6535140-1946_12_03.jpg
Digital In Arbeit

Slowakischer Kulturkampf

Werbung
Werbung
Werbung

„Kreuze weg!“ — Das ist nun schon seit Monaten die Devise, unter der im Lande unter der Tatra der Kampf geführt wird. Zwar behaupten , die Kreuzstürmer, daß ihre Gegnerschaft nicht gegen das Symbol der Kirche, sondern nur gegen seinen Mißbrauch zu politischen Zwecken gerichtet sei — /aber wer die Geschichte der zwanziger Jahre kennt, wird wissen, daß auch damals unter anderem Vorzeichen ein ähnlicher heftiger Feldzug gegen die christlich-nationalen Anschauungen der Slowaken geführt wurde. Der Auftakt kam damals aus Prag:

Heute aber haben Kräfte in der Slowakei, die ihren gegen christliche Gesinnungen gerichteten Haß unverhüllt zur Schau tragen,' die Initiative ergriffen und einen Zustand geschaffen, der nur allzu gut bewejst, daß es neben der nationalen Frage auch noch eine religiöse Frage in der Slowakei gibt.

Der militärisch-politische Zusammenbruch des Dritten Reiches riß auch diesen Staat, der in der Epoche der nazistischen Gedankenexpansion geschaffen wurde, in seinen Strudel. Daß es heute freilich nicht angeht,

alle Vasallen Hitlers gleich zu klassifizieren, wird gerade an dem Beispiel der Slowakei deutlich. Jahrelang leisteten namhafte Männer in hohen Stellen des Staates den immer weiter vordringenden nazistischen Ideen einen stummen Widerstand. Es war jene passive Resistenz, die dort das einzige Mittel ist, wo Machtinstrumente fehlen. Sie waren die Bremsklötze, die es lange verhinderten, daß sich der junge Staat und- die slowakische Nation mit dem Fluche der Unduldsamkeit belasteten. Mitten im Kriege, als Deutschlands Armeen noch am Don standen, erhoben die slowakischen Bischöfe ihre warnende Stimme in mannhaftem Protest gegen die Härten der Judenaussiedlungen und immer wieder fanden die Sprachrohre des Dr. Goebbels Gelegenheit, schärfste Kritik an den „Reaktionären“ in der Slowakei zu üben. Nun sind diese „Reaktionäre“ von unlängst die Verfolgten von heute ...

Die Auflösung des slowakischen“ Staates war von verhängnisvo'len Folgen begleitet. Die Tatsache, daß nicht nur der Präsident, sondern auch viele andere staatliche Würdenträger selbst Priester waren, wurde den linksradikalen Elementen Anlaß, einen Feldzug gegen die Kirche selbst zu eröffnen. Noch im Mai 1945 wurden die Katholische Volkspartei, aber auch die „Vereinigung katholischer Jugend“ (SKM), der katholische Männerverband, die Filialen der Caritas, der St.-Vinzent-Verein, die Marianischen Kongregationen, selbst Missionsund Begräbnisvereine aufgelöst. Später wurde sämtlichen unpolitischen Vereint* gungen die freie Betätigung wieder zugestanden, doch versuchen es verschiedene untergeordnete Stellen bis heute, wo es möglich ist, ihre Tätigkeit zu behindern.

Ein ungelöstes Problem stellen die v i e-* len konfessionellen katholischen und protestantischen Schulen dar, die nach dem Umsturz int Vorjahr ausnahmslos mit den dazugehörenden Internaten verstaatlicht wurden, die Klosterkonvikte nicht ausgenommen. Wer weiß, welche Rolle die konfessionelle Schule in den Ländern der ehemaligen St. Stephanskrone gespielt hat, wird das Gewicht dieses Aktes ermessen.

80 Prozent des slowakischen Volkes sind treu zu ihrem Glauben stehende Katholiken. Die Enteignung und die Verstaatlichung der konfessionellen Schulen, der Ausschluß des Religionsunterrichtes aus dem Stundenplan, die Entfernung der Kreuze aus den Schulen — das alles waren Ursachen für eine um sich greifende Er-

negung im Lande, wortlosen Protest,

der zu einem demonstrativen Bekenntnis zum Christentum wurde. Tausend von Menschen begannen ein kleines Kreuz auf ihre Kleider zu stecken, das den Unduldsamen ein Zeichen für die Auffassungen des Volkes sein sollte. Nun brandete eine Terrorwelle durch das Land Zunächst in der Presse. Dann kamen auch schon tätliche Angriffe gegen die Bekenner ihref gläubigen Uberzeugung. Der „Partisan“, das Organ der linksradikalcn Freischärler, eröffnete ein heftiges Feuer gegen die spontane Aktion und als dies nichts half, begannen die Gewaltakte. Am 27. Jänner organisierten zwei Partisanenverbände in Banska Bystrica eine regelrechte Jagd nach den Kreuzen, die den Trägern heruntergerissen und zertreten wurden. Es war nur eine von vielen Ausschreitungen, die sich in den letzten Wochen ereigneten.

