Hans Beltings äußerst reizvolle Blicke in die Kulturgeschichte: in die Renaissance, die große Wendezeit.Zwei prachtvolle Loggien ließ sich Federico di Montefeltro von Lucio Laurana in seinem Palast in Urbino errichten - nicht etwa auf die stattliche Piazza gerichtet, sondern sozusagen auf der Hinterseite, mit Blick auf die bewaldete Natur. Man kann in diesem eigenwilligen Projekt den Traum eines Renaissancefürsten erkennen, sich täglich seine Idealstadt zu imaginieren, weit entfernt von der Enge einer kleinen Bergstadt.Der Blick in die Weite ist überdies eine schöne Metapher für die
Zwei Autoren hören das „Postmoderne Rauschen“.Nicht eine versuchte exakte Wissenschaftlichkeit ist das, was am Genre der Philosophie die meisten fasziniert, sondern ihr – Rauschen.Den Ausdruck verbinden zwei junge Autoren sowohl mit der Bedeutung in der Physik, wo das Rauschen eine Störgröße meint, als auch mit dem Rausch als Zustand veränderter Wahrnehmung. Eine Assoziation mit der Störung von Konventionen und Normen, seien sie wissenschaftlicher oder politischer Art auf der einen und mit Körperlichkeit und Emotionen auf der anderen Seite, ist dabei durchaus erwünscht.Damit wird
In "Handwerk" sinniert Richard Sennett über Hand und Kopf, Praxis und Theorie.Richard Sennett, Soziologe und "Kulturtheoretiker", ist es längst gelungen, seine eigene Marke zu kreieren. Der neue Sennett ist da, raunt es unüberhörbar durch die Feuilletons.Mehr noch: der erste Band einer geplanten Trilogie hat vor kurzem das Licht der Buchwelt erblickt, die deutsche Übersetzung gar noch vor der amerikanischen Originalausgabe. Die geplanten Folgebände werden die delikate Paarung von Krieger und Priester, also von Aggression und Glaubenseifer, und den Fremden behandeln. Damit ist eine uns
Ein Sammelband auf der Suche nach der Antwort auf die schlichte Frage: Was ist der Mensch?Gebannt starren zur Zeit viele Philosophen auf Biologen und Mediziner, die einmal mehr den Menschen naturalistisch verkürzen, sein Handeln mechanistisch erklären. Solch kränkende Dezentrierung der Krone der Schöpfung hat die Vertreter des Geistes von jeher entrüstet und so gilt es erneut, mit schwerem Geschütz auszurücken zur Verteidigung von Willensfreiheit, persönlicher Verantwortung, ja gar die Straf-und Belohnungsfähigkeit fürs Jenseits zu sichern - man weiß ja nie!Eindimensionales
Julian Nida-Rümelins flammendes Plädoyer für das humanistische Bildungsideal.Deutsche Soldaten durchkämmen kurz nach dem Fall Warschaus im November 1939 die Stadtviertel, in denen orthodoxe Juden leben, und fragen nach Rabbi Schneersohn. Der Zweck der Suche nach dem spirituellen Oberhaupt der Lubawitscher Chassidim ist nicht die Verhaftung, sondern Rettung. Die Flucht über Riga nach New York gelingt.Die Fluchthelfer repräsentieren eine sonderbare Koalition: NS-Repräsentanten wie Abwehrchef Admiral Wilhelm Canaris und der "halbjüdische" Major Ernst Bloch, der durch die Unterschrift
Pierre Vidal-Naquet erinnert an die fantastischen Geschichten um Atlantis.Amerika steht am Beginn aller Zivilisation und von dort aus verbreitete sich diese in spezieller Beziehung zwischen Amerika und Italien in den Mittelmeerraum und über die ganze Welt! Nein, berichtet wird hier nicht von Träumen der gegenwärtigen US-Administration. Der Erfinder solchen Delirierens ist der italienische Graf Gian Rinaldo Carli (1720-1795), der einen von vielen skurrilen Versuchen unternahm, den Anfang der Zivilisation zu erklären. Dazu diente seit Jahrhunderten der alte Mythos von Atlantis.In ihm
