Die FURCHE hat im Prinzip positiv auf den TV-Film „Das Dorf an der Grenze“ reagiert. Aber das Thema ist vielschichtig genug, auch andere Meinungen zu vertragen. Hier ist eine.
Der Goethe-Preis der Stadt Frankfurt wurde für dieses Jahr dem französischen Soziologen Raymond Aron verliehen. Er hat ihn wohl verdient. Sein jüngstes Buch trägt den Titel „Plaidoyer pour l'Europe decaden-te“. Mit ihm hat Aron den falschen Mythos von der Überlegenheit und Fortschrittlichkeit kommunistischer Wirtschafts- und Staatspolitik zu Fall gebracht.Ich wüßte dem Frankfurter Kuratorium einen Anwärter für den nächsten Goethe-Preis, und zwar auf dem Gebiet der Literatur. Es ist der 78jäh-rige Österreicher Otto Bäsil, ein echter homme des lettres, wie es ihrer heute nur
Ich war wegen eines alten Magenleidens im Spital: nur auf zehn Tage, zur Uberprüfung und Probebehandlung. Ich war einige Tage dort, als eines Vormittags ein neuer Patient eintraf, der die Aufmerksamkeit aller im Saale erregte. Er war ein Riese von einem Mann, ein wandelnder Turm. Das Bett, das ihm die Saalschwester zugewiesen und in das er ich hineingelegt hatte, war zu kurz für ihn, seine Füße ragten weit durch das Gitterende heraus.Niemand jedoch lachte oder lächelte darüber, so gern das die Insassen eines Spitalsaals bei solchem Anlaß zu tun bereit sind; dieser Mann sah nicht so aus,
Ist es wirklich so, daß jeglicher weitere wirtschaftliche und soziale Fortschritt von dieser speziellen Energiequelle und dem mit ihr derzeit noch verbundenen fürchterlichsten Risiko abhängt?Die sozusagen anstrengungslose Konzentration auf die Fündigmachung und Ausbeutung einer einzelnen Energie- oder sonstigen Quelle von Reichtum kann sich höchst gefährlichfür die wirtschaftliche und soziale Gesamtentwicklung eines Staates auswirken, wenn hierdurch die übrigen geistigen und materiellen Ressourcen so wenig gefordert werden, daß sie zurückbleiben und stagnieren.Derlei geschah in
ICH gestehe jedem Menschen die Sorge um sein personelles Wohl zu — sei es sein physisches oder seelisches. Wo dieses Bestreben jedoch die nicht unwichtige Frage, ob es die Menschen geben soll oder nicht, in die Nähe der negativen Beantwortung rückt, ziehe ich einen Strich. Es hört sich sehr liberal und human an, jeder Frau das „Recht auf ihren Bauch“ einzuräumen. Wenn man jedoch daraus ein Ge-setz macht, dann gibt man allen den Weg zur Abtreibung frei. Nun hatten wir bereits im vergangenen Jahr — allein schon durch die Pille — einen nicht so erfolglosen kollektiven
Die Führung der französischen Kommunisten hat schon am Vorabend ihres jüngsten Parteitages erklärt, daß der Leitsatz von der „Diktatur des Proletariats“ den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen und politischen Notwendigkeiten nicht mehr entspreche und sie daher nicht mehr anstrebbar sei. Getreu dem — wie in allen kommunistischen Parteien, so auch in der französischen — herrschenden „demokratisch-zentralistischen“ Orga-nisationsprirtzip wurde auf dem Parteitag das also vorgeschlagene Leitthema in verschiedenen Variationen abgehandelt und — wie denn auch anders? -^-bestätigt.
Über den vielen unerfreulichen Geschehnissen, die uns die Stadt- und Weltchronik von heute, die Medien, zutragen, neigen deren Redakteure dazu, uns auch Angenehmes so zu servieren, daß uns wenig bewußt wird, daß wir uns über es freuen dürfen. So über Spanien in den letzten Tagen und Wochen.
