuen (wenn überhaupt). In der gerade erst abgehaltenen Enquete der Sektion VII des Unterrichtsministeriums nahm die Wissenschaft einen breiten Raum ein (er hätte vielleicht noch breiter sein können) — aber nur einmal kam zum Ausdruck, daß hierfür spezielle Bemühungen, spezielle Kräfte nötig wären.

Aber nicht nur das. Auch im Wirtschaftsverkehr bedarf es heute meist nicht mehr diplomatischer Interventionen — und doch stehen mindestens den größeren Vertretungen zugeteilte Beamte speziell für wirtschaftliche Belange zur Verfügung. Im Bereich der Wissenschaft ist es nicht minder wichtig, Entwicklungen zu beobachten, Fortschritte zu verfolgen, ob es sich nun um die Forschung selbst, die Bemühungen des Staates um ihre Förderung, ob es um Strukturen und Reformen des Hochschulwesens, der höchsten Bildungsinstitutionen geht. Die über zahllose Fachpublikationen verteilten Veröffentlichungen erreichen das eigene Land meist sehr spät — aber sie könnten viel früher zur Kenntnis genommen werden, wenn sie an Ort und Stelle vom Spezialisten beobachtet würden.

Zur Zeit gibt es erst einen derartigen Attache, Hofrat Wilhelm Mateika in Paris, gleichzeitig ständiger Delegierter bei der UNESCO und als langjähriger Universitätslehrer besonders aktiv in der Herstellung und Wahrung wissenschaftlicher Kontakte. Das Kulturinstitut am Boulevard des Invalides hat wie jenes in Rom seit je der Wissenschaft den ihr zustehenden breiten Raum eingeräumt, unter Dr. Cocron einst, unter Ministerialrat Hohen- warth jetzt. Hier ist, abgesehen von mehr Mitteln, nicht mehr viel zu wünschen übrig.

Um so mehr andernorts. Die vorhandenen Stäbe, ohnehin meist unterbesetzt, wären überfordert, wollte man von ihnen auch noch eine intensive Betreuung des wissenschaftlichen Bereichs verlangen, abgesehen davon, daß hierfür Spezialkenntnisse erforderlich wären. Der ohnehin geplante Ausbau des Netzes der Kulturattaches aber dürfte diese Frage nicht außer acht lassen.

Minister Piffl-Percevic hat in seiner Einleitung zur Kulturenquete besonders auf die Notwendigkeit einer speziellen Unterweisung der Kulturattaches und Kulturbeauftragten hingewiesen — sie müßte sehr eingehend die aufgezeigten Aufgaben einschließen.

Österreich besitzt heute acht Militärattaches, die in 14 Staaten akkreditiert sind. Mag sein, daß Österreichs neutrale Position auch die Präsenz von Diplomaten in Uniform in den Hauptstädten der Signatarmächte des Staatsvertrags und in den Zentren der anderen Neutralen erfordert. Das sei hier nioht untersucht. Sicher aber scheint, daß die österreichische Wissenschaft nicht weniger eine diplomatische Vertretung im Ausland nötig hätte.

Die Transparenz der Grenzen

Die Wissenschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten ihre Bedeutung für alle Bereiche des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens bewiesen — keiner kommt mehr ohne wissenschaftliche Fundierung aus. Die Wissenschaft hat aber seit je die Grenzen übersprungen. Versuche, „nationale” Wissenschaften aufzurichten, sich gegenüber dem Ausland abzukapseln, scheiterten Immer sehr bald in der Isolierung. Selbst über Eiserne Vorhänge hinweg gingen die Kontakte der Fachkollegen weiter. Lange bevor der Fremdenverkehr die Grenzen wieder transparent machte, standen die Devisen und Visa für wissenschaftliche Kongresse bereit.

Was wollen wir also mehr? Wozu dann noch Wissenschaftsattaches? Eben wegen dieser Transparenz der Grenzen, wegen dieser Selbstverständlichkeit der Zusammenarbeit im internationalen Bereich, wegen des Eindringens der Wissenschaft in alle Bereiche des Lebens und der damit verbundenen explosionsartigen Entwicklung wissenschaftlicher Ergebnisse.

Auch der schweizerische Wissenschaftsrat stellt die Betreuung der Landsleute im Ausland an die Spitze der Aufgaben jener speziell eingesetzten Diplomaten. Die Abwanderung schweizerischer Wissenschaftler war in den vergangenen Jahren noch wesentlich stärker als jene von Österreichern — allein in die USA im Verhältnis zur Bevölkerungszahl mehr als dreimal so hoch. Liegt es hieran, daß man in Zürich und Bern früher auf die Idee gekommen ist, man müsse sich um diese Menschen kümmern, um sie wieder zurückgewinnen zu können? Der Strom österreichischer Fachkräfte ergießt sieh mehr in den deutschen Raum, er ist sicher nicht immer mit dem Schlagwort der „Abwanderung” abzutun. Er ist oft ein unentbehrliches Glied im Bildungs- und Ausbildungsprozeß — aber um so mehr wäre es nötig, ihn zu beobachten.

Rückstrom!

Die österreichische Rektorenkonferenz beschloß vor Jahresfrist die Anlage einer Habilitiertenkarted, um die Aufstellung der Dreiervorschläge für Berufungen zu erleichtern. Wer im Inland wissenschaftliche QualiA- kationen aufweist, ist relativ leicht festzustellen — wertvoll kann eine Kartothek dieser Art daher nur sein, wenn sie über die Grenzen hinausgreift, wenn sie vor allem die Österreicher erfaßt, die im Ausland wissenschaftlich arbeiten, die an fremden Universitäten ihre wissenschaftlichen Qualitäten bewiesen haben. Nach langen Jahren der Absperrung kommt heute wieder ein erfreulicher Anteil neuberufener Professoren aus dem Ausland nach Österreich, „Rückwanderer” zum Teil, „echte” Ausländer die andern. Ohne sie wäre ein großer Teil unserer Lehrkanzeln nach wie vor „Leerkanzeln”. Das Nachwuchsreservoir der österreichischen Hochschulen liegt heute — eine völlig normale Erscheinung — wieder zum guten Teil im Ausland, wie ebenso Österreichs Hochschulen ihre Kräfte an ausländische abgeben.

Der Überblick über dieses Reservoir wird aber erleichtert, wenn an Ort und Stelle ein Beauftragter des Staates die Kontakte aufrecht erhält, wenn die „Auswanderer” das Gefühl behalten, die Heimat habe sie nicht abgeschrieben. Der Wissenschaftsattache, dem die Heimatdienststeile — Ministerium oder Hochschule selbst — meldet, wer wohin berufen wurde, oder der selbst bemüht ist, die Übersicht über die wissenschaftlich tätigen Landsleute seines Aktionsbereichs zu finden und zu bewahren, müßte zum unentbehrlichen Helfer der Heimatuniversitäten werden. Er könnte so manche zu lange Vakanz abzukürzen helfen.

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