Die ORF-Gesetzlosen

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Der Verfassungsgerichtshof hat dem Gesetzgeber eine Frist für eine Neuregelung des ORF-Gesetzes gegeben - doch die Regierung hat kein Interesse an einer Reform.

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Der Verfassungsgerichtshof hat dem Gesetzgeber eine Frist für eine Neuregelung des ORF-Gesetzes gegeben - doch die Regierung hat kein Interesse an einer Reform.

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Wenn Susanne Raab sagt, sie wolle bei der Gremienreform des ORF keinen Schnellschuss abgeben, ist das fahrlässig bis gemeingefährlich. Denn der Verfassungsgerichtshof hat Bestimmungen zur Bestellung von Stiftungs- und Publikumsrat aufgehoben und gibt dem Gesetzgeber bis 1. April 2025 Zeit für eine Neuregelung. Ansonsten herrscht dann in der Aufsicht des Medienriesen ein gesetzloser Zustand. Die Realisierung einer solchen Novelle braucht erfahrungsgemäß von der Regierungsvorlage über die parlamentarischen Abläufe mindestens ein halbes Jahr. Spätestens Mitte 2024 aber unterliegt das Hohe Haus dem Nationalratswahlkampf. Bei einem Herbsttermin für die Abstimmung wird kaum vor Jahresende eine neue Koalition gebildet. Ihr blieben höchstens 100 Tage für das neue ORF-Gesetz.

Raabs Bremserklärung bedeutet, dass diese Regierung nicht will. Eine Einigung mit dem grünen Partner wirkt schwierig. Gehört die ÖVP einer neuen Koalition an, glaubt sie sich mit der SPÖ traditionell leichter über den ORF einigen zu können oder ihn mit der FPÖ ohnehin versenken zu müssen. 60 Jahre nach dem Rundfunkvolksbegehren. 50 Jahre nach der Umwandlung in eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Es greift zu kurz, diese gestalterische Armseligkeit nur Raab umzuhängen. In ihr komprimiert sich ein halbes Säkulum austriakischer Medienpolitik zu einer operativen Leichtgewicht-Ministerin. Als die Volkspartei ihre einzige Alleinregierung erreichte, war ein ORF-Gesetz ein Wahlversprechen. Sie löste es ein. Als die Sozialdemokratie erstmals allein regierte, sorgte sie für den öffentlich-rechtlichen Rahmen. Heute betreiben aktiv nur die Neos konstruktiv-kritische und die FPÖ populistisch-agitative ORF-Politik, während SPÖ und Grüne wie die ÖVP die heiße Themen-Kartoffel Medien in der Öffentlichkeit meiden. Dieser parteitaktische Opportunismus reicht bis zur demokratiepolitischen Verantwortungslosigkeit.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.

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