Ihr seid zu jeder Zerstörung bereit, reißt nieder, damit Neues entstehe;Ihr seid damit wohl auf der Höhe der Zeit, doch ist drum die Zeit auf der Höhe?Grillpa-.-zer.Seit einigen Monaten wieder im Lande schlägt mir, wie aus einer faulig-abgestandenen Pfütze das entgegen, was — je nach Neigung — manche meiner Bekannten versöhnlich-resigniert die „Zeichen der Zeit“ und andere (viel wenigere) nur bös „die Unterwanderung“ nennen. Ich bezeichne es vorläufig als „linke Masche“. Das widerspricht nicht der Einschätzung der anderen. Ich empfinde es als Masche, weil es durchwegs
Was kann man schon auf 55 Maschinschreibzeilen über das österreichiscKe Fernsehen sagen? Da SSO nicht ausreichen würden, diesem wichtigsten Kunst- und Informationsmittel unserer Zeit gerecht zu werden? Ausstellungen und Konzerte kann man meiden, nicht das TV, das da ist: Brücke zur Außen- und Mitwelt, Bühne von all derer Äußerungen, Ventil alter ihrer Impulse. Daher auch nirgends so viel ästhetischer Dilettantismus, Zersplitterung von Einfällen, ideologische Verwirrung. Was isfs? Jahrmarkt der Eitelkeiten, Werkstatt für allerlei politische Falschmünzer? Wem und was immer da Raum
Doktor Kreisky hat unlängst gesagt, daß er sich frei von Ressentiments gegen ehemalige Nazis fühle; schließlich habe sich seine Partei auch 1945 nicht durch Ressentiments von der Zusammenarbeit mit der ÖVP abhalten lassen.Derlei Großzügigkeit ehrt den Doktor Kreisky — ihn ganz besonders. Ob’s ihm auch alle Ehemaligen danken werden? Festgestellt sei aber, daß der ganze Vergleich hinkt. Die moralische Grundlage der Koalition von 1945 war die gemeinsame Leiderfahrung der Sieger und Besiegten von 1945 als Opfer des Naziterrors zwischen 1938 und 1945. Welche gemeinsame moralische
Wie sehr die zivilisierte Welt durch die verhältnismäßig kurze — bloß zwölf Jahre dauernde — Herrschaft des barbarischsten politischen System der Neuzeit, des Nationalsozialismus, zurückgeworfen worden ist, erweist sich heute, 26 Jahre nach seinem Sturz, in Österreich noch immer auf vielen Gebieten unseres Lebens. So auch auf dem der Erziehung. Wertvolle Ansätze, Fortschritte, Denkweisen und Methoden in der Päd- agogik wurden durch jenes Regime abgeschafft und durch eine Erziehung ersetzt, die an das Schlechteste im Menschen appellierte.
Einiges von der jetzt gegen Israel bestehenden Stimmung in manchen europäischen Regierungskanzleien und auch im amerikanischen State Department wurde bereits vor vier Jahren, kurz vor Beginn des Sechstagekrieges, von Präsident de Gaulle ausgedrückt. Als damals Nasser mit der Absperrung der Meeresstraße von Tiran und dem Aufmarsch der ägyptischen Armee in Sinai einen Würgegriff um Israels Kehle legte, sagte de Gaulle zu den Israelis: „Ihr dürft nicht schießen. Ihr müßt warten, bis man es euch gestattet!“ Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Israelis diesen Rat befolgt
Obiger Titel ist der Untertitel zu einem neuen Buch von Simon Wiesenthal: „Die Sonnenblume”. Daß Wiesenthal einiges über menschliche Schuld auszusagen imstande ist, werden ihm sogar jene zugestehen, die ihm just wegen der Tätigkeit gram sind, aus welcher er solchen Kompetenzanspruch im Laufe der letzten 24 Jahre bezogen hat. Im vorliegenden Buch setzt er sich nun auf Grund eines eigenen Erlebnisses mit dem Motiv von Vergebung auseinander. Das Erlebnis bestand darin, daß von ihm — in seiner ärgsten Zeit, als er gefangen und als Zwangsarbeiter in Polen, täglich, ja stündlich mit
