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,Ein Fest sondergleichen wurde uns geschenkt’

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„Ein Fest sondergleichen ist uns geschenkt worden” .sagte Bischof Johann Weber am Sonntag in seiner den Steirischen Katholikentag abschließenden Ansprache auf dem Grazer Hauptplatz. Der steirische Diözesanbischof der Generalsekretär des Katholikentages Josef Wilhelm sowie viele hundert freiwillige Helfer konnten sich in jeder Hinsicht freuen. Die Teilnahme an den ungezählten Veranstaltungen des Rahmenprogramms übertraf sämtliche Erwartungen: Zum Abschlußgottesdienst waren rund 80.000 Menschen aus der ganzen Steiermark in den Grazer Stadtpark gekommen.

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„Ein Fest sondergleichen ist uns geschenkt worden” .sagte Bischof Johann Weber am Sonntag in seiner den Steirischen Katholikentag abschließenden Ansprache auf dem Grazer Hauptplatz. Der steirische Diözesanbischof der Generalsekretär des Katholikentages Josef Wilhelm sowie viele hundert freiwillige Helfer konnten sich in jeder Hinsicht freuen. Die Teilnahme an den ungezählten Veranstaltungen des Rahmenprogramms übertraf sämtliche Erwartungen: Zum Abschlußgottesdienst waren rund 80.000 Menschen aus der ganzen Steiermark in den Grazer Stadtpark gekommen.

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Es war ein Fest der Brüderlichkeit - wie es auf dem Programmheft angekündigt war. Im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen, denen wir in unserer schnellebigen Zeit begegnen, ist dieses Motto aber mit Leben erfüllt worden.

Vor rund vier Jahren hat der steirische Diözesanbischof Johann Weber den Anstoß gegeben zur Vorbereitung des Katholikentages 1981. Und von Anfang an war man sich einig, daß es sich hier nicht um einen eng verstandenen, isolierten, nach innen gerichteten Vorgang handeln sollte. Vielmehr stimmten die Organisatoren darin überein, daß es gelingen müßte, möglichst umfassend auch jene Steirerinnen und Steirer anzusprechen, die der Kirche nicht gerade feindselig, aber doch abwartend, zögernd und entfremdet gegenüberstehen.

Aus dem Gedanken heraus, die Kirche zu öffnen, die T ore ganz weit aufzustoßen, wie man es in der Steiermark schon gewöhnt ist, kam es auch zum Symbol und zum Thema des Katholikentages: Zu den zwei Herzen, die von dem einen größeren Herzen umschlossen sind (ein wohl bisher unerreicht schönes Symbol, in das soviel hineinin- terpretiert werden kann), und zum Hauptthema „Brüderlichkeit“.

Das gesamte dreitägige Programm, das von der feierlichen und verregneten, aber dennoch hervorragend besuchten Eröffnung am Freitagabend bis zur Schlußkundgebung Sonntag mittag reichte, wies sich durch drei in ausgewogener Form aufeinander abge-

stimmte tragende Elemente aus: Den Gottesdiensten, den Meditationen und Andachten standen auf der einen Seite die geistige Auseinandersetzung in 14 verschiedenen Gesprächsformen (die durch die Bank durch hervorragende Fachleute besetzt waren), auf der anderen Seite ein buntes und erfreulicherweise in keiner Hinsicht kommerzialisiertes Stadtfest gegenüber, welches allen geistigen und schöpferischen Kräften des Landes, vor allem auch Jugend- gruppen, Gelegenheit zur Darstellung bot.

Schon bei der Eröffnungsfeier, die von allen Grazer Kirchenglocken gemeinsam eingeläutet wurde, spürte man eindrucksvoll die Begeisterung, die vom schlichten Wort „Brüderlichkeit“ auszugehen schien. Ein erfreuliches Zeichen war es, daß jene politischen Repräsentanten, die zur Eröffnung das Wort ergriffen, durchwegs den richtigen Ton fanden.

So etwa sprach Bundespräsident Rudolf Kirchschläger die Hoffnung aus, der Katholikentag möge in allen Menschen fruchtbar werden und es möge wieder mehr Berufungen zum Priester- und Ordensstand geben. Landeshauptmann Josef Krainer erinnerte an den Katholikentag 1950 („Das Größte aber ist die Liebe“) und daran, daß die Kirche damals ihre Hände über Gräben und Fronten hinweg ausgebreitet habe.

