Die FURCHE setzt ihr „Kunstservice“ in dieser Nummerfort. Nach der Farblithographie „Die Gaukler warten“ des jungen Helmut Kies präsentieren wir diesmal „Mädchenkopf' des Graphikers Michael Coudenhove-Kalergi.
Die FURCHE setzt ihr „Kunstservice“ in dieser Nummer fort. Nach dem „Sturz der Engel“ des Spaniers Salvador Dali präsentieren wir diesmal „Die Gaukler warten“ des Wieners Helmut Kies.
Das Kabarett hat in Österreich Geschichte und Tradition. An dieser Tradition haben Bronner und Wehle, also die „Macher“ des „sauren Gugelhupf am Sonntag morgen, großen Anteil. Bronners Lieder und Sketches, die er zusammen mit Helmut Qualtinger noch im Kärntnertortheater von sich gab, waren einmal kritisch, zynisch, bissig.Inzwischen ist Bronner brav geworden, hat seinen Biß verloren. Was früher traf und betraf, ärgert mich heute.Bronner und Wehle versuchen, jeden Sonntag außen-und innen- und kulturpolitisches Geschehen kritisch, teilweise blödelnd, zusammenzufassen. Und verfallen
Skizzen aus dem Makart-Um-zug in der Hermesvilla in Wien: ein Bilderbogen mit wahrlich absonderlichen Figuren zieht sich durch den Raum: die mittelalterlichen Zünfte in historischen Kostümen schreiten einher, dahinter tummeln sich leicht gekleidete Damen mit riesigen Federhüten, dann folgt ein Studentencorps in Galauniformen. Prunklust und Glanz der Donaumonarchie werden für Sekunden lebendig.„Wien im Jahre 1879“ ist das Thema einer Ausstellung, die jetzt in der Hermes-Villa im Lainzer Tiergarten gezeigt wird. Wien vor hundert Jahren: damals feierte man mit einem gigantischen Um-1 zug
Zwei Männer - ihre Gesichter sind verzerrt, zu Angstgrimassen erstarrt - stützen einander, helfen einander. Sie können sich kaum noch bewegen. Hinter ihnen: schmutzige Fassaden, verdreckte Rinsteine. Das Bild rüttelt auf, verwirrt, macht verstört.Georg Eisler trifft die Schwachpunkte unserer Wohlstandsgesellschaft, weckt das schlechte Gewissen: mit den „Zwei Männern“ hat er eine Epoche dargestellt, eine Zeit der Hoffnungslosigkeit, der Verzweiflung. Die verdrängte Vergangenheit wird schmerzhaft lebendig. Straßen, Straßenbahnen, einsame, schmutzige Plätze, verrauchte Cafes; das
(Österreichische Galerie,Schloß Belvedere, Wien, bis 15. April): An den Wänden: Stilleben, Landschaften, Porträts, die an Cezanne erinnern, Bilder an der Schwelle zwischen traditioneller Darstellung und abstrakter Auflösung. Die Gemälde stammen von Gustav Hessing.Hessing gilt als langsamer Maler, als Zauderer, Zögerer. Manchmal arbeitet er mehr als ein Jahr an einem Bild. Auch hier kann man eine Parallele zu Cezanne ziehen.Hessing ist ein guter Handwerker: er weiß viel über Bildaufbau, er komponiert seine Landschaften und Porträts, setzt bedachtsam da und dort einen Strich,
Ilse Aichinger: Die Stille, Verschlossene, Einsame. Lange Zeit hat sie nichts mehr veröffentlicht. Lebte zurückgezogen auf einem Bauernhof. Der Tod ihres Mannes Günther Eich hat sie schwer ge-i troffen.Mit der „Spiegelgesefaiehte“' und anderen Erzählungen hat sie nach dem Krieg die österreichische Erzähltradition erneuert: Sie hat das Erbe Kafkas und Musils angetreten. Mit unheimlichen, surrealen, unglaublichen Geschichten. Mit ihren Sprachexperimenten, die mehr waren alsformale Spielereien. Die Erzählungen sind hermetisch, schwer zugänglich, geheimnisvoll.Kürzlich erst ist ein
„Ich will das Lächerliche im Heroischen und das Kleine im Großen zeigen“, sagte Honore Daumier 1831, als man ihn wegen einer zu boshaften Karikatur ins Gefängnis steckte.Honore Daumier: der Begründer der politischen Karikatur, dersubtile, böse Porträtist, der naive Schwärmer für eine freie und demokratische Gesellschaft; aber auch der traurige Melancholiker, der sich so gerne gefreut hätte, der sein Leben so gerne „ein wenig genossen hätte“.Er wurde in eine Zeit geboren, die nach den napoleonischen Kriegen wieder den Frieden und die behagliche Ruhe suchte. Diese Ruhe und
„Was kann Kunst - Kann Kunst was? - Eine Ausstellung, die niemanden überfordern will“, so wird eine Großausstellung im Kulturzentrum Perchtoldsdorf angekündigt. Eine Monsterschau mit pädagogischen Absichten. Der Laie soll endlich erfahren, wozu Kunst wirklich fähig ist.Eine mißlungene Schau. Nicht wegen der Bilder, sondern wegen der falschen Konzipierung.„Die Varianten und Möglichkeiten“ modernern Kunst sollten da in ihrer ganzen Bandbreite aufgezeigt werden, und zwar direkt an Hand von Beispielen. Dazu hat man (fast) alles zusammengetragen, was in Österreich gut und teuer ist.