Um zu verstehen, warum von den elf wegen versuchter Flugzeugentführung Angeklagten im Leningrader Prozeß zwei unsprünglich zum Tode und alle zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sind, muß man sehr weit zuriick-
Heinrich Drimmel hat in der „Furche“ (Nr, 43, vom 24. Oktober 1970) darauf hingewiesen, daß die von Nenning und anderen betriebene Kampagne für die Abschaffung des Bundesheeres nur als Etappenziel einer Aktion anzusehen ist, die viel mehr bezweckt: nämlich den totalen revolutionären Umsturz in Österreich. So lächerlich übertrieben sich das auf den ersten Anblick liest, so wahr erweist es sich, wenn man gewisse andere, in Nennings Zeitschrift „Neues Forum“ in letzter Zeit hervortretende „Schwerpunkte“ analysiert — Einer davon ist schlicht und einfach Pornographie. Nun hat es Nenning wieder geschafft, sich zum Märtyrer zu machen, den das Establishment verfolgt — das „Neue Forum“ wurde verkaufsbeschränkt. Würde es nicht unbeweisbar sein, könnte man annehmen, Nenning habe die Maßnahme gegen seine Zeitung selbst betrieben. Er wird es — wir können das heute schon garantieren — wieder schaffen, vom Fernsehen interviewt zu werden, er wird wieder in gewissen Zeitungen Schlagzeilen machen.
Gamal Abdel Nasser ist tot. Mit ihm ist eine Epoche des arabischen Nationalismus zu Ende gegangen — wie die neue aussieht, kann niemand sagen. Die Welt — auch die westliche — hält dem toten Rais lobenden Nachruf. Denn das Leben Gamal Abdel Nassers hat den Beweis dafür erbracht, daß die Menschheit bereit ist, nach Worten — und nicht nach Taten zu urteilen. Es genügt, einen Nationalsozialismus „Sozialismus“ zu nennen, um der Unterstützung fast aller Fropagandaapparate dieser Erde sicher zu sein. Auf den Wortfluten der Massenmedien thronend, kann man von Mißerfolg zu Mißerfolg schreiten und wird dennoch als säkulare Erscheinung in die Geschichte eingehen.
Die auf rund zehntausend angewachsenen Sowjetischen Militärs in Ägypten werden — wie man erfährt — mit khakifarbenen Sonnenschirmen ausgestattet, um der afrikanischen Sonne besser standzuhalten. Vor wenigen Jahrzehnten noch wurde der britische Tropenhelm von den Arabern als Symbol der Fremdherrschaft angesehen. Die Briten sind die Araber losgeworden, dafür sind nun die Bussen dort. Anders als die Briten—welche den Arabern immerhin auch durch eigenen Einsatz dazu verhalfen, die türkische Oberherrschaft loszuwerden und eigene Staaten zu gründen — begann die sowjetische Durchdringung Arabiens erst nach dem — faktisch durch den Widerstand der palästinensischen Juden gegen die Briten erreichten — Abzug der letzteren aus dem Nahen Osten. Die Russen stützten sich dabei,auf die historische Unreife der jungen arabischen Nationalstaaten, die sich in innerer Labilität und gegenseitiger Eifersucht und Hader ausdrückte, die, wie sich zeigte, nur durch, die Phantasmagorie der Gefährdung durch den winzigen neuen Judenstaat und des Kampfes gegen diesen überbrückt werden konnten. Die Bussen bestärkten die Araber in dieser Obsession, verhießen Unterstützung durch eine in solchem Ausmaße seit dem Weltkrieg ungekannte Versorgung mit Kriegsmaterial im Werte von nicht weniger als 650 Milliarden Schilling (für Ägypten allein etwa 48 Milliarden Schilling) von etwa 1954 bis 1970.
