Das strenge Inkognito wahrend, hastete Pjetor Pawlo- wdtsch Possudin in einer gewöhnlichen Droschke zur Kreisstadt. „Die Schmutzfinken haben dreckige Geschichten eingeführt und glauben nun, sie hätten die Spur ausgezeichnet verwischt. Ei, ei! Nicht so bei mir! Gut kann ich mir ihre Verwirrung vorstellen, wenn es mitten ln ihrem Triumph ertönen wird: ,Herr Possudin kommt selber. “Nachdem er sich sattgeträumt, begann Possudin eine Unterhaltung mit dem Kutscher. Als ein Mensch, der auf Popularität aus ist, fragt er ihn als erstes nach sich selbst:„Kennst du eigentlich den Richter
Unter Wahrung des strengsten Inkognito, auf versteckten Landstraßen und heimlichen Feldwegen, eilte Pjotr Pawlo- witsch Possudin ins Kreisstädtchen N., wohin ihn ein anonymer Brief gerufen hatte.Überrumpeln… Wie ein Blitz aus heiterem Himmel… grübelte er vor sich hin und verbarg sein Gesicht im Mantelkragen. Nette Schweinereien haben sie angerichtet, die Kanaillen, und triumphieren womöglich noch, glauben vielleicht, daß niemand dahinterkommen wird… Ba-Ha… Ich kann mir den Schreck und die Überraschung vorstellen, wenn es mitten im Freudentaumel plötzlich heißen wird: „Kommt
Ich stand am Ufer der Goltwa und wartete auf die Fähre vom anderen Ufer. Zu gewöhnlichen Zeiten ist die Goltwa ein mittlerer Fluß, schweigsam und versonnen, und glänzt sanft aus dem dichten Schilf; jetzt aber breitete sich ein ganzer See vor mir aus. Die entfesselten Frühlingswasser waren über beide Ufer getreten und hatten Gemüsegärten, Heuschläge und Sümpfe überschwemmt, so daß man auf der Wasseroberfläche nicht selten einsam aufragende Pappeln und Büsche sah, die in der Dunkelheit rauhen Klippen glichen.Das Wetter schien mir herrlich. Es war dunkel, aber ich sah trotzdem
Ich klopfte ein paarmal an die Tür, und als niemand antwortete, überwand ich meine Schüchternheit und betrat das Zimmer des Generals Schigalow. Seine Hochwohlgeboren saß an dem Tisch und legte Patience.Als er mich erblickte, hob er die Hand und winkte mir gnädig zu. „Wer sind Sie, was wünschen Sie, was führt Sie zu mir, mein Lieber?“ fragte er und wies auf einen Sessel. „Ich... ich habe Sie noch nie gesehen, das heißt, ich erinnere mich jetzt, Sie sind von dem Regiment... Na, egal! Also zur Sache!“„Ich komme in einer höchst wichtigen Angelegenheit zu Ihnen, Exzellenz“,
Jedes Jahr am 1. Februar lädt die Witwe des Adelsmarschalls Trofim Sawsjatow zu einem Festessen. An diesem Tag, dem Geburtstag ihres verewigten Gatten, läßt sie die Trauermesse mit allen Zeremonien lesen. Zu diesem Ereignis versammelt sie alles, was Rang und Namen hat. An der Spitze der Gäste, in voller Uniform, erscheint der neue Adelsmarschall Chrumow. Neben ihm glänzen der Polizeichef Krinolinow, der Pope Jewmenji mit dem Diakon, der Kreisarzt mit Gattin und Tochter, und natürlich der Bezirksvorsteher Marfutkin, der die Witwe besonders verehrt.Ahn .zpl{,Uh;uversammejnssifih, ajfe jn
Der Komiker Iwan Worobjew-Sokolow steck; e die Hände in seine Taschen der weiten Hose und starrte zum Fenster hinaus auf die Straße.„Ach, wie langweilig", seufzte die Primadonna Maria Alexe- jewna. „Warum schweigen Sie denn, Iwan Akimitsch? Wenn Sie schon einmal hergekommen sind, mich in meiner Probenarbeit gestört haben, erzählen Sie mir wenigstens etwas. Zum Beispiel von Ihren Mißgönnern, die Sie tüchtig auspfeifen, wenn Sie zu großen Erfolg haben, oder von den süßen Mädeln, die zu weinen beginnen, wenn Sie als Liebhaber jammern. Außerdem sieht man es Ihnen an der Nasenspitze