Schon sein Antlitz verrät die Zwiespältigkeit seines Wesens. Er hat fast harte, abweisende Züge, gäbe es nicht manchmal dieses Lächeln, dieses leichte, fast schwärmerische Aufhellen seines Gesichtes.Rainer Kunze ist einer der Verstoßenen. Aus Ost-Deutschland wurde er ausgewiesen, weil er die Situation der Jugendlichen dort beschrieben hatte. In West-Deutschland wurde er bejubelt wie ein Wunderkind. Er vertrug das nicht: diese plötzliche Be-rühmtheit, das Gefühl, ständig einer lauernden, sensationslüsternen Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein. Er kapselte sich ab. Das trug ihn den
Österreich hat in diesem Jahrhundert einen wirklich großen Bildhauer von internationalem Rang hervorgebracht: Fritz Wotruba, dessen Werke in allen bedeutenden Ländern und auf fast allen wichtigen Ausstellungen zu sehen waren. Noch zu Lebzeiten hat man ihm eine würdige Denkstätte versprochen: Ein Fritz-Wotru-ba-Museum.Fritz Wotruba ist seit fast vier Jahren tot. Geschehen ist bis jetzt noch kaum etwas. Sein Nachlaß ist noch nirgends zu sehen, von einem Museum spricht man zwar noch hier und da. Getan hat man nichts.Die Stadt Wien streitet immer noch mit Fritz Wotrubas Witwe Lucy. Sie ist
An einem grauen Regentag wurde in Paris ein Großer der bildenden Kunst zu Grabe getragen: Daniel Henri Kahnweiler. Er war kein Künstler, doch die Entwicklung und Verbreitung der modernen Kunst ist ohne seine Person kaum begreifbar. Die Pariser Kunstszene wäre farblos und spannungslos geblieben ohne ihn. Daniel Henry Kahnweiler war ein Mythos. Einer der letzten großen-Förderer und Mäzene. Ein Kunsthändler aus Berufung.Um 1910 hat er mit dem Sammeln und Handeln begonn. Er hat die Fäuvisten entdeckt und gefördert, hat Maler wie De Vla-minck und Derain bekannt gemacht. Dann ist er auf
(Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts, Wien, bis April 1979)Giacometti: Die Legende unter den Bildhauern des Zwanzigsten Jahrhunderts. Ein Mythos. Ein Mythos allerdings, der sich gut verkauft. Giacomettis Plastiken zählen zu den höchstdotierten auf der Kunstbörse.Jetzt ist die umfassendste Gia-cometti-Retrospektive aller Zeiten in Wien zu sehen: Menr als zweihundert Skulpturen und Graphiken sind nun in Wien ausgestellt (ab 19. Jänner).Alberto Giacometti: der unermüdliche Zweifler, der Problema-tisierer, wie man ihn oft genannt hat. Er hat seine Figuren (Tiere, Menschen, aber auch ganz
Szene in einem Wiener Straßenbahnzug: Im überfüllten Wagen ein Schulkind, etwa zwölf Jahre alt, klein, dick. Übergewichtig. In der Hand hält es zwei Tafeln Schokolade und Bonbons. Nach zehn Minuten steht es auf. Schokolade und Bonbons sind aufgegessen. Das typische Frühstück eines Wiener Schulkindes?Ein übertriebener Einzelfall vielleicht. Aber: ein Symptom. Mit der Ernährung unserer Kinder ist vieles nicht in Ordnung. Jedes zweite Pflichtschulkind neigt zur „Übergewichtigkeit“, jedes fünfte „ist fettsüchtig“. Fälle mit einem Übergewicht bis zu 60 Prozent sind nicht mehr
(„Elliott, das Schmunzelmonster“, Wien; Imperial, Dido, Kosmos, Votivpark) Ein Weihnachtsspaß für Kinder aus der Walt-Disney-Produktion. Die Geschichte eines Waisenknaben, der von einem freundlichen und hilfsbereiten Drachen durchs Leben begleitet wird. Der Bub ist von seinen (bösen) Pflegeeltern ausgerissen und findet mit Hilfe des tolpatschigen Drachen ein neues, schöneres Zuhause.Ein rührender Film, der stellenweise etwas zu sehr auf die Tränendrüse drückt, der manchmal auch zu schaurige, gewalttätige Szenen bringt, der aber trotzdem unterhaltend ist, ohne allzugroßen
Theater in Niederösterreich: Da stellt man sich vor allem gepflegtes Sommertheater mit sommerurlaubenden Burgschauspielern vor, billige Unterhaltung im Winter. '
Herbert Böckl ist einer der wirklich Großen der österreichischen Malerei im zwanzigsten Jahrhundert. Pionier und Impulsgeber für ganze Generationen von Künstlern.Begonnen hat er als Realist (mit sozialkritischem Touch), dann hat er die Form immer weiter reduziert, ist vorgedrungen in die Abstraktion, ins freie Komponieren und Assoziieren. An seinen Porträts und Landschaften wird das besonders deutlich: Wie nach und nach die Konturen sich verlieren, Konkretes sich auflöst in Farbassoziationen, in stellenweise bedrohende dichte Flächen. Realität wird aufgelöst in Elemente, in Segmente.
Der Film spiegelt eine Idylle vor: Olivenbäume, Schafherden, die schöne, sinnliche sardische Landschaft. Landleben. Die Idylle wird bald zerrissen: Ein junger Sarde rebelliert Gegen den Vater, der ihm Arbeit aufzwingt, der ihn absichtlich dumm und ungebildet lassen möchte. Gegen ein Gesellschaftssystem, in dem das Faustrecht und die nackte Gewalt immer noch bestimmen.Es wird viel geschlagen in dem Film: Jeder Schlag macht betroffen. Verzweifelt. Führt einen schrecklichen Kreislauf vor Augen, einen Kreislauf, der seit Generationen gleich abläuft: Der Vater bestimmt, was aus seinen Kindern
Eine Künstlergeschichte: Er, Hubert Frey, Komponist, sie, Cil-li, eine emanzipierte Fernsehreporterin: flott, erfolgreich, von den Männern begehrt. Er: mißtrauisch, sensibel, ohne Selbstbewußtsein. Er steckt in einer Schaffenskrise, kann nicht mehr komponieren, leidet an Depressionen. Ein Egozentriker, der sich gerne bemitleidet.Schließlich zieht er sich zurück: In die Einsamkeit, in den Menschenhaß, in die heimliche Liebe zu seiner Schwester. Eine Liebe, die unerfüllt bleibt.Ein Gescheiterter, der sich in seiner Erfolgslosigkeit noch gefällt.Ein unsympathischer Held.Gabriele Wohmann
Dieser Merkur des Giovanni da Bologna! Auf den Zehenspitzen balancierend, mühelos das Gleichgewicht haltend, fliegend fast, schwebt er dahin. Ein Meisterwerk des Manierismus. Zart. Symbol der Schwerelosigkeit, der verhaltenen Erotik.Ein französischer Ministerpräsident hat eine Statuette von Giambologna als Siegel verwendet. So konnte er sie mehrmals am Tag in der Hand halten.Giovanni da Bologna: der „größte Bildhauer der italienischen Renaissance“, das „Bindeglied zwischen Michelangelo und Bernini“, der „Massenfabrikant von Kunst“; solche Schlagworte hört man
Eisenstein ist ein Pionier des russischen Films. Der Begründer des modernen Großfilms. Mit „Panzerkreuzer Potemkin“ und „Die Schlacht auf dem Eis“ hat er - formale - Vorbilder für eine ganze Generation von Regisseuren geschaffen. Vorbilder, die in ihrer technischen Perfektion, in ihrer psychischen Dichte kaum wieder erreicht worden sind.Jetzt zeigt man - nach langen Jahren - den Film „Oktober“. Ein Auftragswerk von Stalin für die Zehnjahresfeier der Oktoberrevolution. Wieder ein technisch perfekter Film. Beeindruckend in den Bildern, im Wechsel zwischen absoluter Stille und
Der Mai ist vorbei: Die Zeit der Studentenunruhen, der engagierten Linken. Ein Journalist und Schriftsteller versucht sich zu erinnern. Wie war das damals eigentlich? Und: Wie stehen wir heute da?Fazit des Ganzen: Resignation. Anpassung. Aus der Wohnkommune der 68er Jahre kehrt man zurück ins traute Heim. Zurück in die geförderte Zweizimmerwohnung, zurück zu Frau und Kind.Aber: Man fühlt sich nicht wohl.Henisch hat versucht, aus diesen Erinnerungsfragmenten einen Roman zu schreiben. Eine Biographie. Es will ihm nicht so recht gelingen. Weil er aufs Erzählen vergißt, weil er jede