Wir vier Sprecher und der Vorsitzende saßen oben auf dem Podium. Der Saal war bereits gesteckt voll, und noch immer versuchten Leute hineinzugelangen. Junge und alte Gesichter, offene und verschlossene, blickten erwartungsvoll zu uns herauf. In der zweiten Reihe ein jüngerer Mann, kein schlechtes Gesicht, das dennoch haßerfüllt auf meine jüdische Physiognomie gerichtet war. Da war er wieder, der böse alte Haß, so wohlvertraut von Kindheit her! Gegen den dort unten hatte ich bereits verloren, was immer ich an diesem Abend sagen würde. Da war auch schon das alte Gefühl von Vergeblichkeit
Das 18. und 19, Jahrhundert und das erste Drittel des 20. haben der Weit eine janhaltende und immer allgemeiner sich auswirkende Relativierung zunächst des religiösen Erbes und danach auch jener philosophischen Werte gebracht, die es unternommen hatten, an seine Stelle zu treten. Vollends versuchte zuletzt der Marxismus — insbesondere jener Leninscher Ausprägung — jederlei Wertigkeit zu relativieren, was ihm schließlich gär nicht gut bekam. Lenin konnte sich noch auf die Glaubwürdigkeit stützen, die seinem aus dem Zusammenbruch des Zarenreiches im besonderen und aus der Krise der bürgerlichen Gesellschaft im allgemeinen geborenen großen sozial-revolutionären Vorhaben eingeräumt wurde. Seine Nachfahren haben es schwerer. Sie stützen sich zwar auf eine organisatorisch, sozial und ökonomisch ziemlich kompakte und stabile Staatlichkeit, ideologisch jedoch auf eine Lehre, die die längste Zeit schon ein schweres Rückzugsgefecht führt: sich selbst von der Relativierung aller philosophischen Wertigkeit auszuschließen und zu schützen. Philosophisch ist der kommunistische Staat daher so stabil wie eine Pyramide, die auf ihrer Spitze steht. Sie ■— die Spitze —, die alle weitere Relativierung mit sämtlichen Mitteln realer Macht kontrolliert und der sie am ausschließlichsten zugute kommt, kann gleichwohl so einige Zeit auskommen, wenn auch nicht auf die Dauer.
Wenn Araber und Israelis einander im Nahen Osten bekriegen, dann ist das sicherlich sehr beklagenswert, letzten Endes aber doch ihre Sache. Wenn die Israelis dabei bisher besser weggekommen sind, obwohl sie nur 2,5 Millionen Menschen gegen SO Millionen Araber stellen, dann ist das zwar betrüblich für die Araber und sollte ihnen vielleicht auch zu denken geben, aber noch immer ihre Angelegenheit Wenn aber die Araber aus alldem den Schluß ziehen, die Israelis nicht mehr im Nahen Osten, sondern durch Mordanschläge im internationalen Zivilflugverkehr zu bekämpfen, dann ist das bereits die Sache der ganzen zivilisierten Welt. Und zwar gleichgültig, ob damit nur israelische Fluggäste und -besatzungen ums Leben kommen oder bedroht werden oder auch solche anderer Nationen.
