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Zwang zu noch mehr Leistung

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Noch schneller wachsen, noch mehr leisten: Das ist immer noch das einseitige Zuchtziel der Landwirtschaft. Die Gentechnik verstärkt diese Entwicklung.

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Noch schneller wachsen, noch mehr leisten: Das ist immer noch das einseitige Zuchtziel der Landwirtschaft. Die Gentechnik verstärkt diese Entwicklung.

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Mehr Milch, mehr Fleisch, mehr Eier vom einzelnen Tier in immer kürzerer Zeit, so lautet bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten das einseitige Zuchtziel in der Landwirtschaft. Durch die Gentechnik sollen unsere „Nutztiere” nun noch schneller wachsen und noch mehr leisten: Megaschwein, Turbokuh und Superhuhn leben seit den achtziger Jahren in der Phantasie der Hightech-Züchter.

Während nur eine Handvoll Rinder bislang die gentechnischen Manipulationen überhaupt überlebt hat, entstanden Dutzende mißgebildeter Schweine. Gelenksdeformationen, Fruchtbarkeitsstörungen und Magengeschwüre sind nur einige Beispiele.

Vernon Pursei, der Tausende Schweineembryonen gentech nisch - insbesondere mit menschlichen Genen - manipuliert hatte, resümierte Ende der achtziger Jahre, die menschlichen Wachstumshormon-Gene seien „zerstörerisch für die Gesundheit der Schweine” gewesen, letztlich sei „kein Organ von Schäden verschont geblieben”. Die erhoffte WachstumsSteigerung blieb aus.

Die Gentechnik ist aber nur die Spitze des Eisberges. Denn in den vergangenen 30 Jahren sind Fortpflanzungstechniken weiterentwickelt und intensiv angewendet worden.

Zum Beispiel ist das Ejakulat von Rinderbullen so spermienreich, daß aus einer Entsamung durchschnittlich 300 Kühe künstlich befruchtet werden können. Da die Bullen zweimal pro Woche entsamt werden, können sie mehrere Zehntausend Nachkommen haben.

Durch die Kryokonservierung, das Tiefgefrieren von Spermienportio-nen in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius, wurde und wird das Erbgut einzelner Hochleistungstiere flächendeckend auf besonders viele Nachkommen verbreitet. Das Erbgut besteht aus einzelnen Genen, sodaß der Anteil leistungssteigernder Gene immer größer wird, wenn diese Tiere

zunehmend miteinander gekreuzt werden.

In Deutschland beispielsweise stehen nur zirka 5.000 Besamungsbullen etwa sechs Millionen Kühen gegenüber. Diese sind aber bereits Töchter und Töchterstöchter der wenigen Hochleistungsbullen. Die so erzielte „Steigerung der Produktivität des Einzeltieres”, hat aber bereits Leistungssteigerungen pro Zeiteinheit

bewirkt, deren Kehrseite eine verstärkte Krankheitsanfälligkeit und ein Rückgang der Nutzungsdauer ist. Denn die extreme Zuchtauslese ist auf Kosten der Selbstregulationsmechanismen erfolgt. Die Tiere sind genetisch - durch ihr Erbgut - zur Leistung gezwungen. Ihre Selbstregulationsmechanismen versagen, sie können ihre Leistung nicht bei Bedarf reduzieren. (Siehe Seite 17).

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