Seit Montag stehen in einer kleinen Wohnung im sechzehnten Bezirk archaische Plastiken. Frauen, pralle, expressive Körper, drohende Figuren. Die kleine Wohnung ist die Galerie Yppen, die man nur montags besuchen kann. Oder gegen telefonische Voranmeldung.Die Plastiken sind von Oskar Bottoli. Man nennt ihn den ersten Wotruba-Schüler. Weil die Kritiker immer alles einteilen müssen, immer irgendwo Einflüsse feststellen müssen.Er ist aber kein Schüler, sondern ein Meister:. Oskar Bottoli. Ein ruhiger, leiser Mensch. Zurückhaltend, fast scheu. Liebenswert. Man würde ihm die Kraft für seine
Eine wichtige Ausstellung in der Albertiha: Drei Maler, Oskar Laske, Ludwig Heinrich Jungnickel und Franz von Zylow werden vorgestellt. Mit ihnen ein Stück künstlerischer Vergangenheit, die allzugerne nun durch ein paar Großmeister personalisiert wird. Durch Klimt, durch Schiele.Drei Generationsgenossen, die im Schatten ihrer Lehrer und Vorbilder standen. Alle drei kamen aus dem Jugendstil, aus dem Ornamental-Verspielten, alle drei haben dann eigene Wege beschritten, haben versucht, zu sich selbst zu finden.Vor allem Franz von Zylow, der nach neuen Techniken suchte, der experimentierte, der
Neue Gedichte von Ilse Aichinger: „Verstreutes und Unveröffentlichtes aus zwanzig Jahren.“ Spuren eines Dichterlebens, einer Entwicklung. Man erwartet sich nicht viel, denkt an schreiberischen Abfall, an Nebenprodukte.Und ist dann überrascht von der Qualität der Gedichte.Ilse Aichinger ist ruhiger geworden, ihr Stil geschliffener, fließender. Die Bilder klarer, eindringlicher. Statt langer Worttira-den und Gedankenketten stehen kurze, eindringliche Mataphern.Nur die Themen sind gleich geblieben: Die Liebe, die Trauer, die Erinnerung an das Gestern. Die Aichinger hat ihre Gefühle, ihre
Zwei Hände kneten Teig. So stellt sich der „Steirische Herbst 78“ vor. Österreichs einziges Avantgardefestival, wie man so schön sagt. Da es das einzige ist, wird es auch subventioniert. Auch wenn der Teig, der da geknetet wird, schon sauer ist.Trauriger, trister Herbst in Graz. Regen, Nebel. Der Bahnhof grau. Die Stadt wie ausgestorben. Nur hier und da: Plakate. Eine Männerhand knetet Teig. Gütesiegel des Steirischen Herbstes. Ich bekomme Lust auf ein Stück Brot. Es gibt nur Altbackenes. Schließlich ist Sonntag in Graz.Grau auch die Bilder und Plastiken, die ich anschaue. In der
Der „Kritzel-Tone“ Tone Fink ist aggressiver geworden. Härter. Weil er vom plakativen Realismus abgegangen ist, weil er seine „Verletzungen in die Psyche verlegt hat. Weil er subtiler in seiner Technik geworden ist, experimentierfreudiger, verinnerlich-ter. In der Galerie Hilger sind seine neuesten Exponate zu sehen: Papierverletzungen, Auf-schabungen, Aufkratzungen von Oberflächen, sehr fein, sehr differenziert gearbeitet. Als Attraktion: Ein Album aus Großvaters Zeiten mit neuen „Inhalten“. Statt feierlicher Masken: zerrüttete, von Krankheiten zerstörte Menschen. Spiegel des
(Konzerthaus, Wien). Helmut Qualtinger, aggressiv wie immer. Im Kleinen Saal am Heumarkt liest er neue Texte. Sein Witz ist feiner geworden, unterschwelliger. Wo früher der rhetorische Holzhammer krachte, zischeln und beißen jetzt die Sätze.Man lacht, lacht über sich selbst und glaubt, über andere zu lachen. Oder über den Schauspieler da draußen auf der Bühne. Da gibt es den „Rot-Weiß-Rot-Bürger“, den Österreicher mit seiner Vergangenheit, die er immer noch verdrängt. Man lacht darüber, erkennt den anderen darin. Analysiert mit Qualtinger mit. Bis einem das Lachen vergeht.Denn
Wenn Helmut Heißenbüttel Märchen nacherzählt, darf man sich auf sprachliche Abenteuergeschichten gefaßt machen. Auf Wiortriesen und Satzfeen, auf Gedankenzauberer und Märchenstrichpunkte. Denn Heißenbüttel fabuliert statt mit Geschichten und Vorfällen mit sprachlichen Konstruktionen. Und er kann das.„Eichendorffs Untergang und andere Märchen“: das sind bitterböse Fabeln, mit beißender, ätzender Ironie geschrieben. Die Märchen von heute: Das sind Geschichten über Schriftsteller, die nicht mehr wissen, worüber sie schreiben, das sind feine Satiren auf Philosophen, die nur von
Jean Amery ist tot. Er hat „Hand an sich gelegt“. Vor wenigen Monaten habe ich ihn noch gesehen. Gesprächig, fast fahrig nervös. Er hatte gerade sein neues Buch fertiggeschrieben.Sein Gesicht war noch zerfurchter gewesen. Falten, die sich tief in die Haut fraßen. „Das Gesicht einer Spinne“ hat er einmal gesagt. Die Augen sind fast verschwunden in den riesigen Höhlen, diese unsteten, unruhigen Augen.Mit dem Tod hat er sich ein Leben lang beschäftigt. Auch theoretisch. In dem Buch „Hand an sich legen. Ein Diskurs über den Freitod“ hat er über Selbstmord geschrieben. Es war das
Die Mayröcker: Sie ist vielleicht die letzte Poetin, die letzte Dichterin. Sie kann Worte und Sätze leben und atmen. In jedem Gedanken, in jeder Zeile schwingt Sinnlichkeit mit, ein Moment von Körperlichkeit. Da wird Sprache zu Gestalt„Heiligenanstalt“ heißt ihr neues Buch: Eine Sammlung von Briefen und fingierten Gesprächen mit Musikern. Mit Schumann, mit Chopin, mit Schubert und mit Brahms. Vertraute Gespräche wie die einer verlassenen Geliebten, die vieles kennt, die wehmütig weiß, wovon sie spricht.Die Mayröcker hat die Biographien und Daten „ihrer“ Musiker genau studiert
Die Emanzipationswelle ist auch am ORF nicht spurlos vorübergegangen. Frauen geraten zusehends in den Blickpunkt: Nicht nur als Programmansagerinnen undNachrichtensprecherinnen. Man hat ihr kreatives Potential entdeckt, wie es so schön heißt. In den Presseaussendungen des ORF wird in letzter Zeit auffallend häufig darauf hingewiesen, daß Frauen als Regisseure tätig sind, daß Filmdrehbücher von Frauen geschrieben wurden, daß Ideen zu neuen Sendereihen von Frauen kommen. Auch in den Abteilungen selbst „tut sich was“, wie es eine Mitarbeiterin formulierte, die seit kurzer Zeit auch
„Uber Stifter kann man schwer reden. Man muß ihn lesen.“ Jutta Schütting sagt das sehr bestimmt, fast hart. „Ich habe mich auch erst für Stifter interessiet, als ich aus der Schule war. Da liegt so viel Sexuelles, Verschichtetes drinnen, das Stifter selbst nur geahnt hat, das er gar nicht auszusprechen gewagt hat.“ Sie las beim Stifter-Symposium in Linz einiges über Adalbert Stifter.Wir haben uns in ihrer Wohnung getroffen, im 19. Bezirk. „Es ist die erste, in der ich ganz allein lebe. Und ich brauche das. Ich kann nicht mehr Rücksicht nehmen auf die anderen. Ich muß einen Raum
„Ich habe immer wieder beobachtet, daß das wirkliche Volk immer weiter vom Lesen der Bücher abkommt, weil es ja selbst viel besser erzählen kann als alle Bücher.“ Diesen seinen Satz hat der bayrische Dichter Oskar Maria Graf zwar selber nicht sehr ernst genommen (sonst hätte er vielleicht aufgehört zu schreiben und sich aufs Zuhören verlegt), aber er hat dem Volk „auf das Maul geschaut“.Im Wiener Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts gibt es seit kurzem eine Dokumentationsausstellung über Oskar Maria Graf. Eigentlich seltsam für ein Museum moderner Kunst, daß es auf einen
Die Kulturpolitik in der DDR ist in letzter Zeit viel subtiler geworden. Affären ä la Biermann und Rainer Kunze haben selbst die hartnäckigsten und verstocktesten Genossen zum Umdenken gezwungen. Nach außen hin zumindest. Bücher werden nicht verboten. Im Gegenteil, man druckt Auszüge sogar in literarischen Zeitschriften ab. Die Öffentlichkeit jedoch erfährt nur wenig. Die Auflagen sind gering, die attraktiven Schaufensterplätze werden systemkonformen Publikationen reserviert. Eine scheinbare Ruhe und Freiheit ist eingekehrt.