Insgesamt 72 Produktionen plant das Fernsehen in seinem Musikprogramm für das Jahr 1970. Nur15 davon sind echtes Fernsehen, das heißt, es wird wirklich etwas dabei zu sehen sein. Unter den übrigen 52 sind zahlreiche Opern- und Operettenaufzeichnungen, deren Wiedergabe durchs Fernsehen erfahrungsgemäß diskutabel ist und eben schlichtweg Konzerte. Ich bedauere seit eh und je, daß Konzerte bei uns in hellbeleuchteten Sälen und nicht im Dunkeln gegeben werden. Ein Konzert ist zum Anhören da, nicht zum Anschauen. Auch die Exertionen des Dirigenten gehen tatsächlich nur die Musiker etwas
Unter dem Titel „Wie sag ich es meinem Kinde?“, pardon, „dem jungen Wähler?“, lief das mit Spannung erwartete Dreiergespräch der drei Parteivorsitzenden mit den ersteren. Wiewohl die drei eingangs beteuerten, keine Wahlreden halten zu wollen, lief es denn doch wohl nur darauf hinaus, wenigstens bei Klaus und Kreisky. Peter hatte nicht einmal so viel zu sagen, sondern erging sich in Messerscharfe, was noch weniger beeindruckte. Es gibt, erwies sich auch bei dieser Gelegenheit, eine Berufsblindheit der Politiker: sie reden zu viel von Politik, das heißt, nur von den Vorgängen auf dem
Ein FemsehspieH wird heute in Österreich von gut 1,5 Millionen Menschen angesehen. Kein Theater (zumindest hierzulande) kann bei noch so vielen En-suite-Auf- führungen eine solche Besucherzahl für ein Stück erhoffen. Man sollte also meinen, daß in Hinblick auf so weite Verbreitung eine besonders hohe Verantwortlichkeit in bezug auf die Qualität der Stücke herrschen müßte. Das Gegenteil ist — wenigstens im Vergleich zu den Bühnenstük- ken — der Fall: an die letzteren werden weit höhere Ansprüche gestellt. Die Rundfunkdirektoren sehen die Sache anders. Für sie ist ein
Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt in einem Artikel über das Schweizerische Fernsehen, es falle dort auf, daß immer wieder die gleichen Gesichter als politische Kommentatoren und auch sonst auftauchen. Und zwar entstammen sie fast alle dem gleichen Kreis: der Redaktion der Zeitung „Weltwoche". Dies, so vermutet die „NZZ“, weil die Maßgebenden im Schweizerischen Rundfunk die „Weltwoche“ als besonders „unabhängig“ ansehen — „was immer das in bezug auf ihre Verleger bedeuten möge“. Nun, bei uns ist es nicht ganz so arg; der österreichische Rundfunk rekrutiert seine
Wie einstens für den Kropf — der glücklicherweise durch das Jodsalz gebannt wurde — scheinen Alpenrepubliken für den Virus der Humorlosigkeit anfällig zu sein. „Schon lang nicht so wenig gelacht“ könnte — inmitten von Konjunktur und Wohlstand — unser Motto heute heißen. Die Schweizer erhalten eine Art von Jodsalzinfusionen durch von Zeit zu Zeit überraschend auftauchende Kabarettisten. So lernten wir auch unlängst in einem viel zu kurzen Fernsehprogramm einen Mann namens Hohler (Vorname nicht genannt) kennen. Er macht sich die musikalische Begleitung selber — auf einer
„Was Lenin wirklich sagte“ ist unwichtig, wie aus der von Franz Marek und Ernst Fischer besorgten Auswahl von Stellen aus seinen Reden, Artikeln und Büchern ziemlich klar hervorgeht. Nichts von dem Gesagten oder Geschriebenen, das nicht — oft nach wenigen Tagen — von ihm selbst widersprochen worden wäre. Daher sind die Vorwürfe, die Revisionisten und Orthodoxe einander machen, die anderen zitierten ihn „falsch“, völlig unangebracht. Lenin selbst ist es nie darauf angekommen, bleibend Richtiges auszusagen. Wenn man ihn als Theoretiker ansehen will, so war er einer des jeweils gegebenen politischen Augenblicks, der ihm immer nur diente, um Macht zu erringen oder zu bewahren und auszuüben.
