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Türkische Sensibilität

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Die Türkei wird sensibel. Da könnten ja die als „Bergtürken“ apostrophierten Kurden in Ostanatolien aufjubeln. Doch leider geht es nicht um sie, sondern um die USA. Diese wollten dem verläßlichen NATO-Partner zehn Prozent einer zugesagten Militärhilfe in Höhe von insgesamt 364,5 Millionen Dollar erst auszahlen, wenn ein Bericht über die Menschenrechtsverletzungen im Kampf gegen die kurdische PKK und über die Unterstützung der Türken auf Zypern vorliegt. Die stolze Ministerpräsidentin Tansu Ciller akzeptierte jedoch diese Bedingung nicht, da wolle sie lieber kein Geld haben.

Im Osten des Landes wird derweilen unvermindert weitergebombt. Seit zehn Jahren kämpft die türkische Armee vergeblich gegen kurdische Separatisten. Seit zwei Jahren verspricht der starke Mann in der Armee, Generalstabschef Dogan Güres, der offenbar die Regierung in der Hand hat, die PKK mit Gewalt auszulöschen. 1360 kurdische Dörfer wurden in Brand geschossen und zerstört, Tausende kurdische Aktivisten ermordet: die Welt schaut zu. Wer sich so verdienstvoll im Kampf gegen den Satan Saddam Hussein verhalten hat, bekommt Kredit - auch wenn es auf Kosten eines ganzen Volkes geht. Die Kurden haben kaum einen Anwalt auf dem Weltforum; ihre Vertreter Barzani und Talabani (auf ihn wurde kürzlich ein Anschlag verübt) reisen in der Weltgegend herum und suchen vergeblich Verbündete und Helfer.

Die Türkei will nach Europa, ist bereits Europaratsmitglied. Wie lange noch schaut Europa dem Treiben in Kleinasien zu? Tansu Ciller als Aushängeschild für eine moderne Türkei genügt nicht. Im kleinen Gelben beim Europaratsgipfel (im Vorjahr in Wien) zu erscheinen, heißt noch lange nicht, daß die immer wieder beschworenen westlichen Werte auch Eingang finden in die türkische Innenpolitik. Wo bleiben die Westmächte mit ihren Mahnungen auch an die Türkei?

Jetzt kommt der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Martinez, in die Türkei. Zeitungen machen schon Stimmung gegen ihn. Es liegt an Europa, viel sensibler auf die Türkei zu reagieren.

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