Am 13. September wird Corrado Alunni, Führer der berüchtigten „Roten Brigaden“ und Hauptbeteiligter an der Entführung des christlich-demokratischen Parteipräsidenten Aldo Moro, von der italienischen Polizei verhaftet. Zwei Tage später wird auch seine Kumpanin Marina Zoni gestellt.Zur selben Zeit explodiert in Italien eine innenpolitische Bombe, deren Sprengkraft noch gar nicht abzusehen ist. Die Mailänder Tageszeitung „Cor-riere della Sera“ veröffentlicht am 14. September einen Brief Moros aus seinem „Volksgefängnis“ an seinen Sekretär und Ratgeber Ancora. In diesem Brief
Der Münchner Heyne-Verlag hatte lange Zeit an dem Image zu leiden, ein MultiVertrieb für Dreigroschenromane und Science-fiction-stories zu sein. Diesen nicht gerade schmeichelhaften Ruf will man - seit Jahren schon - loswerden. Mit Erfolg und guten Reihen über Geschichte und Kulturgeschichte. Jetzt ist man auch in die Dichtung eingestiegen. Vor einem Jahr war es die Reihe „Das besondere Buch“, in der kulinarische Leckerbissen und besonders exklusive Beispiele moderner Literatur in schön aufgemachten Bänden zu günstigem Preis angeboten werden.Als neuesten Clou bieten die Münchner
Der Residenz-Verlag hat sein Herbstprogramm, vorgestellt -schöne Einbände, wunderbar aufgemachte Bücher; eine optische Augenweide. Mit den altbekannten Autoren: Ein neuer Roman der unermüdlich produzierenden Jutta Schütting (!rAm Morgen vor der Reise“), der neue Rosei („Von Hier nach Dort“), der zweite Roman von Ernst Novak („Das Versteck“). Das neue Buch von Wolfgruber („Niemandsland“) soll zeitgerecht zur Eröffnung der Frankfurter Buchwoche herauskommen.
Eine Woche lang war der Ort Kirchberg am Wechsel Nabel der philosophischen Welt. Eine ganze Schar von prominenten Wissenschaftlern hatte sich getroffen, um über einen Denker zu diskutieren, der bei uns jahrzehntelang beharrlich vergessen und ignoriert worden war. Man zitierte höchstens zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen einen Satz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen“ - der Abschlußsatz aus Wittgensteins erstem Buch, dem „Tractatus logicus-philosophicus“.Seit einiger Zeit versucht man, Versäumtes nachzuholen, den „verlorenen Sohn“ wenigstens
Kunstzeitschriften setzen sich vor allem im deutschen Raum nur unter großen Schwierigkeiten durch. Anders als in romanischen Ländern scheint bei und das Interesse an „Bildlichem“ nicht so groß zu sein. Umso bemerkenswerter ist eine deutsche Zeitschrift, das „Kunstmagazin“, die sich nun schon seit 18 Jahren behauptet. Und das mit Erfolg. Hier sind namhafte Kunsthistoriker und Journalisten am Werk, wird das rechte Verhältnis zwischen Bild und Text gefunden, erschöpft man sich nicht in langen Ausstellungskritiken, sondern stellt immer wieder Künstler vor, läßt sie selbst zu Wort
Der große Literaturwissenschafter Heinz Politzer hat Robert Musil einmal als „den größten unbekannten Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts“ bezeichnet. Eine Formulierung, die wie kaum ein anderer Satz über den österreichischen Romancier zutrifft, seine Bedeutung und Situation als Autor trifft. Eine Formulierung, die auch symptomatisch ist für die Haltung einer Literaturkritik, die Auseinandersetzungen scheute, die auf der Suche nach dem Neuesten die Qualität über sah und überging.
Linien, konzentrische Kreise, ineinander verschachtelte Striche, Ringe, mathematisch genau geordnete, sich wiederholende Bildelemente, Spiralen, ver- schichtete, scheinbar plastische Objekte, Farben, die metallisch kalt, abstoßend wirken - Computergraphik. Das sind Bilder - auch gegenständliche -, die faszinieren, trotz der Distanz, die sie vermitteln. Schöne Bilder, scheinbar zufällig entstanden und doch exakt. Kunst aus dem Computer. Kunst nach einem vorgegebenen Programm, das man in eine Maschine füttert, das dann als Graphik oder auch als plastisches Objekt aufscheint. Auf einem Bildschirm, einem Zeichenblatt. Graphik auf Abruf sozusagen, die in unbegrenzt hoher Auflage erscheinen kann.
Als die Bachmann im Oktober 1973 an einer schweren Verbrennung starb, wunderte man sich gar nicht so sehr. Als habe man es von ihr erwartet, als habe sie nur die Konsequenzen gezogen aus ihrem Werk. Undine war gegangen. Tod durch Leiden, durch den Schmerz aus sich selbst. Denn die Leidende, die Märtyrerin war Ingeborg Bachmann immer gewesen, die moderne Inkarnation des „poetą dolens“.
Der Petrarca-Preis hat so etwas wie ein exotisches Flair unter den deutschen Literaturpreisen. Ein „sinnlicher“ Nobelpreis, der mit einem Poetenausflug nach Italien verbunden ist, der Heimat des flammenden italienischen Lyrikers Petrarca (heuer war es die toscanische Stadt Siena), mit sogenanntem gemütlichen Beisammensein der Göttlichen.
Angekündigt als Großausstellung, als „Sensation“, entpuppte sich die Frans-Masereel-Schau im Wiener Künstlerhaus - zumindest von der Quantität und vom Format der Holzschnitte her - als herbe Enttäuschung. Man mußte sich in Wien sogar in letzter Minute nach Leihgaben umsehen, um die Schau einigermaßen präsentabel zu gestalten.
Mit zwei Ausgrabungen von vergessenen und kaum gespielten Schnitzlereinaktern - „Die Frau mit dem Dolche“ und „Literatur“ —demonstrierten die Komödianten, wie man Theatergeschichte aufarbeiten kann, wie man schlechte Stücke aufbereiten kann, ohne daß es auf Kosten der Inszenierung geht. Man fand wieder einmal bestätigt, daß geniale Theaterautoren nicht einfach entstehen, sondern an sich arbeiten, daß selbst ein Schnitzler Jugendsünden verbrochen hat.
Was Theaterleute schon seit langem versucht haben, scheinen Wiens Galeristen und Museumsdirektoren nun nachzuvoll-ziehen: Die Wiederentdeckung und Neubewertung der verschwiegenen und vergessenen Vergangenheit. Die Hölzel-Re-trospektive in der Galerie nächst St. Stephan war ein erster Schrittu Otto Rudolf Schatz im Wiener Künstlerhaus schließt nahtlos ah. Von der Kunstgeschichte und. von Museen vergessene Maler erleben eine Renaissance.
Die Tagung der UNO-Universität (UNU) in der Wiener Hofburg hätte eine Art Selbstrepräsentation sein sollen, der Versuch einer relativ unbekannten Einrichtung, mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit zu dringen. Ein Versuch, der leider fehlgeschlagen ist. Man tagte unter Ausschluß der Öffentlichkeit, die österreichischen Medien zeigten spürbares Desinteresse. So tagte man halt und sprach miteinander über Programme und Probleme, die man der Öffentlichkeit näher bringen wollte.Die UNU ist eine „autonome Institution im Rahmen der Vereinten Nationen, die von der Generalversammlung
„Die Heute-Gesellschaft der Leute in der Bundesrepublik Deutschland bildet keine Nation, besitzt kein Geistesleben, kein spirituelles Leben, keine Kultur - sie besitzt keine politische Hygiene, keine geistige Hygiene, sie lebt taktlos und kontaktlos ein ungepflegtes, rauhes, rohes, rüdes Eintagsleben.“ Ein schwerer Angriff, eine Zerstörung, die der österreichische Kulturphilosoph Friedrich Heer in seinem Buch „Warum gibt es kein Geistesleben in Deutschland?“ unternimmt.
Ein Jubiläumsgeschenk gewissermaßen hat sich und uns die österreichische Nationalbibliothek mit der Ausstellung „Französische Gotik und Renaissance in Meisterwerken der Buchmalerei“ gemacht. Man feiert sich in den Prunksälen der Hofburg - und das zu Recht.
Sogenannte Großausstellungen enttäuschen meistens. Man erwartet neue Erkenntnisse, neue Erlebnisse, Überraschungen und findet sich dann meistens nicht mehr zurecht im Gestrüpp der Objekte und gescheiten Hinweise. Daß dem nicht immer so sein muß, beweist die Schau „Gotik in der Steiermark“ im Benediktiner stift St. Lambrecht.Die romanische Kirche des zu Ende des elften Jahrhunderts von den Eppensteinern gestifteten Klosters, von der noch Mauersubstanz in den Westtürmen und der Nordwand erhalten blieb, stürzte Ende 1327 ein und wurde als irreparabel erachtet, so daß man bald ihre
Daß eine Neuinterpretation der „Libussa“ von Grillparzer gerade aus Deutschland kommt, wo dieses Stück laut Programmheft seit 1945, laut Festwochen-Information seit 100 Jahren nie mehr gespielt wurde, mag noch als exotischer Modernismus gelten. Daß aber ein neuer, überraschend origineller Weg gezeigt wird, Grillparzer zeitgemäß zu inszenieren, darf als Sensation gewertet werden. Die „Libussa“ in der Inszenierung von Hansgünther Heyme (Staatstheater Köln) überzeugt, regt an, fasziniert stellenweise.
„Der Florentinerhut“ von Eugene Labiche und Marc Michel ist eines der Dutzendstücke, die Labiche und Co. aus dem Handgelenk verfertigten. Auf den ersten Blick eine banale Fabel, die Lustigkeit verspricht und auch hält, die unterhält, Spannung und Tempo garantiert.Daß Labiche mehr war als ein Boulevardist, weiß man nicht erst seit gestern. Labiche attackierte die Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts, deren falsche Moral, ihr Selbstverständnis. Schon Ionesco hat Labiche als einen seiner Vorgänger bezeichnet, hat dessen Wortwitz als Anfang einer Sprachkritik gedeutet. Und es gibt auch
„Geschichten aus dem Wiener Wald“ im Burgtheater, auf Italienisch - ein Autor, den man für unübersetzbar hielt, der aber in Italien wie kaum ein anderer Österreicher geschätzt wird. Eine neue, internationale Horväthre-zeption scheint sich anzubahnen.Horväths Sprachmelodie kann man in einer anderen Sprache kaum nachempfinden oder wiedergeben, die semantischen Zwischentöne müssen verflachen, untergehen. Man muß die Aussagen anders vermitteln, in der Bewegung, im Duktus, in der Bühnenkonzeption. Wie es das Teatro Stabile di Trieste versucht hat - mit Erfolg.Man spielt einen leisen,
Modern Art Galerie (1., KöUnerhof-gasse 6, bis 20. Juni): Hildegard Joos kommt aus der Op-art und versucht sich nun in konstruktivistischen Kompositionen. Auf großflächigen Bildern steht sie einfache geometri-' sehe Strukturen dar, klare Linien, Ma-krokonstrukte. Das Ganze wirkt ein wenig gewoUt, ein wenig oberflächlich, hat auf den Betrachter aber durchaus seinen Reiz.Galerie am Graben (Graben 3, bis 24. Juni): Bruno Martinazzi ist der derzeit renommierteste Schmuckhersteller in Italien. Am Graben steht er Skulpturen aus, Torsi, wie Finger, Arme, Münder. Zeichen von reduzierten,
Getreu dem Festwochenthema hat das Raimundtheater ein Stück von Kaiman ausgegraben und aufgema-scherlt. „Der Teufelsreiter“ - eine Story, die mit den Ereignissen des Vormärz genausoviel zu tun hat wie Waldmüller mit der Revolution. Es kommen zwar der Fürst Metternich samt Tochter und die Kaiserin Maria Anna vor, aber das ist auch schon alles. Der Teufelsreiter ist ein Feschak, der durch seine Liebesaffäre den Hof durcheinanderbringt und Metternich an den Rand der Verzweiflung bringt.„Der Teufelsreiter“ ist ein langweiliges, primitives Stück, schon vom Textbuch her. In der
El Campesino ist das Theater der „Chicanos“, einer mexikanischen Minderheit im Süden der Vereinigten Staaten. Diese Chicanos sind Landarbeiter, die in der Hoffnung aufbessere Lebensverhältnisse nach Amerika emigriert sind. Fremdarbeiter ohne rechtlichen Status, die meisten haben keine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Rechtlose, die man ausnützen, ausbeuten kann, die man abstoßen kann wie eine Ware, wenn man neue, unverbrauchte Arbeitskräfte zur Hand hat.„Teatro El Campesino“ - das ist totales Theater, Körpertheater, Theater, das mit wenigen Mitteln eine neue Sinnlichkeit auf
Es kommt immer wieder vor, daß gute Bücher, von der Kritik unbeachtet, vom Verlag publizistisch nicht genug betreut, von der graphischen Aufmachung her ungeschickt gestaltet, unbemerkt untergehen, obwohl sie mehr Beachtung und mehr Leser verdienten - weil sie eben gut sind.
Kärntner Kunst seit 1910 - man durfte sich unter diesem Motto in der Wiener Secession etwas erwarten, wichtige Bilder, ein Wiedersehen mit großen Namen, vielleicht auch eine Dokumentation, die mehr ist als bloße Repräsentation, die neue Bezüge vermittelt, Entwicklungen verdeutlicht. Doch nichts von alledem findet man dort.„Der geistige Austausch zwischen Wien und Kärnten hat auf dem Gebiet der Bildenden Künste eine lange Tradition“, schreibt Landeshauptmann Wagner im Vorwort des Katalogs. Von dieser Tradition ist nichts zu spüren, nicht einmal im schlechtesten Sinn des Wortes.
Heribert Sasse hat uns vor kurzem mit seinem Horväth-Abend in der Courage begeistert. Im „Pchenz“ von Terz bei Gratzer outriert er, streckt sich, springt in einem Satz auf einen hohen Kasten, begießt sich mit Wasser und erzählt in verkrampfter Lustigkeit und überspitzter Verklemmung ein Erlebnis mit einer Frau. Das Publikum lacht, Sasse scheint zufrieden. Springt vom Kasten. Eine symptomatische Szene für seinen One-man-Abend im Schauspielhaus.Gespielt wird „Pchenz“ von Abram Terz; die Selbstreflexion, die psychische Kindheitsreise eines Buckligen, der aus der Realität flüchten
Friedrich Hacker hat den Ruf eines Faktotums, eines Tausendsassas, der immer dann hilfreich einspringt, wenn irgendwo der Hut brennt, wenn es terroristische Aktionen gibt. .Aggressionsprofessor“ nennt man ihn, was freilich nicht nur hohes Lob bedeutetNun, Friedrich Hacker, wie viele österreichische Psychoanalytiker in den USA hochgeschätzt, hat sich selbst in dieses Dilemma gestoßen. Einerseits gilt er als der massenmedienfreundliche Psychoonkel, andererseits will er der wissenschaftlich arbeitende Analytiker sein. Ein schizoides Dasein. Und man bemerkt die Spuren solcher Dualität auch
Galerie nächst St. Stephan (1., Grünangergasse 1, bis 27. Mai): Gewissermaßen als Ergänzung und Erläuterung zur Performance Week in Wien wird Vito Acconci präsentiert, der führende italienische Performer. In dieser Ausstellung treffen einander die Interessen eines ölmultis (Mobü Oil) und des Künstlers. Der Konzern hat - das ist durchaus lobenswert - die Ausstellung gesponsert, Acconci seine Objekte auf die Räumlichkeiten der Galerie zugeschnitten. Tische ragen aus den Fenstern der Galerie hinaus, sollen den Raum sprengen, das räumliche und sinnliche Bewußtsein des Rezipienten
Literatur und Kunst in Kärnten - ein Thema, das paradoxerweise zwingt, über die Grenzen dieses Landes hinauszugehen, die Kärntner Literatur im Ausland aufzuspüren und dann ihre Spuren zurückzuverfolgen. Die „modernen Klassiker“, die in Kärnten geboren wurden, haben ihr Heimatland verlassen, sie wollten „allem, was ich mir nicht vorstellen konnte, auf die Spur kommen“, wie es Handke stellvertretend für andere im Buch „Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms“ fomulierte. Ist Kärnten also nur ein Nährboden für Talente, die sich bald nach bessern Gründen umsehen?„In diese
Ein schmaler Küstenstreifen, Felsen, dahinter, in einem Nebelschleier verborgen, schemenhaft ein Schiff. „Nebel“ hat Caspar David Friedrich dieses Bild genannt und damit ein Symbol der Romantik geschaffen, die Dialektik zwischen Realität und Traum visualisiert.Man beginnt sich wieder zu interessieren für eine Epoche, die man lange Zeit kritisch und mit Unbehagen betrachtet hat. Die österreichische Galerie hat - getreu dem Motto der Festwochen — zwei Vertreter dieser Kunstrichtung miteinander konfrontiert. Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich. Leihgaben aus der Hamburger
Die Trilogie des Thomas Bernhard ist - vorderhand - beendet. Nach „Keller“ und „Ursache“ kam nun der letzte Band, „Der Atem“, heraus. Kurze Titel also, prägnant, leicht faßbar, ganz im Gegensatz zu den sich mühsam dahin-schleppenden 158 Seiten des vorhegenden Buches. Eine ermüdende Angelegenheit.Thomas Bernhard, der Großleider, der professionelle Kranke unter den zeitgenössischen österreichischen Innerlichkeitsliteraten. Ein Rivale Peter Handkes, seines Zeichens zweiter Großmeister des Leidens. Nur, Thomas Bernhard bewegt sich in einer anderen Kategorie. Sein Leiden ist
Galerie Spectrum (1., Mahlerstraße 1, bis Ende Mai): Pater Carer, bekannt als treuer Verfechter eines rigiden Photorealismus, scheint sich weiterentwickelt zu haben, scheint aus der schon erstarrenden naturalistischen Darstellung ausgefressener Kleinbürger herausgekommen zu sein. Die neuen Pastellzeichnungen sind weniger klischiert, weniger aufdringlich, dafür subtiler, vielfältiger und damit auch treffender. Die kleinen, fast unbemerkten Schäden des Konsumbürgers, die Scheinsinnlichkeit, die Scheinausgelassenheit - all diese Momente sind viel stärker ausgeprägt, sind einfach präsent.
„Performance-Art“ in Wien spielt sich etwa so ab: Die Jung-filmerin Valie Export bewegt sich, durch Bleibänder eingeschnürt und beengt, mühsam auf einem rutschigen, dreckigen Boden durch den Raum. Sie verrenkt sich, bäumt sich auf, fällt zurück, richtet sich wieder auf. Sinn der Aktion und deren vordergründige Symbolik: Die „eingeengte Situation“ der Künstlerin im herrschenden Kunstbetrieb. Sind wir in einem neuen Expressionismus, einer Kunst der aufgesetzten, vordergründigen Symbolsprache, oder spielt sich hier gänzlich Neues ab? Nichts davon stimmt.