In jener längstvergangenen Zeit, in der es noch das jüdische „Städtl“ in den osteuropäischen Ländern gegeben hat, lebte in einem solchen ein Mann, der niemals sprach, obwohl er physisch durchaus dazu imstande war. Ein Fremder, dem der Mann aufgefallen war, erkundigte sich, was denn mit jenem los sei. Man erzählte es ihm: Der „Schweiger“ hatte einmal im Zorn einem anderen Mann den Tod gewünscht,und dieser war noch in der Nacht darauf gestorben. Daraufhin ordnete der Rabbi des Städtls an: „Einer, dem so furchtbare Macht durch bloße Rede gegeben ist, darf sich ihrer niemals
Die sonst übliche Mittelmäßigkeit und Langeweile deutscher Fernsehspiele wurde unterbrochen durch „Kad di sch nach einem Lebende “. Frei lieh verliehen das israelische Milieu und die Teilnahme mehrerer jüdischer Darsteller dem Spiel ein besonderes Kolorit. Angesichts des heiklen KZ-Themas befleißigte sich der Regisseur einer gewissen dokumentarischen (aber nichtsdestoweniger dramatischen) Trok- kenheit und Sparsamkeit, wie sie den deutschen Produktionen sonst nicht eigen ist. Die Problematik der Herstellung und Aufführung eines solchen Stücks in Deutschland und Österreich besteht
… entsteht, wenn an Paperbacks geschulte Viertelintellektuelle ein Universum an Themen tagtäglich in irgend einer Form an ein noch weniger geschultes Publikum verabreichen. Im Fernsehen. Zum Beispiel beim 3 0. Todestag Sigmund Freuds. Zwei Teile, einer in Österreich, einer in England von der BBC hergestellt. Der erstere brachte außer viel zu theoretischen Erklärungen einiger braver Fachleute eine sehr oberflächliche und lückenhafte Darstellung dessen, was man sich hier als „Hintergrund” vorstellte. Nichts von der Tiefe des Konflikts, in dem sich Freud mit seiner Lehre hierzulande
Anläßlich der jüngsten Berichte über die Ungelesenheit von Literatur in Österreich fühlte sich das Fernsehen verpflichtet, etwas für sie zu unternehmen. In einer hastigen und daher nicht gerade repräsentativen Auswahl wurden schreibende Leute über sich, ihre Arbeiten und Meinungen im allgemeinen befragt. Was dabei zustande kam, war nicht gerade geeignet, den Appetit der Nichtleser zu wecken. Was durchaus nicht so sein muß. Bücher und Reden darüber können ebenso gut schmek- ken wie frischgebackenes Brot. Es hängt eben davon ab, wen und was und woraus man aussucht und was man
Welche Gefahren es mit sich bringen kann, wenn das Fernsehen sich in die Gestaltung von Politik einmischt, darauf wurde in dieser Rubrik bereits anläßlich der Diskussion über die Sendungen aus dem Parlament hingewiesen. Vergangene Woche wurde diese Gefährlichkeit vor den Augen des Fernsehpublikums geradezu am Objekt demonstriert. Es ist hier die Rede von dem ORF-Interview, das zwischen den drei wichtig sten Männern unserer Regierung und dem Leiter der Nachrichtenabteilung des Rundfunks und seinen zwei Gehilfen stattfand. Was hier geschah, war eine richtige „tour de force”, mit der
Der Brandstifter Losoncy ist ein Psychopath, und der Australier Roher, der die El-Aksa-Moschee anzündete, ist von religiösem Wahn besessen. Wie weit sind sie in ihrem maßlosen Haß, ihrem Herostratentum, ihrer geistigen Verwirrtheit von der 19jährigen arabischen Hilfslehrerin entfernt, die bereit war, das Verkehrsflugzeug Rom—Tel Aviv mit 120 Passagieren in die Luft zu sprengen? So finden sich auch in dem veröffentlichten Brief des vermutlich ehemaligen Pfeilkreuzlers Losoncy Ausdrücke wie „kapitalistische Verbrecher, hochmütige Unterdrücker, entartete Satelliten der
Früher hat man es Reklame genannt. Geworben haben damals hauptsächlich nur Männer um Frauen. Wie nennt man das eigentlich heute? Es ist jedoch nicht unsymptomatisch, daß die terminologische Veränderung in die Ära des Aufstiegs so radikal unmittelbar auf die Menschen einwirkender „Be“werbung wie eben durch das Fernsehen fällt. Wann haben Plakat und Inserat so stark auf uns einwirken können wie das Fernsehbild? Ich brauche nur ein paar Spiegeleier (womöglich gar noch in Farbe) in einer chromglitzernden Bratpfanne auf dem Femsehschirm brutzeln zu sehen, und schon packt mich die Gier,