Jochen Hörisch und seine Apotheke für die geistige Gesundheit.In einem Punkt sind wohl die meisten von uns - trotz manch verklärter Vorlieben für historische Epochen - froh, in der Jetztzeit zu leben. Nämlich dann, wenn es uns buchstäblich an den Kragen geht. Noch nie hat uns die Medizin so viel Sicherheit gegeben wie heute und durch den Dschungel der zahlreichen Pülverchen, Zäpfchen, Pillen und Säfte leitet uns das beruhigende Emblem: "Zu Wirkung und unerwünschten Nebenwirkungen informieren Sie Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker!"Wie praktisch wäre es, gäbe es auch für die
Harald Weinrichs Kulturgeschichte der Zeit.Fasse mit flinker Hand die Früchte, ehe sie entschwinden." Diesen Ratschlag des Ovid hat Harald Weinrich nicht wiedergegeben. Vielleicht, weil er nicht den falschen Eindruck erwecken wollte, als ginge es ihm um das Plädoyer für eine hedonistische Lebensführung. Das geistreiche Buch zur von Hans Blumenberg konstatierten Schere zwischen Lebenszeit und Weltzeit lässt der Autor demgegenüber mit dem oft abgewandelten und kommentierten Spruch des Hippokrates beginnen: "Kurz ist das Leben, lang ist die Kunst." Ein wahrlich trefflicher Anfang! Gemeint
Peter Strassers philosophische Auseinandersetzungen mit der Gehirnforschung und dem Bewusstsein, mit der Gültigkeit von Werten und dem "Profiler", der das Monster verstehen will, um anderen eine Falle stellen zu können.Der mystisch Entrückte tritt aus seinem Körper. Er wird in ein Rohr hineingesogen und nach oben geschossen. Durch das Fegfeuer hindurch geht seine Jenseitsreise weiter, bis ihn gleißendes Licht empfängt und ihm die Schau ermöglicht: Flügelputzende Engel, saftige Weiden mit grasenden Schafen und ihren bimmelnden Glöckchen. Gerade als der Myste unter der einsamen
In seinen spannenden Essays zur Moderne erkennt Werner Hofmann die uralte Geschichte des Umgangs mit Ambivalenzen wieder.Für Menschen, die die Welt gerne in eingängige Definitionen verschnüren, um das Denken und Differenzieren möglichst überflüssig zu machen, ist die Frage nach der Moderne eine harte Nuss. Werner Hofmann hatte viel Gelegenheit, sich an einer solchen abzuarbeiten. Er leitete als Gründungsdirektor neun Jahre lang das Museum des 20. Jahrhunderts in Wien und danach bis 1990 die Hamburger Kunsthalle. Aus den im vorliegenden Buch gesammelten Essays zur Moderne spricht denn
Martin, der Philosoph, und Fritz, der Narr: Hans Dieter Zimmermann stellt Leben und Denken der Brüder Heidegger nebeneinander.Es ist schon eine ungewöhnliche und in der Flut der einschlägigen Literatur einzigartige Idee, das verzwickte Denkgebirge Martin Heideggers an die Seite seines Bruders Fritz zu stellen und von dieser ungleichen Paarung her den reichlich konstruiert erscheinenden Titel "Philosophie und Fastnacht" abzuleiten. Doch die Lektüre ergibt Überraschendes.Der knapp fünf Jahre jüngere Fritz war ein begnadeter Fastnachtsredner. Er eiferte dem aus der Nähe stammenden Ulrich
Ludwig Wittgensteins Aufenthalt in Cambridge.In der Flut der Wittgensteinliteratur gibt es eine kleine aber feine literarische Insel der kulturgeschichtlichen Kontextualisierung dieses Denkers, der zu den bedeutenden des abgelaufenen Jahrhunderts gehört. Allan Janik und Stephen Toulmin begannen 1973 mit "Wittgensteins Vienna". Allan Janik doppelte 1998 mit "Wittgenstein in Wien" nach. Er beschreibt darin alle möglichen Schauplätze, die sich im weitesten Sinn mit Wittgenstein verbinden lassen. Ähnliches unternimmt Hans Veigl nun mit Cambridge.Ludwig Wittgenstein ging auf Anraten Freges 1912
Da ist schon einiges an Lebenszeit verflossen, bis man so richtig realisiert, dass das Geborenwerden den großen Makel des bevorstehenden Sterbens in sich trägt. Dann freilich ist es gerade diese radikale Begrenzung der Lebenszeit, die dem Leben erst Sinn und Perspektive gibt und dazu beiträgt, Kultur zu fördern, mit der allein Individualität zur selbstbewussten Existenz gesteigert werden kann (Volker Gerhardt).Die Rolle des Todes als Lebenssinnbringer bleibt das einzige Trostargument in diesem angenehm unprätentiösen, sachlichen und lesenswerten Buch, wo jeder der zwölf Vorträge, den
