DIE GEFALLENEN ENGELUns erst erschaffne Wesen Traf Gottes Blick so hell — Wir sind im Glanz gewesen, Uns vergaß er schnell.Hoch im Vorüberwandern Gab uns das Licht Gestalt, Ging weiter zu den andern, Wir werden kalt.Immer die Ungebornen Reißt er aus Traumes Ruh', Dann stürzen die Verlornen Dem Tode zu.DIE GETREUEN ENGELWir ersterschaffnen Wesen, Wir seligen Seraphin, Wir sind getreu gewesen, Wir dienen ihm.Wir tragen seinen Willen Den Weltentag entlang, Wir wecken und wir stillen Des Lebens Gang.Süß ist den Erstgebornen Der Atem und das Licht; Die an den Tod Verlornen Vergißt Gott
Es ist der Sinn der Dichtung, Trost zu bringen; wenn gar kein Trost von ihr kommt, ist sie nicht Dichtung.Eine Behauptung wie diese ist anstößig in heutiger Zeit. Denn unsere Zeit hat einen merkwürdigen Ehrgeiz, ihr Leid als ungeheuer und „einmalig“, wie sie so gern und so falsch sagt, anerkannt zu wissen und sich nur ja nicht trösten zu lassen. Es ist, als nähme man ihr etwas Kostbares weg, wenn man ihrem Leid einen Trost entgegensetzen will. Dieser neumodische Stolz auf das Leiden, im Grunde ist er eine unheimliche Erscheinung, eine Verkehrung des rechten Lebenssinnes zeigt sich
Er:Heut sieh mit mir die Sommerwolken gehnl Heut laß uns nichts bedenken als den leisen Wind, der nach Süden weht. In ihm zu kreisen! Wie dort der Bussard hoch im Licht zu stehn!Er kann die höchsten unsrer Berge sehn. Er braucht nur mit dem Zug der Luft zu reisen, Es wird ihn tragen, ihm die Richtung weisen, Dann wird er aufgetane Länder sehn,Das Meer! und unter gelbem Segeltuch Ein Schiff, das zu den fernsten Ufern trage, Gewölk zerronnen und der Himmel klar.So schlägt die Welt sich auf, ein Fabelbuch.Was gab ich, daß ich's lese und befrage!Und doch, was fand ich, das nicht hier schon
Es scheint mir für den Dichter die Stunde gekommen zu sein, wo er, wenn er dem Ewigen seiner Aufgabe treu bleiben will, der Zeit gegenüber sich zu einer anderen Haltung gewöhnen muß als in den letzten vierhundert Jahren.Seit dem Beginn nämlich der Epoche, die wir die „Neuzeit” nennen, hat die Dichter, die Starken unter ihnen, fast alle das Geräusch des Vorwurfs begleitet, daß sie Neuerer wären und Umstürzler alter Ordnung. Es sei nur kurz daran erinnert: Shakespeare war den Franzosen ein „Barbar”, der junge Goethe war es dem herrschenden Geschmack seiner Zeit, Kleist war es
Mein Vater Henry von Heiseier war eine der letzten Gestalten, in denen das alte Europa sich als das darstellt, was es einmal war: eine geistige Wirklichkeit und eine Heimat vieler Völker. Darum, wenn Europa sich wieder auf seine einst so selbstverständlich genossene Gemeinsamkeit besinnt, wird dieser Dichter wieder ins Licht treten. — Er ist als Kind einer deutsch- petersburger Familie in der Stadt, die damals Rußlands Hauptstadt war, am 23. Dezember 1875 geboren. Die Heiselers stammen ursprünglich nicht aus dem Baltikum, sondern wahrscheinlich aus Oldenburg und führen den Stierkopf,
Dies ist ebensosehr eine europäische, wie es eine deutsche Landschaft ist. Im Osten vorübergeht der Rhein, in die sich öffnende Tiefebene hinaus, hier hat er schon, mit Hölderlin zu reden, sein „wohlbeschiedenes Schicksal / Wo noch der Wanderungen / Und üß der Leiden Erinnerung / Aufrauscht am sichern Gestade / Daß da und dorthin gern / Er sehn mag bis an die Grenzen / Die bei der Geburt ihm Gott / Zum Aufenthalte gezeichnet”. Indem diese Verse mir durch den Sinn gehen, rührt mich wieder das alte Staunen, wie doch Hölderlins Auge unser Abendland wunderbar in ein Ganzes