Fernsehen und Hörfunk folgen der Presse in einer Tradition so unerfreulich, daß es lohnt, ihre Notwendigkeit in Frage zu stellen: die Hervorhebung und Häufung unerquicklicher Geschehnisse, wie Krieg, Katastrophen, Unfälle, Gewalttaten und dergleichen. Ich vermute, daß die Gewohnheit der Gazetten, davon zu berichten, aus Zeiten stammt, die weitaus ruhiger als die unseren waren. Es wurde somit wahrscheinlich einem echten Bedürfnis entsprochen, die Menschen darauf zu verweisen, daß wir denn doch nicht in der besten aller Welten lebten. Dessen sind wir jedoch unterdessen mehr als gewahr
Ich beneide den Doktor Giese um die jugendliche Begeisterung, mit der er die von Arthur Kö stier vorgeschlagene Dfeision zwischen unserem emotionellen Urhirn und unserem rationalen Neuhirn a) als gegeben, b) als wissenschaftlich akzeptiert. Als uns unsere schönen hippizaner, in voller Lebensfreude durch die Landschaft galoppierend, als Illustration für die böse Wirksamkeit des Vrhirns gezeigt wurden, wußte man gleich, warum das Ganze nicht stimmen kann: Man nehme der Ratio den emotionellen Antrieb (bei dem Gut und Böse immerdar untrennbar vermischt sind) und sie wird nie vom Platz
Zu diesem Thema sammeln sich im Laufe einer Saison so viele Anmerkungen im Notizheft eines Rezensenten, daß erst die Hundstage Gelegenheit bieten, diese Überreste vom reichen, aber so gemischten Tisch des Fernsehens abzuladen.Zu alten Kinofilmen Kinofilme müssen häufig für die viel kürzeren Vorführungszeiten des Fernsehens gekürzt werden. Die Kürzungen sind oft so kraß und skurril, daß die albernsten Westerner so etwas wie surrealistische Qualitäten erhalten. Der naivere Teil des Publikums weiß zwar nicht, was da nicht stimmt, spürt aber, daß irgend etwas nicht in Ordnung ist.
Der Jammer mit Berufsschauspie-lern ist, daß sie zu schön sind, z u markante Charakterköpfe haben, zu richtig und pointiert sprechen. Am meisten spürt man das, wenn sie in Dokumentar-stücken, wie dem Fernsehspiel „Der Tod des Engelbert Dollfuß“, Leute spielen, die es wirklich gegeben hat und die wir selbst noch auf die eine oder andere Weise gekannt haben. Welcher Mensch, sei er sogar ein Politiker, ist imstande, sich nie zu versprechen, immer gleich und mit einem Satz auszusprechen, was er meint, und so auszusehen, wie es seiner politischen und weltanschaulichen Haltung entspricht!
Ich schreibe die vorliegenden Zeilen, während mein Blick sich immer wieder zum Fernsehschirm erhebt, auf dem Neil Armstrong und Edwin AI drin auf dem Mond zu sehen sind. Ich sehe sie in nahezu dem gleichen Augenblick (einmal trifft dieses Wort ganz zu), in dem die beiden Männer dort droben herumgehen und ihre Arbeiten verrichten. Ich sehe es, obwohl der Weg, auf dem mir das Geschehen zugetragen wird, dreimal so weit ist wie die Entfernung Erde— Weltraum: vom Mond zur Erde nach Houston, Texas; von dort in den Weltraum zurück, wo es von dem umherkreisenden Nachrichtensatelliten aufgefangen
Eine Andeutung, wie sich die Kleinkunst (und so ganz nebenbei auch das Volkslied) durch das Fernsehen erneuern könnte, erhielt man vorige Woche durch das Auftreten des Pianisten-Komponisten Gulda und des Liedersängers Golowin in Bronners „Großer Glocke“. Hier wurden Ansätze zu moderner Volkstümlichkeit und Volkskunst spürbar. Wieder einmal wurde man gewahr, daß es dabei im Grunde „ganz einfach“ nur um genügend Fleiß, Willen und Können geht, die Menschen der eigenen Zeit nachzuschaffen und sich nicht faul auf soziologische Beschreibungen von Verhältnissen zu beschränken.
