Kardinäle unter Beschuss

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"Cardinal above the law": So höhnte Late-Night-Talker Jay Leno im Frühjahr über Bostons Kardinal Bernard Law. Die Bostoner Erzdiözese steht wegen der Schadenersatzklagen von Missbrauchsopfern bereits vor dem Konkurs. Nun hat der Papst die Rücktrittsbitte Laws angenommen: Der umstrittenste Protagonist der US-Missbrauchsaffären hat jetzt die Konsequenzen gezogen.

Es geht in der öffentlichen Diskussion um die Verantwortung von Kirchenleitungen: Täter wurden jahrelang versetzt, Kirchenobere verschlossen die Augen vor dem Skandal, der nun auf die katholische Kirche so hereinstürzt.

Nicht nur in den USA: In England ist Kardinal Cormac Murphy O'Connor, der Erzbischof von Westminster, unter ähnlich massivem Druck wie Law: Er sei im Zusammenhang mit Sexualvergehen von Priestern "naiv und ignorant" gewesen, erklärte Murphy O'Connor in der BBC. Die Rücktrittsaufforderungen an ihn gehen weiter. Ebenso an Kardinal Desmond Connel von Dublin: Sogar im erzkatholischen Irland bleibt kein Stein auf dem anderen...

Und Rom? Immerhin hat der Vatikan nun die strengen Richtlinien der US-Bischöfe für den Umgang mit Missbrauch approbiert. Doch auch andere, bedenkliche Töne sind zu hören: Homosexuelle seien nicht für das Priesteramt geeignet: Solche Einschätzung eines Kurienkardinals machte letzte Woche Furore - es scheint sich nicht überall herumzusprechen, dass Missbrauch kein "Ergebnis" von Homosexualität ist. Und schlimmer: John Allen, Vatikankorrespondent des National Catholic Reporter, berichtet von einer Diskussion in Rom, wo der im Vatikan geschätzte Il Messagero-Journalist Orazio Petrosillo eine Meinung aus den Vatikan-Korridoren auf den Punkt brachte: Die Kampagne gegen die katholische Kirche in Sachen Missbrauch komme von "Freimaurern, jüdischen Lobbys und Gruppen von Freidenkern und freier Moral".

Weder Rom noch andere Kirchenleitungen sollten sich in kruden - gar antisemitischen - Verschwörungstheorien ergehen. Im Umgang mit Missbrauch hat die katholische Kirche noch viel vor der eigenen Türe zu kehren. Und zwar möglichst schnell.

otto.friedrich@furche.at

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