Spontanen Applaus erntete schon bei der Eröffnung der Vorsitzende der brasilianischen Bischofskonferenz, Bischof Jose Ivo Lorscheiter, als er zur

Überwindung von Krieg und Gewalttätigkeit aufrief und eine neue globale Weltordnung in Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit verlangte. Uber dieses Thema wurde in den darauffolgenden Tagen auch herzhaft diskutiert, wobei sich di« Sehnsucht nach Frieden und Gewaltlosigkeit neuerlich als hochrangiges Anliegen der Jugend herausstellte.

Gott sei dank beteiligte sich auch eine/Menge junger Leute an den Diskussionen, die nicht nur über die Zustände in Chile und Argentinien herziehen, während sie der militärischen Unterstützung so mancher „genehmer“ Befreiungsbewegung Beifall klatschen.

Die Buntheit des Programms und die Buntheit der vielen Menschen, die einander buchstäblich brüderlich begegneten, gaben viel von dem wieder, was Kirche wirklich ist: Nicht nur etwas Verbindendes zwischen Gott und den Menschen, sondern auch Brücke zwischen den Menschen, auch Brücke zwischen dem Gestern und dem Morgen.

Brücke zwischen den Menschen: Heimatverbunden in ihre Landestracht gekleidete Steirerinnen und Steirer begegneten Gästen aus ganz Europa und Ubersee. Bischof Lorscheiter aus Brasilien, die so sympathische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan aus Nordirland, die Bischöfe Brandenburg (Stockholm) und Chang (Korea), Gesang- und Tanzgruppen aus Warschau, Nordirland, Jugoslawien, Koęea, Nigeria und aus Südamerika - und dazwischen moderne Musik aus der Steiermark, ein Stückchen Avantgarde, aber auch die gute alte „Blasmusik“ aus allen Teilen des Landes. Steireranzüge und Jeans, bunte Dirndln und Trachten aus fernen Ländern bestimmten das Stadtbild.

Kirche als Brücke auch zwischen gestern und morgen: Kinder, Jugend, Erwachsene und die Senioren waren gekommen. Auch die Themen der Gesprächsformen verharrten nicht beim Istzustand, man bemühte sich gleichermaßen um Analyse und Ausblick.

Dabei ging es um die Erneuerung des Sonntagsfestes, die Ökumene, die Arbeitswelt, die Zukunft der Familie, um Südamerika, den Frieden, die Rolle der Frauen, um Sterben und Tod, Fragen der sozialen Verantwortung sowie um Brüderlichkeit in der säkularisierten Gesellschaft.

Schließlich signalisierten die Veranstalter durch ein vom Publikum freilich nicht immer bedanktes Nebeneinander von Tradition und Avantgarde in Kunst und Literatur das Ringen der Kirche um ein Verbinden des Gestern mit dem Morgen.

Die mancherorts ausgesprochene Befürchtung, der Katholikentag könnte, gerade nach dem evangelischen Kirchentag in Hamburg, politisch umfunktioniert werden, hat sich erfreulicherweise als unbegründet herausgestellt. Politische Argumentationen haben sich in Grenzen gehalten, und es ist auch gelungen, so gut wie alle tragenden Gruppierungen des katholischen Lebens in das Festprogramm einzubauen.

Daß die Solidaritätsgruppe engagierter Christen (SOG) ein eigenes Begleitprogramm veranstaltete, war wohl nicht zu verhindern gewesen. Die Veranstalter, die aus Tübingen den Theologen Univ.-Prof. Norbert Greinacher und aus Wien Univ.-Prof. Erwin Ringel zum Thema „Menschenrechte in der Kirche - Das Leiden an der Kirche“ nach Graz eingeladen hatten, hatten es wohl von Anfang an auf einen „kritischen Alleingang“ angelegt gehabt.

Zusammenfassend kann man sagen: Es war ein Fest sondergleichen, das Angebot zu Gespräch, zu Gebet und Meditation, zum Mitfeiern, aber auch zum Mitgestalten ist in reichlichem Maße angenommen worden. Jene, die den gesamtösterreichischen Katholikentag 1983 vorzubereiten haben, wissen nun, was an Arbeit noch auf sie zukommt.

Entscheidend wird auch sein: Was bleibt von diesem Steirischen Katholikentag, nachdem alle wieder in ihr Alltagsleben zurückgekehrt sind - in die Gesellschaft, die heute mehr denn je Unbrüderlichkeit produziert? Sehr wird es auch darauf ankommen, wie ernst die Parole genommen wird, die Bischof Weber am Ende des Katholikentages für die 80er Jahre ausgegeben hat: „Wir treten in ein Jahrzehnt des Evangeliums in unserer Heimat ein.“

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