Ein Sammelband über Kabarett, Satire und Flüsterwitze.Man muss kein Psychologe sein, um die kompensierende Ventilfunktion zu erkennen, die die jährlich wiederkehrenden Faschingsrituale für viele Menschen haben. Im Scheinwerferlicht der TV-Kameras mehr gequält als herzlich lachende Politiker müssen über sich ergehen lassen, was der berühmte kleine Mann ihnen immer schon einmal sagen wollte. Bedauerlicherweise behandelt der vorliegende Sammelband, der ein Symposium aus dem Jahr 2002 zu den inoffiziellen und kritischen politischen Textsorten dokumentiert, gerade diesen populären Stachel
Jost Hermand träumt von heiler Kunst.Zugegeben, es ist eine harte Leidenszeit für aufrechte Linke. Der Sozialstaat wird zurückgebaut, die Arbeitszeit verlängert, ehemalige 68er spielen Nadelstreif-Staatsmänner und die Jugend schert sich weder um die Ökologie noch nimmt sie Rücksicht auf die Zeitgenossen, sondern amüsiert sich in der Spaßgesellschaft und setzt im übrigen auf die rasche Erholung der Aktien. Es gab viele Melancholiker nach 1989, die mit der Wende ihre utopischen Ideale des Marxismus begruben, teilweise sehr originell begruben, aber den meisten war klar, dass die neue
Konrad Paul Liessmanns "kulturphilosophische Diagnosen".Das Niemandsland, jenes merkwürdige Gebilde zwischen den Grenzhäuschen, hat mich als Kind immer fasziniert. Doch dieses geheimnisvolle Zwischenland, das klare, nationale Identitäten getrennt hat, gibt es nicht mehr, es hat nur mehr die Bedeutung einer Metapher, mit der Konrad Paul Liessmann die Situation der Kultur beschreibt. Sie ist ein Passepartoutbegriff geworden, rahmt inflationär alles ein und wird damit leer, zum Niemandsland eben, das der Autor mit Spähtrupps durchstreift und das Protokolle in Gestalt von 14 Essays und Reden
Eine Einladung zu Spaziergängen auf den Pfaden der Philosophiegeschichte.Wem ein Buch dieses Titels in die Hände fällt, der kann darauf nur mit Skepsis reagieren: Denkwege der Philosophiegeschichte. Hat man nicht die Philosophie in letzter Zeit dutzendemale kreuz und quer traktiert? Haben nicht gelehrte Experten ihr in dicken Wälzern den ultimativen Ausdruck geben wollen, während andere sich subversiv über Hintertreppen anschlichen? Hat man nicht häufig einen Denker zusammenhanglos an den anderen gereiht, die Denkgeschichte häppchenweise in Grundprobleme zerteilt, ihre Weisheit für
Luciano De Crescenzo wagte eine Geschichte der mittelalterlichen Philosophie.Luciano De Crescenzo ist der erfolgreichste unter den vielen, die in den vergangenen Jahren dem Trend der leichtfüßigen Popularisierung der Philosophie gefolgt sind. In zahlreiche Sprachen übersetzt, sind seine zwei Dutzend Bücher überall auf die Bestsellerlisten gelangt.Insofern kann auch nichts schief gehen, wenn sich der Neapolitaner nun dem Mittelalter zuwendet und nachforscht, wer denn am Ende des Altertums das Licht ausgeknipst hat und ob das Mittelalter wirklich so dunkel war, wie ihm manchmal nachgesagt
Christopher Hitchens' Plädoyer gegen die Anpassung.Die große Masse der Angepassten, jene, die die Köpfe gleich einziehen, wenn sich unruhiges Wetter zusammenbraut, wird der unbequeme, in England geborene und seit geraumer Zeit in den USA lebende Journalist Christopher Hitchens kaum zu großen Aufrührern und mutigen Widerstandskämpfern gegen den Zeitgeist umfunktionieren.Das Buch des Autors, geschrieben in Form von fiktiven Briefen an einen jungen Menschen - also jener Generation, wo noch Hoffnung lebt - ist eher zu lesen als eigenwilliges Zeitdokument. Es rüttelt schon dadurch auf, dass