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Priestertum und Menschsein

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Tage voll Sonne, einfachen, aber herzlichen Gesprächen, tiefen Einverständnisses, voll Staunen und Aufnahmebereitschaft, lebhafter Teilnahme, eifriger Arbeit: das war die österreichische Theologenwoche. Klare und mitreißende Worte, köstlicher Humor, Lebendigkeit, brüderliche Hilfe, echte Verbundenheit mit den Vortragenden: so waren diese Tage. Sie lebte ohne viel Papier, großen Apparat, aber aus lebendigen wunderbaren Worten, von den eröffnenden Worten des Erzbischof-Koadjutors Doktor J a c h y m bis zu den als Abschluß gemeinsam gesungenen Akklamationen „Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat“. Auftrag der Tagung war, das Frömmigkeitsbild aus verschiedenen Blickrichtungen herauszuarbeiten. Ein Auftrag, der erfüllt wurde, da Sprechende und Hörende um Notwendigkeit und Wert dieser Erfüllung wußten.

Wenn nun P. Schulte SVD im ersten und grundlegenden Vortrag den Charakter des priesterlichen Seins zeichnete, so öffnete er den Zugang zum Herzstück der Tagung, auf das jedes Referat hinzielte: die priesterliche Persönlichkeit. Die Einheit mit Christus fordert mit zwingender Logik den personalen Einsatz des katholischen Priesters in seinem gesamten Tun. „Hier liegen die tiefen Gründe für die Verehrung, auch für den Zölibat, für das .wesentliche Gebet' (die priesterliche Frömmigkeit), für das nachhaltige Wirken des Seelsorgers — bei allem geht es letztlich um die lebendige Gegenwärtigkeit des priesterlichen Seins.“ Vielleicht noch nie, so fügte P. Schulte am Rande hinzu, sei in den Priesterromanen der Priester in seiner wesentlichsten Beziehung zu Gott gesehen worden: daß er von oben, von Gott kommt, da seine Weihe in der Ausweitung der Inkarnation des Sohnes auf ihn als den Berufenen besteht.

Prof. Dr. Kubischok SVD sprach Gleiches nur unter anderer Rücksicht, als er in einer mitreißenden Spekulation lebendiger Dogmatik das Erlöstsein des Christen im allgemeinen in dem Satz gipfeln ließ: „Wir sind Christus!“, und mit Rücksicht auf das Dogma der Trinität sagen konnte: „Wir sind Dreifaltigkeit!“ Von dieser gnadenhaften und geheimnisvollen Vergöttlichung des Menschen kommend, baute er eine neue Art des Studiums der Dogmatik beziehungsweise der Theologie auf, das dann nicht mehr ein trockenes Erlernen der verschiedenen Thesen der Lehrfächer sein, sondern ein mit Gott verbundenes Erkennen seiner Herrlichkeit und seiner Schöpfung darstellen wird. Es wird dem Theologen unmöglich sein, Wissenschaft ohne Gottesliebe zu pflegen und Gott zu lieben ohne Wissen, da ihm ja beides aufgetragen ist!

Nicht allein Wissenschaft ist Quelle der Frömmigkeit. Zahlreich sind die Quellen. Prof. Dr. P. P a r s c h öffnete eine der vornehmsten: die Liturgie. Das liturgische Handeln des Priesters ist Stellvertretung Christi und der Kirche. Handelt er so als Mann des Glaubens und der Liebe, wird er unerschöpfliche Freude daraus empfangen. Aber nicht er allein ist zu solcher Freude an den Mysterien und der Liturgie berufen, sondern auch das Volk. Und deshalb soll es persönlichen Anteil nehmen an der Feier der Messe, dem Mittelpunkt der Liturgie, an den übrigen Sakramenten und zahlreichen Segnungen der Kirche. Also gehört auch das zum Bild des Priesters, den Laien durch Belehrung und Einführung in den heiligen Dienst Mittler der Freude zu sein.

So ist der Priester ein Mann Gottes, ein liebender Wissender, ein froher Liturge. Er ist mehr: er ist ein ehrfürchtig Gehorchender der Kirche und somit wiederum Nachfolgender seines Meisters. Gehorsam ist nur der Freiheit des Menschen möglich. Die Materie gehorcht nicht den Naturgesetzen, da sie nicht zwischen Ja und Nein wählen kann. So wie der zwölfjährige Jesus seinen Eltern Untertan war (viel mehr hören wir nicht bis zu einer Lehrtätigkeit!), so ist es der Priester der Kirche. Aber er ist nicht nur Gehorchender, sondern auch Einsamer. Nicht um so sicherer ins Himmelreich einzugehen, sondern wegen des Reiches Gottes auf Erden, um ihm ungeteilt dienen zu können. „Gott ruft doch in erster Linie die völlig gesunden Menschen, die — im Sinne der Welt — gute Familienväter geworden wären, Menschen, die vor allem für das Große und Herrliche offenstehen, das ein Geschlecht dem anderen hier auf Erden geben kann. Deshalb brauchen solche von Gott gerufenen Menschen das ganze Himmelreich. “ (Kaplan Steinbock.)