Die politische Situation war durch die verschiedenen Maßnahmen, die sich zwar gegen die Slowakische Volkspartei, die sogenannte Hlinka-Partei. hätten richten sollen, in Wirklichkeit aber auch die katholische Kirche trafen, eine gespannte geworden. Die zwei Parteien, die es bis vor Kurzem in der Slowakei gab, genügten selbst nach dem Urteil ihrer politischen Führer nicht, und die Äußerung eines bekannten slowakischen Partisanen, der im kommunistischen Lager steht, daß Kommunisten und Demokraten durchaus nicht einmal die Hälfte /des slowakischen Volkes hinter sich haben, dürfte der Wahrheit entsprechen. Ende Jänner erfolgte die Gründung der „Arbeiterpartei“, die als Nachfolgerin der Sozialdemokratie gewertet werden muß; sie marschierte bei den letzten Wahlen im Jahre 1935 noch an vierter Stelle. Sie wird heute da und dort den Kommunisten das Feld streitig machen.

Nun wurde ein weiterer Schritt getan, um der schleichenden Krise im Lande zu begegnen. Durch die Gründung der Christlich - Republikanischen Partei, die dieser Tage erfolgte, will man den breiten bäuerlichen Massen Ausdruck schaffen, um damit dem dr oh enden Abgleiten weiter Kreise in die politische Unterwelt zu begegnen. Denn in der letzten Zeit wurden die illegalen Schriften der nationalistischen Opposition immer zahlreicher. Ein griechischer Katholik konnte die in der tschechischen Presse offen wiedergegebene Behauptung aufstellen, „die slowakische Widerstandsbewegung habe heute soviel Mitglieder, als es Katholiken im Lande gebe.“

In der Demokratischen Partei, die bisher

die einzige bürgerliche Partei in der Slowakei war, hat sich ein guter Teil der Protestanten gesammelt. Mit Ausnahme Dr. Srobars sind sämtliche führende Persönlichkeiten der Partei Protestanten, ebenso 90 Prozent der Funktionäre. Die slowakischen Katholiken standen der Demokratischen Partei abwartend gegenüber, in der Erwartung, daß die Demokraten, sich zu christlichem Volkstum bekennend, die neue Christlich-demokratische Partei als suatsbildendes Element und legitime Vertreterin der nationalen, religiösen und kulturellen Belange anerkennen.

Die Auspizien, unter denen die Christlich-Republikanische Partei in da:, politische Leben eintritt, sind freilich nicht durchaus günstig. Ihr Name wurde von den anderen Parteien als „zu sehr an die hlinkistische Vergangenheit erinnernd“ beanstandet. Man will . diesem Einwand Rechnung tragen, alles, was als Herausforderung gedeutet und irgendwie mißdeutet werden könnte, vermeiden. Ob der Vorschlag, die neue Gruppierung „Partei der Slowakischnationalen Wiedergeburt“ zu nennen, angenommen werden wird, ist noch nicht entschieden. Bisher/haben zehn Abgeordnete und acht Mitglieder des Slowakischen Nationalrates ihren Eintritt in die Partei vollzogen und es ist möglich, daß auch die beiden Minister Dr. S r o b a r und Doktor P l e t o r . sich ihr anschließen werden. Dr. S r o b a r spielte als Staatskommissar der Slowakei in den Nachkriegsjahren eine hervorragende Rolle, war als Anhänger der Agrarpartei mehrfach Minister. Kanonikus C v i n c e k, heute stellvertretender Parla-mentsvorsitzender, kommt aus dem katholischen Lager. Er war der einzige Landtagsabgeordnete 'der Tschechischen Volkspartei, die in der Slowakei eine Sektion errichtet hatte. Die Abgeordneten Ing. Pavel Blalvo

nnd K o r n e 1 F i 11 o, die gleichfalls zn

den Gründern gehörten, kommen — wie Dr. Srobar — aus dem agrarischen Lager, während der Abgeordnete Jan K e m p n y den katholischen Politikern zuzuzählen ist.

In ihrem Programm bekennt sich die Partei zur christlichen Weltanschauung, staatlichen Einheit und Gleichberechtigung der beiden Völker des Staates. Es wird strenge Bestrafung der Hochverräter, eine konsequente und planmäßige Bodenreform, Nationalisierung der Schlüssel- und Großindustrie sowie die Industrialisierung der Slowakei gefordert. Auch die brüderliche

Zusammengehörigkeit der slawischen VBTke'r

wird betont.

Schon die nächste Zeit wird offenbaren, bis zu welchem Grad die slowakische Bevölkerung aus ihrer Reservestellung heraustreten wird. Wird die Christlich-Republikanische Volkspartei den kulturkämpferischen Feldzug der linksradikalen Elemente abstoppen und die verletzten Rechte der katholischen Bevölkerung ' wiederherstellen können — dann kann kein Zweifel bestehen, daß ein großer Schritt zur inneren Beruhigung und zur Festigung des Landes getan sein wird.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung