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Zerreißprobe in der Wüste

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Die moderne Automobilkonstruktion hält heute vielfach mehr aus, als man ihr schlechthin , zutrauen würde. Diesem vielfach hochgezüchteten Fortbewegungsmittel, das auf Grund von 75jähriger Erfahrung heute einen Stand erreicht hat, der gleichbedeutend ist mit einer gewissen Degeneration, wird in mancher Beziehung nicht ganz getraut. So kommt es vor, daß Konstrukteure nach irgendeiner Gewaltleistung eines ihrer Erzeugnisse selbst erstaunt sind. Hier ist vielleicht maßgebend, daß Automobile in unserer Zeit auf ein bestimmtes Aufgabengebiet zugeschnitten werden. Die Konstruktion wird demnach so veranlagt, daß die dem Fahrzeug ankonstruierten Eigenschaften alle in Richtung eines bestimmten Verwendungszweckes ausgerichtet sind. Dadurch ist der moderne Pkw. heute vielfach konstruktiv so beschaffen, daß er eigentlich vor allem auf gepflegten Straßen betrieben werden kann, da eine zu geringe Bodenhöhe ein Fahren etwa auf Karrenwegen bereits verbietet. Kraftfahrer, die hier nicht entsprechende Sorgfalt walten lassen, haben dies vielfach mit teuren Reparaturen bezahlen müssen, die sich aus zerschlagenen Oelwannen oder ähnlichen Beschädigungen ergeben haben. Geländegängige Fahrzeuge wiederum besitzen erstklassige Eigenschaften im Gelände, während sie im Betrieb auf der Straße durch fehlende Straßenlage und ähnliche Merkmale im allgemeinen zu wünschen übriglassen. Daraus wird bereits ersichtlich, daß jede Fahrzeugkategorie auf ein spezielles Aufgabengebiet zugeschnitten ist und außerhalb dieses nur eine verhältnismäßig geringe Universalität zu bieten hat.

Vor wenigen Jahrzehnten war dies noch etwas anders. Allein schon die vielfach absolut schlechten Verkehrswege im Ueberlandverkehr brachten es mit sich, daß die Konstrukteure robuste, bodenfreie und im allgemeinen universellere Typen bauen mußten, um den oft recht rasch wechselnden Straßenverhältnissen gerecht werden zu können. Wenn heute ein normaler Pkw., der ausschließlich für den Gebrauch auf relativ guten Straßen und Verkehrswegen gebaut ist, dazu ausersehen wird, in der afrikanischen Wüste oder im Busch eingesetzt zu werden, so wird dies von seilen der Fachwelt, aber auch von Laien, von vornherein als praktisch undurchführbares Unternehmen betrachtet werden.

Daß dies im Einzelfall jedoch dennoch zu einem guten Ende führen kann, bewies d i e österreichische Westafrikaexpedition 195 6, die neben einem Hum-ber-Geländewagen einen IFA F 9 Kombi für die Expedition verwendete. Dieses Fahrzeug wurde ausschließlich für den normalen Straßenverkehr geschaffen und gebaut. Obwohl dies den Expeditionsmitgliedern bekannt war, beließen sie dieses Fahrzeug in vollkommen serienmäßigem Zustand und fuhren damit rund 28.000 km durch die Sahara und den afrikanischen Busch. Wie man sehen konnte, war dieser Optimismus letzten Endes berechtigt, denn das Fahrzeug kam in beachtlich gutem Zustand wiederum nach Wien zurück. Es ist geradezu unglaublich, daß man davon absah, primitivste Veränderungen, wie etwa die Anwendung eines speziellen Wüstenfilters oder einer entsprechend staubdichten Ver-kapselung der Uebertragungsgelenke des vorderradgetriebenen Fahrzeuges durchzuführen. Ebenso wäre es mit relativ geringen Mitteln möglich gewesen, durch Einbau eines größeren Kühlers eine wesentliche Intensivierung der Kühlung herbeizuführen. Daß dies jedoch alles unterblieb, verhalf zu der recht interessanten Erkenntnis, daß es dem Fahrzeug auch ohne solche Vor-sichts- und Schutzmaßnahmen möglich war, all die weit über seine Konstruktionskonzeption hinaus auftretenden Beanspruchungen zu bestehen.