Vieles fehlt hier noch am Bild des Priesters: seine Arbeit, aus der ihm auch Ströme der Heiligkeit fließen können. Beste Praktiker der Seelsorge zeigten die Vielfalt auf. „Mit Predigt, Messe, Beichtstuhl, Schule, Versehgang ist heute das ordnungsgemäße Tagewerk des Priesters nicht erschöpft.“ Das wäre Einseitigkeit genau so wie exklusive Standes- oder Individualseelsorge. Nicht hierin liegt ein Unterschied, sondern die Seelsorge muß anders sein für die Getreuen — hier eine bewahrende und aufbauende, vertiefende —, und anders für die Abseitsstehenden — hier eine wahrhaft missionarische. In diesem Gebiet setzt auch die Arbeit der Katholischen Aktion ein. „Um zu einem religiösen Durchbruch zu gelangen, müßte eine große religiöse Kraft in den gläubigen Christen noch ganz anders, viel intensiver, brennender, selbstloser in Erscheinung treten. Der Weg wird nach der Anweisung der Päpste und nach dem Willen des Heiligen Geistes, der durch die Päpste zu uns spricht, schon die Katholische Aktion sein. Soweit sie in ihren Trägern eine Bewegung der Herzen wird, soweit wird sie voraussichtlich auch eine religiöse Erneuerung sbewegung unter den neuzeitlichen Heiden auslösen.“ (Prälat Dr. S c h o i s w o h I.)

Mit echter Begeisterung erzählte P. H u-b e r SVD über die blühenden Missionen in China. Zehn Jahre arbeitete er dort und weiß um die Tiefen und Höhen des großen Volkes. Er konnte berichten, daß große Teile der Chinamission nicht so gewaltig in Wirkung und Ausmaß wären, hätte nicht das gläubige Volk Österreichs getreu die Arbeit der Missionäre unterstützt.

Der Priester hat für alle zu sorgen. P. Teufl fand treffende Beispiele. Für die Kinder — denn Christus schickte sie nicht zu dem jugendlichen Johannes; für die Frauen — denn Christus unterhielt sich selbst mit der Frau am Jakobsbrunnen und sagte nicht, sie solle auf Petrus warten, der verheiratet sei und sie deshalb besser verstünde; für die Zöllner und Sünder, denen er nicht Judas als Seelsorger gab; für die, die am Tage keine Zeit haben, hat der Priester nachts

Zeit zu haben — wie sein Meister für Nikodemus Stunden der Nachtruhe opferte. Denn es darf keine Amts-zeit für den Priester geben und auch keine ausschließliche Standesseel-sorge, genau so wenig wie es eine reine Individualseelsorge geben darf.

Und der Priester ist Mensch. Minister Dr. K o 1 b — er war der einzige Laie, der zu den Theologiestudenten und jungen Priestern sprach — verlangte vom Priester nicht nur, daß in seiner Haltung und in seinem Wort am Altar die Ubernatur anschaulich werde, daß er ein Mann höchster Hingabe und stärkster Glaubenskraft sei, ohne Radikalismus in der Predigt, voll vornehmer Zurückhaltung, enge dem alltäglichen Leben der Menschen verbunden, daß die Predigt erbauend, nämlich auf-erbauend sei, Frohbotschaft, sondern auch daß er im Beichtstuhl taktvoll, mitleidend sei, daß er nicht überall Sünde wittere, sondern barmherzig sei. Dr. Kolb forderte neben diesen Eigenschaften des Priesters als Seelsorger im engeren Sinn eine würdige, vollkommene Menschlichkeit, Höflichkeit, Vornehmheit, christliche Brüderlichkeit.

P. T e u f 1 faßte dies in einem Satz zusammen: Der Priester muß möglicher Mensch sein. Diese Spannung zwischen dem Priestertum und dem Menschsein birgt in sich eine Krisis, die irgendeinmal als entscheidender Augenblick ausbricht. Der Priester kann in ihr versagen — nicht so, als ob jeder abfiele, aber er kann müde werden, ein „Beamter Gottes“, ein „Dienstmann“, problemlos; vielleicht auch ein Fanatiker ohne Liebe, ohne Herz — oder sich aber hocharbeiten zu einem wertvollen priesterlichen Sein, zu einem „idealen Priester“, der fromm und eifrig ist. Die Spannung zwischen der Heiligkeit seines Berufes und der Schwäche seiner Menschlichkeit hält er durch verschiedene Weise auf: kindlich, freudig, gekreuzigt, aber auf alle Fälle treu ohne Geste, so daß ihm diese tägliche Spannung Quelle seiner Heiligkeit wird. Er hat sich auch die erste Liebe zu seiner Berufung bewahrt, er kennt keine Täuschung und deshalb auch keine Enttäuschung. Sein Leben ist bis zum Rande mit dem Reiche Gottes erfüllt. Er leidet unter der Sünde wie sein Meister und hat viel Mitleid. Ja nun: er ist lebendige Predigt. (Univ.-Prof. Dr. P f 1 i e g 1 e r.)

Vieles ist gesät worden; die Zeit wird den Beweis bringen, ob es auch Frucht tragen wird. R.

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