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"Der Anständige" über Heinrich Himmler: "... anständig, tapfer und gütig"

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"Der Anständige": Vanessa Lapa gelingt in ihrer "filmischen Biografie" über Heinrich Himmler ein beklemmender Blick auf den Reichsführer SS und Architekten der Schoa.

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"Der Anständige": Vanessa Lapa gelingt in ihrer "filmischen Biografie" über Heinrich Himmler ein beklemmender Blick auf den Reichsführer SS und Architekten der Schoa.

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Das Zustandekommen des (Ausgangs-)Materials klingt abenteuerlich, das Ansinnen, daraus einen Film zu machen, aberwitzig - und das Ergebnis ist bestechend. Vor allem: bestechend beklemmend. Auf diesen dreigliedrigen Nenner kann Vanessa Lapas Heinrich-Himmler-Film "Der Anständige" gebracht werden.

2006 kaufte David Lapa, der Vater der Filmemacherin, ein Konvolut von privaten Dokumenten Heinrich Himmlers, das unter nicht restlos geklärten Umständen aus Himmlers Haus in Bayern über die US-Armee 1945 weiter den Weg nach Israel fand, wo sie ein Schoa-Überlebender hortete bzw. vergeblich zu verkaufen suchte. David Lapa erstand die Dokumente um einen symbolischen Preis mit der Auflage, dass Vanessa Lapa daraus einen Dokumentarfilm machen sollte.

Himmlers Janusköpfigkeit

Die umfangreiche Briefsammlung brachte Erhellendes über die kleinbürgerliche Janusköpfigkeit Himmlers zum Vorschein, für die Geschichtswissenschaft ergab sich dabei allerdings keine wirklich neue Erkenntnis. Umso diffiziler wurde es für Vanessa Lapa, dieses Material zum Ausgangspunkt für einen Film zu machen.

Die israelisch-österreichischdeutsche Koproduktion, die nun unter dem Titel "Der Anständige" auch regulär ins Kino kommt, kann als Lehrbeispiel dafür herhalten, wie man die x-te dokumentarische Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechern und der Schoa im achten Jahrzehnt danach anlegen kann. Die Regisseurin nennt ihr Werk denn auch "filmische Biografie" - eine Wortwahl, die darauf hinweist, dass das Ganze eigentlich nicht in ein enges Genrekorsett einzuordnen ist.

Vanessa Lapa nimmt Zitate aus den Briefen Himmlers und seiner engsten Familie zum Ausgangspunkt der Textierung ihres Films und unterlegt diese mit gefilmten Bildern aus den 1920erbis 1940er-Jahren - zum Teil bislang unveröffentlichte Privat- und Amateuraufnahmen. Wie aus dem 1900 geborenen Bürgerskind der Chef von SS, Polizei, Gestapo etc. und Architekt der völkermordenden Endlösungs-Maschinerie werden konnte, wird auch in "Der Anständige" nicht beantwortet.

Kleinbürgerliches Familienidyll

Wie sehr aber Himmler, der Menschheitsverbrecher, einem kleinbürgerlichen Familienidyll frönte, wird durch die Briefe an Frau und Kinder - später auch an die "Zweitfrau" - und vice versa lebendig. Zitate wie "Ich fahre nach Auschwitz. Küsse, Dein Heini", lassen dem nachgeborenen Zuschauer den Atem stocken. Beklemmend vorgetragen werden die Texte von einer Riege erstrangiger Schauspieler - darunter Tobias Moretti, der Himmlers Briefe liest, und Sophie Rois, die seiner Frau Marga die Stimme leiht.

Auch Originalaufnahmen von Himmler fanden in den Film Eingang, darunter die gespenstische Rede über die Ausrottung der Juden, die der Reichsführer SS 1943 in Posen hielt. Was für ein Kontrast dazu der Eintrag Himmlers, der 1941 ins Poesiealbum seiner Tochter schrieb: "Man muss im Leben immer anständig und tapfer sein - und gütig."

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