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Ein neuer Bfcelfirühling ?

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Am 7. März dieses Jahres werden es 20 Jahre, daß der kon-ziliare Durchbruch bei der Liturgie erfolgt ist, für viele war es die Stunde der Wahrheit. Was haben wir aus der neuen Liturgie gemacht? Der Bogen reicht vom unveränderten „Schubladendenken” bis hin zur Auffassung „alles ist erlaubt”. Der durchschnittliche Zustand in den Pfarren kann so beschrieben werden: Es gibt ein überreiches Angebot von Gottesebensten, vor allem von Messen, die Liturgen, die Gestalter, sind jedoch überfordert. Also beherrscht die Routine das Feld, eine Liturgiegestaltung im Geiste der Liturgiekonstitution (im Geiste, nicht nach den Vorschriften) ist eher die Ausnahme.

E s gibt zu wenig Wissen in litur-gicis, man vermißt das Konzept, was aber noch viel schlimmer ist: Man vermißt die Liebe zur Liturgie. Das stellen aber nicht nur beobachtende Liturgiefachleute fest, sondern vor allem das Volk, für das diese Liturgie ja gehalten wird. Und das Volk reagiert nicht durch fachliche Kritik, sondern durch - Fernbleiben. Das unmündige Publikum, die Sonntags-pfÜchterfüller, sterben ja langsam aus. Die nachfolgende Generation will etwas geboten haben, will einen Sinn im Gottesdienst sehen und erleben, will Mitverantwortung und Information haben. Weniger Liturgie, aber sinnvoll gestaltete, gute Liturgie wird die Zukunft sein.

1985 ist es auch — am 18. November - 20 Jahre her, daß vom Zweiten Vatikanum die Offenbarungskonstitution verabschiedet wurde. Von einem „Bibelfrühling” in der katholischen Kirche sprach man damals. Freilich sollte er sich nicht so sehr auf der Basis, sondern eher im theologischwissenschaftlichen Bereich ereignen. Die in den sechziger Jahren mehr und mehr bekanntgewordenen neuen Methoden der Bibelwissenschaft haben nicht wenige Verkünder zunächst einmal verunsichert; die Brücke von der modernen Exegese zur fundierten und verständlichen Vermittlung war nicht gleich gebaut.

Inzwischen war es zu einer stärkeren Verwendung der Bibel in der Liturgie gekommen, zu neuen Lehrplänen und Schulbüchern im Religionsunterricht. Die Einheitsübersetzung entstand, ebenso die „Bibel in heutigem Deutsch” und damit eine große Menge von verschiedenartigen Bibelausgaben und einführender bibeltheologischer und spiritueller Literatur.

Ein anderer Wind wird spürbar in den neuen Bewegungen, die gerne Bibelzitate auf ihre Fahnen heften und auch die Bibel lesen und meditieren. Man könnte sich darüber freuen, wenn nicht allzu deutlich fundamentalistische Einflüsse erkennbar wären. Die Vollversammlung der Katholischen Bibelföderation hat im vergangenen August in Bangalore (Indien) aus der weltweit gegebenen Situation heraus formuliert: „Eine fundamentalistische Auslegung der Bibel ist entschieden abzulehnen” und „Wir verpflichten uns, in engem Kontakt mit Bibelwissenschaftlern zu arbeiten und ihre Erkenntnisse zu nutzen.”

Vor allem in der Schicht der heute so zahlreichen Theologen und Teilnehmer an theologischen Veranstaltungen scheint sich ein Weg der Mitte gebildet zu haben: Wissenschaft und Glaube sind keine Gegensätze mehr, und im geistlichen Leben setzt sich das Bewußtsein, in der Schrift von Gott angesprochen zu sein, durch. Diese neu gewonnene „Sicherheit” im biblischen Bereich hat es vielleicht auch bewirkt, daß in der letzten Zeit aus den Gemeinden viele Nachfragen nach Bibelseminaren, Bibelausstellungen, Bibelwochen usw. kommen. Auch die öffentlich zugängliche pfarrliche

Bibelrunde scheint ein Comeback zu erleben.

Kommt es zu einem neuen Bibelfrühling? Wie sich in Bangalore, wo Mitarbeiter von ca. sechzig nationalen Bibelwerken zusammengekommen waren, zeigte, zeichnet sich weltweit ein neues Bibelapostolat ab.

Vor allem wurde beobachtet, daß die Erfahrungen der jungen Kirchen mit der Bibel Rückwirkungen auf die traditionell katholischen Gebiete haben. In Asien und Afrika hat man die Erzählungen und Bilder der Bibel neu entdeckt; sie sagen den Menschen mehr als der europäisch eingefärbte Katechismus. Vor allem aber in Lateinamerika wurde auf der Basis der Gemeinden die Bibel neu entdeckt. Zahlreiche Werke vor allem br asilianischer Theologen werden heute in Europa gelesen; die Beziehung der Bibel sowohl zur Theologie als auch zum Leben und Handeln der Menschen wirkt faszinierend.

Wenn auch so manches zur Zeit in der Kirche stagniert, es gibt hoffnungsvolle Ansätze, die gefördert und propagiert werden müssen.

Der Autor ist Geschäftsführer im österrei-, chischen Katholischen Bibelwerk.

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