Es ist nur natürlich, daß dies nicht ohne jegliche Schäden möglich war. So wurde auf der Wellenpiste durch die enorm große Schüttelbeanspruchung zum Beispiel der Kühler undicht, auf unwegsamen Geländestrecken der hinten und tiefliegende Benzintank durch Steinschlag leck, und innerhalb der Regenperiode mußten einige Störungen der ebenfalls relativ tief liegenden elektrischen Anlage in Kauf genommen werden. Dies waren aber Störungen, die der

Leistungsfähigkeit des Fahrzeuges keinen Abbruch taten.

Beachtlich ist hingegen, daß dieser gewichtsmäßig stets an der Grenze der Belastbarkeit gefahrene Kombi ohne Brüche des Fahrgestells durchkam und daß der nicht nur thermisch weit überbelastete, sondern noch zusätzlich durch Eindringen von Sand schwerstens beanspruchte Zweitaktmotor die ganze Expedition über durchhielt.

Eine Ueberprüfung des Fahrzeuges nach Beendigung der Expedition in Wien brachte geradezu erstaunliche Ergebnisse/ Fahrgestell und Kraftübertragungsteile sind ebenso in Ordnung wie die Lenkung, wenn diese natürlich auch mehr Spiel aufweist als dies bei einem unter normalen Umständen gefahrenen Wagen dieser Type der Fall ist. Die Ueberprüfung der Maschine ergab, daß der Motor in Ordnung ist und sich etwa in 60 bis 70 Prozent neuwertigem Zustand befindet. Dies war auch der Grund dafür, daß bei einer kurzen Testierung auf der Wientalstraße das Fahrzeug bei voller Belastung heute noch an die 100 km/h läuft. Trotz schlechtester Pflege, wie ungenügende Schmierung des Fahrgestells, Verwendung schlechtesten und verunreinigten Kraftstoffes, hielt das Fahrzeug allen Beanspruchungen stand. Es stellte unter Beweis, daß moderne Automobile trotz ihrer Spezialisierung für ein Einsatzgebiet oft weit mehr zu leisten in der Lage sind, als man schlechterdings annehmen möchte.

Die österreichische Westafrikaexpedition 1956, die es sich zur Aufgabe stellte, phonetische Dokumentationen über Afrika für das Archiv des Wiener Völkerkundemuseums zu sammeln und den Fetischkult im Gebiet des mittleren Niger und Dahomey zu erfassen, brach von Wien am 21. Dezember 1955 auf und beendete hier die erfolgreiche Expedition am 6. September 1956. Sie erhielt den IFA F 9, Baujahr 1954, mit einem Kilometerstand von 10.000 km und legte mit diesem Wagen in Afrika 28.000 km zurück. Die Route führte über Algier auf der Tanezrouf-piste durch die Sahara und nach deren Durchquerung in das eigentliche Forschungsgebiet am Niger. Vom Stützpunkt Niamey wurden Stichfahrten bis zu 400 km in den Busch unternommen und dort insgesamt 15.000 km zurückgelegt.

Beim Durchstoß an die Atlantikküste wurden auch im Dahomeygebiet ausgedehnte Stichfahrten unternommen.

Die während der Regenzeit auftretenden Tornados und plötzlich einsetzende, wasserfallartige Regengüsse verwandelten die Pisten in grundlose Moraste. Der wellblechartige Zustand des größten Teiles der Piste (Ondulation) brachte es mit sich, daß der Wagen ungefähr rund 48 Millionen Stößen ausgesetzt war, und dies bei Vertiefungen bis zu 20 cm.

Während der ganzen Dauer der Expedition war der Wagen mit vier Personen und zirka 370 kg Gepäck belastet. Der Kraftstoffverbrauch, der unter den afrikanischen Gelände- und Straßenverhältnissen im allgemeinen um 50 Prozent höher als normal angenommen wird, betrug nur um ein Drittel mehr. 90 Prozent der Saharastrecke wurden mit Uebertemperatur des Motors gefahren. Die Außentemperatur betrug dort bis zu 55 Grad, während sie im Nigergebiet sogar bis 75 Grad betrug.

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