Herr Selterskij, Advokat und Notar, saß in dem tiefen Sessel und gähnte. Er konnte die Augen nur noch mit Mühe offenhalten. Ich müßte schlafen gehen, dachte er. Warum sich quälen? Die ganze Natur schläft bereits. Die Vogel Schweigen im Walde, meine Frau und das Dienstmädchen ruhen auch schon in ihren Betten!Aber Selterskij durfte noch nicht ins Schlafzimmer gehen, obwohl an seinen Augenlidern ein zentnerschwerer Stein lag. Eben hatte sich Oberst a. D. Peregarin, sein Nachbar, zu Besuch gemeldet. Um Himmels willen, seufzte er, es ist ja bald elf Uhr! Was für eine Gewohnheit, die
Endlich verfrachtete uns Frau Kommerzialrat in den Wagen und blieb mit rotem Gesicht davor stehen. „Also, liebe Kinder! Ihr fahrt zunächst unbedingt zu Koljas Verwandten und erst nachher besucht ihr die Ge'neralin und die Baronin Schepping“, wiederholte zum zehnten Male meine Schwiegermutter. „Und vergeßt nicht, den Damen meine besten Grüße zu übermitteln und mich damit zu entschuldigen, daß ich wieder einmal an Migräne leide. Oh, wie ihr mich anglotzt! Man sfeht euch an, daß ihr erst seit drei Tagen verheiratet seid!“Ich war froh, daß sie endlich ins Haus ging und der
Eine Stunde vor Abgang des Zuges kommt der Familienvater, dessen Familie in der Sommerfrische ist, zu seinem guten Bekannten. In der einen Hand trägt er eine Lampenkugel aus Glas, in der anderen Hand ein Kinderfahrrad, unter den Arm hat'er einen winzigen Kindersarg geklemmt. Erschöpft läßt er sich auf das Sofa fallen. „Mein Lieber, mein Guter“ — murmelt er, nach Luft ringend, während seine Augen verstört um sich blicken — „ich habe eine Bitte: bitte, bitte, um Gottes Willen, borge mir bis morgen deinen Revolver, erweise mir diesen Freundschaftsdienst.“„Wozu brauchst du
Der Generalmajor a. D. Buldejew hatte starke Zahnschmerzen bekommen. Er spülte den Mund mit Branntwein, mit Kognak; er legte an den kranken Zahn Tabaksasche, Opium, Terpentin, Petroleum; er rieb rieh die Wange mit lod ein. er steckte in die Ohren spiritusgetränkte Watte — doch das alles half nichts oder erregte auch noch Uebelkeit. Es kam der Doktor. Er stocherte im Zahn herum, verschrieb Chinin, aber auch das half nichts. Das Anerbieten, den kranken Zahn herauszureißen, beantwortete der General strikt ablehnend. Alle Menschen im Hause — die Gattin, die Kinder, die Dienstboten, sogar
Eine helle, eiskalte Mondnacht. Alexej Iwa-nitsch Romansow tastete sich wankend und strauchelnd der Mauer entlang, bis er die kleine Pforte erreicht hatte. Hier stand er eine Weile still und lehnte sich gegen die Wand. Dann holte er den Schlüssel aus der Tasche seines Pelzmantels. Als er' die Tür aufstieß und aus der Dunkelheit in den Irmenhof trat, blendete ihn der kalte Mond. „Zu Hause!“ Er sprach das Wort nicht aus; aber es geisterte durch seinen wirren Kopf. Benebelt dachte er: , Ich muß mich zusammennehmen. Anjuschka darf nicht wissen, daß ich irgendwo war ... So ist es also im
— Schluß, ich werd’ nicht mehr trinken! … Also … also auf keinen Fall! Man muß endlich vernünftig werden. Man muß arbeiten, sich Mühe geben … Liebst du das Gehalt einzustreichen, so arbeit’ auch ehrlich, fleißig, gewissenhaft, ohne auf Ruhe und Schlaf zu achten. Verwöhne dich nicht.. . Du hast da bei dir eingeführt, das Gehalt gratis zu beziehen, und eben das ist nicht gut… gar nicht gut…Nachdem er sich noch ein paar ähnliche Tugendsprüche doziert hatte, verspürte der Oberkondukteur Podtjägin einen unwiderstehlichen Drang zur Tätigkeit. Es ist bereits zwei Uhr
Freitag, in der Butterwoche, begaben sich alle zu Alexej Iwanitsch Konsulin zum Pfannkuchenessen. Für sie ist Konsulin vielleicht ein Nichts, eine runde Null, für uns aber, die wir nicht hoch über den Wolken schweben, ist er eine große Persönlichkeit, allmächtig groß und weise.Die Pfannkuchen waren von einer unbeschreiblichen Güte, leicht, zerschmolzen im Munde und waren dabei rösch. Man legt so einen Pfannkuchen auf seinen Teller, taucht ihn sorgfältig in geschmolzene Butter ein und verspeist ihn’. Der nächste kriecht einem, man weiß nicht wie, von selbst in den Mund! Zu den