Galerie Hilger (1. Dorotheergasse 2, bis 10. Mai): Friedrich Meckseper aus Bremen, Schüler von Hoffmann, zählt zu den renommiertesten Graphikern Deutschlands. In Wien zeigt er seine neuesten Radierungen, konstruktivistische Portraits, streng linear komponiert, klassisch streng im Aufbau. Die Bilder wirken sehr ruhig; eine Qualität, die moderner Graphik leider schon verlorengegangen ist.Galerie Zentrum (1. Haarhof 1, bis Anfang Mai): Die „naive“ Welle ist immer noch da. Hier aber unverfälscht und zurecht. Josef Schlotter, ein siebzigjähriger steirischer Bauer, stellt seine
„Der Architekt versucht den Geist der Ordnung und den Sinn für Zusammenhänge in seinen Planungen zu verwirklichen. Die Durchbildung der Form ist keine Schöpfung des Geistes allein.“ Programmatische Worte für eine Architektur der Realisierbarkeit, für eine radikal pragmatische Architektur.Realisierbarkeit war immer Maxime für Karl Schwanzer, einen der bedeutendsten österreichischen Architekten der letzten Dezennien. Das Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts widmete ihm, seinem Erbauer, knapp drei Jahre nach dessen Tod, eine Retrospektive. Schwanzer war einer, der an die Tradition
Mit einem neuen, schon von der Quantität reichhaltigen Programm, stellt sich der im Vorjahr gegründete Rhombus-Verlag wieder der Öffentlichkeit vor. Die Produktion ist auf neun Bände erweitert worden, die Ansprüche, „erstklassige • Literatur“ zu machen, sind geblieben. Man wartet schon gespannt auf die erste Lektüre der neuen Rhombus-Autoren.Man hat dem jungen Verlag schon zum Zeitpunkt seiner Entstehung ein baldiges Ende prophezeit. Nun, die Todesvorhersage hat sich nicht erfüllt, der Rhombus-Verlag lebt allen Unkenrufen zum Trotz immer noch - und nicht schlecht, wie es scheint.
Der Erstlingsroman der jungen Schweizerin Claudia Storz erregte Aufsehen bei der Literaturkritik. Zu Recht. „Jessica mit Konstruktionsfehlern“ ist die Biographie eines Leidens, mehr noch, ein Roman, der auch hohen künstlerischen Maßstäben gerecht wird, ein Stück guter Literatur.„Jetzt weiß ich, was Jessica heißt: Yes, I can“, steht an irgendeiner Stelle im Roman, scheinbar belanglos hingeschrieben, ein unbedeutender Nebensatz. Und doch könnte er als Motto über dem Ganzen stehen. Dabei hat sie ihren Namen immer gehaßt, weil er so fremd klang, weil er sie isolierte von den
Eine wahre Fundgrube für psychoanalytisch geschulte Kunstinteressierte ist die Edvard-Munch-Retrospektive, die im Grazer Künstlerhaus eröffnet worden ist. Die größte Munch-Schau, die je in Osterreich zu sehen war, und das in der sogenannten Provinz Graz. Wien schaut zu.
„Jetzt habe ich keinen anderen Ausweg mehr als Veronal - der Tod ist etwas Sauberes. Er wäscht alle Lügen auf.“ - Das waren die letzten Sätze der jungen österreichischen Lyrikerin Hertha Kräftner, geschrieben am 6. November 1951. Ein paar Tage später war sie tot. Heute, fast dreißig Jahre später, liegt noch einmal ihr Gesamtwerk vor, nachdem sich vor einem Jahrzehnt niemand dafür interessierte.Man hatte Hertha Kräftner vergessen, inmitten eines immer härter sich gestaltenden Buchgeschäfts verdrängt, sie wortwörtlich „bei den Toten gelassen“. Bis sich einige bekannte
Gustave Flaubert, der große französische Romancier, das Vorbild einiger Dichtergenerationen, hat den französischen Philosophen und Schriftsteller Jean Paul Sartre immer schon fasziniert. Flaubert war für Sartre eine Art „idealer Schriftsteller“, Modell für eine literaturtheoretische Untersuchung, die mehr sein sollte als bloße Faktensammlung. In seinem Alterswerk „Der Idiot der Familie“ macht er ihn zum exemplarischen Fall. Zwei Bände der deutschen Übersetzung liegen vor, der dritte und letzte erschien soeben (Besprechung folgt).
Heribert Sasse ist ein intellektueller Schauspieler, einer, der Texte analysiert, nach Bedeutungen und versteckten Strukturen sucht, der jede übertriebene und damit falsche Emotion ausschaltet. Er rezitiert verhalten, kühl - eine Art Antipathos. Im Theater der Courage las er Lyrik von Brecht und Prosa von Horvath - Thema: Kinder unserer Zeit. Es sind vorwiegend Texte aus den dreißiger Jahren, polemische, selten gehörte Texte, die den nahenden Faschismus angriffen, die drohende „braune Gefahr“, die Horvath wie kaum ein anderer in seinen Stücken vorausgesehen hat.Sasse zeigte auch die
Das Sandoz-Forschungsinstitut in Liesing bei Wien tritt schon seit geraumer Zeit - von der Öffentlichkeit kaum beachtet - als Kunstmäzen hervor. Jedes Jahr wird ein Preis - abwechselnd einem bildenden Künstler, einem Literaten und einem Musiker - verliehen. Nun hat man die kulturellen Aktivitäten verstärkt, insteressanterweise von Seiten der Mitarbeiter des Institutes. Keine von oben vorgesetzte Afctiui-tät also. Die Betriebsangehörigen schlagen einem Komitee ihre Wünsche, Anregungen, Ideen vor, über die dann abgestimmt wird. So hat man jetzt auf Wunsch von einigen Angestellten den
Ein schwarzer Kinderwagen, mit Sand gefüllt, im Wiener Künstlerhaus. Kerzen und winzige Kreuze in den Sand gesteckt; Christus fällt vom Himmel, eine Blutspur nach sich ziehend - ein roter Komet; ein Meer von wehenden Fahnen, wie bei großen katholischen Prozessionen. Auf den ersten Blick wirken die Objekte und Collagen des polnischen Objektemachers Wladyslaw Hasior wie blanker Hohn.
