Das „Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche in Österreich”, kurz Protestantengesetz genannt, wurde am 6. Juli vom Nationalrat, am 12. Juli vom Bundesrat einstimmig verabschiedet. Der Sprecher der ÖVP sagte, daß es „unbestritten zu den bedeutendsten Gesetzen der zweiten Republik gehöre”. Nach dem Toleranzedikt Josefs II. von 1781, das den Akatho- liken die private Religionsausübung gestattete, und dem Protestantenpatent Franz Josefs von 1861, das den Evangelischen die individuelle bürgerliche Gleichberechtigung, die öffentliche Religionsausübung
Am 8. April 1861 Unterzeichnete Kaiser Franz Joseph das Protestanten- patent, das ihm am 17. Februar vom Ministerpräsidenten, dem liberalen Erzherzog Rainer, vorgelegt worden war. Dem Monarchen mußte angeblich die Unterschrift geradezu abgerungen werden. Mit Dank und Jubel begrüßten die Evangelischen das Patent als ihre „Magna Charta“.Der Papst freilich beklagte sich in einem Brief an den Kaiser, daß die Rechte der Nichtkatholiken in Österreich ständig erweitert würden. Die Katholiken beklagten sich, daß den Evangelischen weitergehende Freiheiten als ihnen zuteil geworden wären.
Natürlich ist in evangelischen Kreisen längst die Frage aufgetaucht: Welche Folgen und Rückwirkungen mag der Österreichische Katholikentag für die evangelische Kirche in Österreich haben? Und jeder Nachdenkliche kann sich ungefähr vorstellen, daß dabei von ängstlichen, besorgten und durch Erfahrung gewitzigten Gemütern mancherlei Befürchtungen Ausdruck gegeben wurde: daß die selbstverständliche Belebung des katholischen Bewußtseins in einer Richtung erfolgen könnte, die den Evangelischen nicht erwünscht wäre, daß etwa ein Geschichtsbild sich von neuem verfestigte, das den