Vier Konfessionen, acht Institutionen: Wie soll das an der neuen Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Wien funktionieren? Dazu Martin Jäggle, Professor für katholische Religionspädagogik an der Universität Wien.
Die Furche: Herr Professor Jäggle, wie zufrieden sind Sie mit der Struktur der neuen, interkonfessionellen Pädagogischen Hochschule in Wien?
Martin Jäggle: Ich halte die Idee, dass die Kirchen gemeinsam eine solche Einrichtung tragen, für ausgezeichnet und in Europa für beispielhaft. Man versucht hier die Verpflichtung einzulösen, die die Kirchen Europas in der Charta Oecumenica eingegangen sind, nämlich im Bereich der Bildung und Erziehung zusammenzuarbeiten. Wie erfolgreich das wird, hängt nun von der Umsetzung ab. Es ist noch offen, ob es gelingen wird, ein integriertes Modell zu schaffen - oder ob es ein additives wird. Wenn jeder sein Revier verteidigt und sich die Standorte als autonom und souverän definieren, dann ist das Unfug. Nicht zuletzt braucht es eine kritische Masse an Lehrenden und Studierenden, um gut arbeiten zu können.
Die Furche: Das Studium an den Pädagogischen Hochschulen endet mit dem Bachelor. Sind Sie damit glücklich?
Jäggle: Die Sackgasse ist, dass der Bachelor so etabliert worden ist, dass er von den Universitäten nicht anerkannt werden kann. Er muss erst auf einen Bachelor der Universität aufgestockt werden. Außerdem werden die Studienpläne und Studienordnungen für die Pädagogische Hochschule ohne wirkliche Kontaktnahme mit den Unis ausgearbeitet. Es gibt bisher keinen Ort, wo das miteinander abgestimmt wird. Das Gesetz sieht zwar eine Kooperation mit den Universitäten vor, aber das Ministerium hat die Studienrahmenordnung so spät verschickt, dass am 4. Oktober schon die Begutachtungsfrist endet.
Die Furche: Um auf Augenhöhe mit den Universitäten agieren zu können, müssen die Pädagogischen Hochschulen verstärkt forschen. Ist das Personal dafür ausreichend qualifiziert?
Jäggle: Das ist der springende Punkt. Deshalb ist mit Ulrike Greiner eine der höchstqualifizierten Religionspädagoginnen in Österreich - gerade in Bezug auf Forschung - zur Gründungsrektorin gewählt worden. Außerdem wird Helene Miklas, die bisherige stellvertretende Vorsitzende des Forschungsbeirates der Pädaks, Vizerektorin. Damit ist garantiert, dass Forschung Priorität haben wird. Die andere Frage ist aber, wie man das mit den vorhandenen Leuten machen kann. Hier gibt es zwei Wege: Erstens muss man für bessere Qualifizierung sorgen und zweitens bei der Bestellung von neuem Personal genau auf diese Forschungsfrage achten. Und man muss auch die konkreten Forschungsaktivitäten unterstützen. Es braucht also Ressourcen, Beratung, Begleitung. Denn ohne Forschung rechtfertigt sich eine Hochschule nicht.
Die Furche: Die "Frauenquote" an der Spitze der vier kirchlichen Pädagogischen Hochschulen beträgt 50 Prozent. Ein gutes Signal?
Jäggle: Mich beeindruckt vor allem, dass die Frage Mann oder Frau keine wirkliche Frage war. Diese Frauen wurden Gründungsrektorinnen auf Grund ihrer Qualifizierung und nicht auf Grund einer Quote. Zweitens war es schon bisher typisch, dass im kirchlichen Bereich der Anteil der Frauen höher war. Es waren auch die Religionspädagogischen Akademien und Institute, wo die ersten Frauen in der Lehrerbildung in Österreich tätig waren. Die Kirche hat hier ein wirklich gutes Reservoir, auf das sie zurückgreifen kann.
Das Gespräch führte Doris Helmberger.
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