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Die Kirche ist keine Sekte

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Die Affäre des außer Dienst gestellten Priesters und Dozenten Holl bewegt die Gemüter. Das ist insofer-ne gar nicht schlecht, als es ein Zeichen dafür ist, daß die Probleme der Kirche immer noch das ihnen zukommende Interesse erregen. Daß in einer solchen Diskussion manches schief hegt, hängt gewiß mit der Schwierigkeit zusammen, im Rahmen einer objektiven Berichterstattung eine über die Aufzählung der Fakten hinausgehende Kommentierung vorzunehmen. In Glaubensund Gewissensfragen hat jedermann seine eigene persönliche Einstellung. So muß man auch die bisher erschienenen Kommentare in den Massenmedien beurteilen. Es ist aber 'bedauerlich, um nicht zu sagen: bezeichnend, daß in der überwiegenden Mehrzahl dieser Kommentare bisher jene Darstellung fehlt, die den einfachen, katholischen Standpunkt hie-zu präzisiert.

Da ist ein Priester, ein Mann von hoher Intelligenz und sicherlich seelsorgerischem Bemühen mit einer in der Kirche von heute leider nur selten anzutreffenden stupenden Eloquenz, der auf Grund seiner wissenschaftlichen Forschungen zu Zweifeln' an der katholischen Grundsatzlehre und der geltenden kirchlichen Gesetze gelangt ist.

Nach Auffassung der Katholiken der ganzen Welt ist aber das Lehramt der Kirche einzig und allein dem Papst und den Bischöfen vorbehalten, die dieses Vorrecht unbestrittenermaßen von dem Auftrag herleiten, den Jesus Christus seinen Aposteln — und niemandem anderen — übertragen hat.

Das ist weder selbstherrlich noch autoritär, sondern geradezu eine unabdingbare Notwendigkeit für die römisch-katholische Kirche, denn

würde sie diese vom Herrn eindeutig gegebene, alleinige Berufung zum Lehramt des Papstes und der Bischöfe aufgeben, würde aus ihr eine protestantische Sekte werden. (Daß im Protestantismus dieser Grundsatz nicht gilt, ist ja auch die Ursache für die Entstehung der unzähligen, von einander unabhängigen protestantischen und auch autokephalen orientalischen Kirchen.) Will die römisch-katholische Kirche bleiben, was sie ist, nämlich eine Glaubensgemeinschaft auf einheitlicher Basis unter einheitlicher Führung mit einem einheitlichen, in sich geschlossenem Glaubensgebäude, so kann und darf sie ihr Lehramt und vor allem die Auslegung der Glaubensgrundsätze nicht einem gleichermaßen demokratischen, sich ständig verändernden Vorgang unterwerfen.

Da hört man immer wieder den Ausdruck von der „Amtskirche“. Das sind jene Personen geistlichen Standes, die sich nichts sagen lassen und sich in ihrer reaktionären Gesinnung jeder freien Diskussion und jeder Reform verschließen. So klingt es wenigstens nur allzu deutlich aus diesem Terminus „Amtskirche“ und man übersieht dabei nur zu gerne, daß es gerade diese „Amtskirche“ gewesen ist, die im Zweiten Vatikanum mehr Reformen beschlossen hat als je in den zweitausend Jahren vorher beschlossen wurden. Aber bleiben wir bei diesem schiefen Ausdruck und fassen wir alle zusammen, die auf Grund ihrer Weihe berufen sind, kirchliche Funktionen auszuüben, den Papst, die Bischöfe und alle Priester, dann ergibt sich für Holl doch sofort die Notwendigkeit, aus dieser „Amtskirche“ auszuscheiden, wenn er glaubt, daß er ihre Lehren nicht oder nicht mehr ganz vertreten kann!

Respekt also vor der Gewissenhaf-

tigkeit des Menschen Holl, aber keinerlei Verständnis dafür, daß er das Amt nicht zurücklegt, das er ' unter ganz anderen Voraussetzungen, die seinerzeit seiner Überzeugung entsprochen haben, übernommen hat!