Zwei Freunde, der Friedensrichter Poluech- tow und Fintifleew, Oberst im Generalstab, saßen bei einem gemütlichen Imbiß und sprachen über die Kunst.„Ich habe Taine, Lessing… was weiß ich noch was gelesen“, sagte Poluechtow. „Meine Jugend verbrachte ich inmitten von Künstlern, auch selbst schrieb ich, und ich verstehe vieles, weißt du? Ich bin kein Künstler und kein Schauspieler, aber ich habe für diese Dinge das Herz auf dem rechten Fleck. Auf einen Blick kann ich beurteilen, was falsch und was richtig ist. Mich kann keiner hinters Licht führen, selbst eine Sarah Bernhardt
Konteradmiral Regunow-Karaulow, ein kleines, rostiges Männlein, kehrte gerade vom Markte zurück. An einem Schnürchen trug er einen Hecht, der noch nicht „erledigt“ war. Hinter ihm trippelte die Köchin Uljana mit einem Beutel voll Karotten und Tabakblättern, welche Seine Exzellenz gegen die Wanzen und sonstige Mitbewohner seines Appartements zu verwenden pflegte.„Onkel Phillip“, hörte er plötzlich eine Stimme neben sich. „Eben war ich bei Ihnen, habe eine Stunde vergeblich an die Türe geklopft. Gott sei Dank, daß wir uns nicht verfehlt haben!“Der Konteradmiral hob den
Von der Bahnstation „Bologöje“, in der Mitte zwischen Petersburg und Moskau, fährt langsam ein Passagierzug ab. In einem Waggon II. Klasse .Für Raucher“ sitzen, umschleiert von der Dämmerung, fünf Passagiere. Sie haben soeben im Stationsbüfett einen Imbiß genommen, lehnen sich gegen den Sofarücken und versuchen einzuschlummern. Es ist still.Die Tür geht auf und herein tritt eine lange, spazierstockartige Figur mit rothaarigem Hut und stutzerhaftem Paletot, welche stark an die Zeitungskorrespondenten in der Operette erinnert.Die Figur bleibt stehen, schnauft, und blinzelt lange
Endlich war das Essen vorüber. Der Köchin wurde befohlen, recht leise den Tisch abzuräumen. Man beeilte sich, die Kinder in den Garten zu schicken. Dann zog der Villenbesitzer Ossip Klotschkow, ein magerer, hektischer Mensch mit eingefallenen Augen und einer scharfen Nase, ein Heft aus der Tasche heraus, um den Freunden ein von ihm verfaßtes Singspiel vorzulesen. Die Tendenz des Stückes war keinesfalls kompliziert, klar und sogar zensurfrei. Hier ist sie:Der Beamte Jasnoserdzew betritt eilig die Bühne und teilt seiner Frau freudestrahlend mit, daß sie seinen hohen Vorgesetzten als Gast
Es ist Sonntag mittag. Der Gutsbesitzer Kamyschew sitzt bei sich im-' Speisezimmer an einer üppig gedeckten Tafel und frühstückt langsam. Ein sauberes, glattrasiertes altes Französlein teilt mit ihm die Tafel, Monsieur Champoon. Dieser Champoon ist einmal bei den Kamyschews als Erzieher gewesen, brachte den Kindern Manieren bei, eine gute Aussprache und Tanzen. Dann, als die Kinder Kamyschews herangewachsen und Leutnant geworden waren, blieb Champoon nach Art der Bonnen männlichen Geschlechts. Die Pflichten eines gewesenen Erziehers sind nicht kompliziert. Er muß ordentlich gekleidet
„Jetzt geh, die Glocken werden schon geläutet. Und sieh zu, daß du in der Kirche artig bist, sonst wird Gott dich bestrafen.“Die Mutter steckt mir ein paar Kupfermünzen u und läuft sogleich, mich vergessend, mit dem abgekühlten Bügeleisen in die Küche. Ich weiß sehr gut, daß man mir nach der Beichte weder zu essen noch zu trinken geben wird, und darum schlinge ich noch schnell, vor dem Weggehen, ein Stück Weißbrot herunter und trinke zwei Glas Wasser. Draußen ist es schon ganz frühlingsmäßig. Die Straßen sind bräunlich-feuchte Lehmmassen, auf denen sich bereits die