In Linz macht seit einiger Zeit ein junger, engagierter Verlag von sich reden: Die Edition Neue Texte. Namhafte Autoren wie Gerhard Rühm, Elfriede Czurda oder Reinhard Prießnitz bilden das Lektorat und bürgen für literarische Qualität. Die Edition Neue Texte ist ein „nichtprofitabler Verlag“; es geht also nicht um kommerziellen Erfolg, sondern um die Förderung von jungen Autoren, die bei anderen Verlagen kaum Publikationsmöglichkeiten vorfinden. Einer dieser jungen Autoren ist der Salzburger Bodo Hell, der bisher vor allem als Hörspielautor hervorgetreten ist
Alfred Adler, Schüler und später größter Widersacher Sigmund Freuds, der Begründer der Individual-psychologie, war zu Lebzeiten umstritten, angefeindet, von der Wissenschaft kaum beachtet. Ein Abtrünniger, der anscheinend nichts Wesentliches zu sagen hatte. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden seine Lehre und seine therapeutische Praxis in den Vereinigten Staaten wieder aufgegriffen, was symptomatisch für die radikal pragmatische und theoriefeindliche Haltung der Amerikaner ist.Adlers Neurosenkonzeption geht vom Moment der Kompensation aus, vom Moment der Macht. Neurosen, seelische
Um die Problematik des Spitzensportes geht es in Walther Kauers Roman „Abseitsfalle“. Es. ist die Geschichte eines berühmten Fußballprofis, der sich nach einer tristen, armseligen Jugend emporgearbeitet hat und zum Star einer hochbezahlten Fußballmannschaft wird. Hand in Hand damit vollzieht sich auch sein sozialer Aufstieg, er heiratet eine verwöhnte Frau aus besseren Kreisen, leistet sich jeden erdenklichen Luxus. Psychisch kann er seinen Aufstieg nie verkraften, er leidet an seiner Rolle, an seinem Status. Er wird älter, seine Leistungen nehmen ab, und mit einem Schlag wird ihm
Ganz gegen die momentan vorherrschende „Irinerlichkeitsliteratur“, wie Jörg Drews die gegenwärtige deutsche Literaturszene treffend charakterisiert, scheint Jürg Läderachs Ro-'man „Im Verlauf einer langen Erinnerung“ konzipiert zu sein. Läderach knüpft rein formal an die Sprachexperimente der sechziger Jahre an, ohne sie jedoch zu imitieren. Er stellt sie in Frage, mißtraut der Sprache, den klassischen Erzählstrukturen, der herkömmlichen Form des Fabulierens.Läderach möchte eingefahrene Schemata aufreißen. So hegt seinem Roman auch ein ausgeklügelter Aufbau zugrunde, er
Die amerikanische Negerliteratur war bis vor wenigen Jahren noch ein eher unterentwickeltes Genre. Bis auf die große Ausnahmeerscheinung James Baldwin konnten sich schwarze Autoren auf dem internationalen Buchmarkt kaum durchsetzen. Die mangelnde literarische Aktivität spiegelte nur die sozialen Verhältnisse der Neger wider. Sie befanden und befinden sich im Ghetto, konnten kaum zu einer sozialen Identität finden, auch zu keiner spezifischen Sprache. Einzig in der Musik konnten sie ihre Kreativität entfalten. Der Roman „Night Song“ von John A. Williams scheint nun Ausgangspunkt einer literarischen Tradition der Negerliteratur zu werden.
Einer der engagierten ostdeutschen Autoren ist Martin Stade, dessen Roman „Der König und sein Narr” in der DDR fast unterdrückt worden wäre, jedenfalls wurde er aus den Schaufenstern der Buchläden verbannt. Dabei handelt es sich um einen historischen Roman, von brennender Aktualität allerdings. Denn hinter der zeitlichen Distanz werden Strukturen und Machtmechanismen der heutigen DDR aufgedeckt.Stade beherrscht perfekt das Verfahren, die Wahrheit indirekt zu sagen und damit die Zensur zu unterlaufen - freilich eine offenbar etwas toleranter gewordene Zensur.Der Autor hält sich
Fast unbeachtet von der deutschen Literaturkritik und inmitten des lautstark inszenierten Rummels um den „Butt“ von Günter Grass ist ein Buch auf den Markt gekommen, das mehr Anteilnahme und Interesse verdient hätte! „Der dreißigjährige Friede“ des engagierten Autors Peter O. Chotje- witz. Schade, denn gerade dieser Roman leistet einen Beitrag zur Geschichte des Nachkriegsdeutschland, an dem man nicht so einfach vorbeilesen sollte.
„Die großen Wörter” ist der dritte und voraussichtlich letzte Teil der Lebens- und Entwicklungsgeschichte des jungen Holl, Innerhofers Romangestalt, eines illegitimen Bauernsohnes, der aus der engen, stumpfen Atmosphäre seines Heimatdorfes ausbricht und ein anderes, freieres Leben in der Stadt beginnen will. Schon die beiden ersten Romane, „Schöne Tage” und „Schattenseite”, haben bei Kritik und Publikum äußerst positive Aufnahme gefunden.
Es drückt, „Das Gewicht der Welt”, es bedrückt den Dichter Peter Handke, es belastet ihn auf der Flucht in den Elfenbeinturm, stört seine beschauliche Traurigkeit. Der Außenwelt kann der Autor nicht entgehen, er kann vielleicht über sie schreiben, er kann ein „Journal verfassen”. Das Gewicht der Welt kann er nicht abschütteln, mit keinem noch so gewichtigen Buch.
Nach einer Zeit des Schweigens - wie es sich für einen großen Autor geziemt - ist Günter Grass mit einem neuen Epos an die Öffentlichkeit getreten. Mit Erfolg, denn schon wurden über 150.000 Exemplare des „Butt“ verkauft. Die Kritiker waren - bis auf wenige Ausnahmen - voll des Lobes. Zuviel Respekt vor dem Autor?
Der Buchmarkt wird mit Erzeugnissen überschwemmt, die Trivialität und Banalität unter dem Deckmantel gesellschaftskritischer Ansprüche verkaufen, Niveau vorspiegeln, wo keines ist, und leider eine Menge von Lesern finden. Man darf sie keinesfalls mit den meisterhaft geschriebenen und dabei spannenden und unterhaltenden Werken ebenfalls meist angelsächsischer Autoren verwechseln, die, beispielsweise, aus dem Agentenroman eine anspruchsvolle literarische Gattung gemacht haben, etwa LeCarrė oder Ambier. Schulbeispiel für den Reißer im negativen Sinne, der vorspiegelt, was er nicht ist, verspricht, was er nicht hält: „Dollarfiesta” von Fletcher Knebel.
Die vielen Gesichter des Peter Rosei - unter diesen Titel könnte man die beiden Bände „Der Fluß der Gedanken durch den Kopf* und „Wer war Edgar Allan?“ zusammenfassen. Auf den ersten Blick haben die beiden Bücher nichts gemein - außer dem Verfasser; erst bei genauerem Lesen entdeckt man Parallelen und Grundtendenzen, die auf eine dominierende Problematik hinweisen.
Das bedeutendste kulturelle Ereignis des Jahres 1977 in Deutschland, so bejubelten einstimmig die deutschen Medien die 15. Kunstausstellung des Europarates in Berlin. Thema: Die Tendenzen der zwanziger Jahre. Die Verantwortlichen haben einen interessanten Aspekt gewählt - sowohl aus geschichtlicher wie aus kunsthistorischer Sicht.Gerade in den zwanziger Jahren - nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und später, zur Zeit der Weltwirtschaftskrisen - wurde das Selbstverständnis der Kunst radikal erschüttert und zerstört. Nach den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen mußte auch die
„Die Jagd nach Dr. U. oder Ein einsamer Spiegel, in dem sich der Tag reflektiert” - so lautet der umständliche Titel des neuesten Buches von H. C. Artmann. - Eine typische Artmann-Produktion, wie sie kaum ein anderer zustandebrächte. H. C. Artmann war immer schon ein literarischer Außenseiter und Einzelgänger, der sich nie modischen Tendenzen verschrieb, sich nie einordnen ließ in - mehr oder weniger - fragwürdige Kategorien. Er ist unbeirrbar seinen eigenen stilistischen Weg gegangen, und das zu Recht, wie auch der jüngste Band beweist.
Gert F. Jonke, erst kiirzlich mit dem neugeschaffenen Inge-borg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, ist mit seinem jiingsten Buch „Schule der Geläufigkeit” - eine subtile Anspielung auf das bekannte Klavierwerk gleichen Namens von Carl Czerny - endgültig aus dem Schatten seines vielgerühmten Lands-mannes Peter Handke heraustreten. In beiden Erzählungen hat Jonke zu einem eigenen, unverwechselbaren Stil gefun-den, der ihn als einen der wichtigen österreichischen Autoren der letzten Jahre ausweist.