Unverständlich wird die Sache aber dann, wenn dem Bischof, der nun nach jahrelangem Überlegen die notwendige Konsequenz gezogen hat, so etwas wie „Autoritätsmißbrauch“ vorgeworfen wird, wie es in der Fernsehdiskussion geschehen ist. Wir wollen gar nicht von der Milde des Kardinals reden, mit der er diesen Priester seiner Diözese behandelt hat und die in weitesten Kreisen der praktizierenden Katholiken schon längst Unmut hervorgerufen hat. Es zählt nun einmal zu den härtesten Pflichten eines Bischofs, für die Reinhaltung der Glaubensgrundsätze zu sorgen und die Katholiken erwarten dies auch von ihrem Bischof. Daher ist die Amtsenthebung Holls auch keine „Strafe“, sondern eine unabwendbare Notwendigkeit, denn wenn diese Maßnahme nicht erfolgt wäre, könnten die Katholiken sich fragen — und sie tun es ja auch —, wer nun wirklich recht hat: der Bischof oder Holl. Wenn ein Priester in seinen Auffassungen von den Grundlehren des Katholizismus abweicht und der zuständige Bischof daraus keine Konsequenz zieht, so wären die Katholiken berechtigt, entweder dem Bischof oder dem Priester zu glauben. Das hieße aber, daß die Laien entscheiden müßten, welche nun für sie die richtige Lehre ist. Wir brauchen den Gedanken gar nicht weiter zu spinnen, um zu sehen, was dabei heraiiskommen müßte, denn entweder ist das eine oder das andere richtig; beides einander Widersprechende kann es nicht sein. Daher kann es auch keine Berufungsinstanz gegen den Bischof

geben, denn nur er ist der Berufene, darüber zu entscheiden, was in Fragen der Grundsatzlehre gilt und was nicht. Die Klage, daß es Holl verwehrt sei, etwa wie in einem zivilen Verwaltungsverfahren, Rechtsmittel einzulegen, ist daher verfehlt. Dabei kennt das Kirchenrecht sogar solche „Rechtsmittelverfahren“, wenn sich, sei es ein Priester oder ein Laie, an die Glaubenskongregation in Rom wendet.

Im aktuellen Fall aber kommt noch etwas sehr Bemerkenswertes hinzu. Holl bestreitet die Legitimität des Priesteramtes überhaupt, indem er behauptet, daß Jesus Christus die Einrichtung der Priesterschaft gar nicht wollte. Der Wahrheitsgehalt dieser kühnen Behauptung kann nicht einmal dem ungebildetsten Laien nachgewiesen werden. Abgesehen davon, daß es keine Bibelstelle gibt, die die Behauptung Holls unterstützen würde, liegt es doch auf der Hand, daß es keine einheitlich Römisch-katholische Kirche, ja auch keine einheitlich organisierte andere Glaubensgemeinschaft ohne Priesteramt geben könnte, welche Form immer es auch haben mag. Keine der großen Religionsgemeinschaften unserer Welt kommt ohne das Priesteramt aus, und selbst in jenen großen Religionsgemeinschaften, wie zum Beispiel im Buddhismus, in denen es das Amt des „Seelsorgers auf Zeit“ gibt, bestehen hiefür genaue und strenge Regulative. Aber nun fragen wir Holl, warum er an seinem Status als Priester festhält, wenn er die Legitimität des Amtes, das er ausübt und nicht aufgeben will, von Grund auf bestreitet Hier wird der Prophet unglaubwürdig.

Ziehen wir aus diesen Überlegungen den Schluß. Die Amtsenthebung Holls war längst fällig. Wir danken dem Bischof für ihre Vollziehung. Wir Laien sind Holl auch nicht böse, wir bringen der Ernsthaftigkeit seiner Gewissensnot Respekt entgegen. Aber er ist für uns katholische Laien kein Priester mehr. Und das ist alles.

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