Die Kritiker haben dem ORF heftige Vorwürfe wegen der Sendung über „ö 3“ gemacht. Mich hat die Sendung eher erheitert. Ich faßte sie weniger als Selbstreklame des ORF denn als Selbstparodie auf. So ob des immer wieder gebieterisch ausgestreckten Zeigefingers der Techniker gegen bedeutungsvoll Platten auflegende Discjockeys. So als der Programmleiter wichtig verkündete, daß das Programm in Wirklichkeit dem Zwecke diene, unterschwellig zur Kultur zu verführen. Sie haben's jetzt alle dort mit derUnterschwelligkeit... Mit seiner in der Tat dick aufgetragenen Selbstreklame schadet sich
Die großen Ereignisse im Fernsehen sind — derzeit wenigstens — nicht die künstlerischen Produktionen, sondern die Wiedergaben realer Begebenheiten. So erwies sich die mit so viel Reklame angesagte „totale“ Show „Romeo und Julia 1970“ nur insofern als total, als hier die Glanzlichter einer sehr adoleszenten Erlebniswelt, der sehr partielle Traum eines Lesers des letzten Jahrganges einer Jugendst^lillu-strierten Gestalt annahm.1 Eine Welt, die in Frankie Sinatra und Jerry Lewis ihre philosophischen Mentoren erblickt, kann denn doch wohl nicht (bei aller Liebe zu den beiden
Nächste Woche soll im Nationalrat über einen Gesetzesantrag abgestimmt werden, der eine seltsame Geschichte hat — auf ihre Weise eine Strähne in der Geschichte der Zweiten Republik. Der Titel des beabsichtigten Gesetzes lautet: Bundesgesetz vom ... über die Anrechnung von Ruhestandszeiten und über die Gewährung von Zulagen an Bundesbeamte (Zwischenzeitengesetz).
Ich mag es nicht, wenn in Diskussionen einer einen großen Zirkusakt vollführt, dieweil die übrigen Teilnehmer ihm den Reifen halten müssen. So geschehen vn der Übertragung einer Debatte zwischen dem ORF-Generalintendanten und Mitgliedern des BSA Burgenland. Dennoch sprach eines der letzteren ein großesWort gelassen aus: „Ist die ■ Nütz lieh keit der 'iiachridh- ■ , tenüheranitilung.. des ixittevitigmr Rundfunks um soviel größer als unter dem vorigen Regime? Die Aufmachung und Inszene mag uns leicht dazu verführen, es zu glauben. Was verbleibt jedoch, wenn wir sie
Die Auslandsübertragungen der Festspielveranstaltungen in diesem Sommer sind gesichert. Der Konflikt zwischen Rundfunkleitung und der die Musiker und Chöre vertretenden Gewerkschaft für Kunst und freie Berufe wurde beigelegt. Es geschah, wie wir mit Freude feststellen dürfen, im Sinne der in unserer Spalte am 17. 5. „Musik d fond perdu“ vorgeschlagenen Lösung: die handesregierungen von Wien, Salzburg und Vorarlberg haben zusammengesteuert, um die Differenz auszugleichen, welche zwischen dem von der Gewerkschaft verlangten, Betrag und dem Limit besteht, über weiches die
„Ich will's gar net wissen“, sagte die Frau, als ihre Freundin sie fragte, ob sie denn nicht das verschlossene Kuvert mit dem Befund des Facharztes „aufdämpfen“ wolle. „Ich will's gar net wissen“, sagte sie, „wenn's gut ist, dann ist's sowieso gut, und wenn's schlecht ist, werde ich's nicht damit ändern können, daß ich es weiß.“ Dieser Haltung zufolge, dürften alle Fernseh-Serien, in denen dem Publikum die — oft nur zu grauslichen — Tatsachen der Medizin und insbesondere der Chirurgie nahegebracht werden sollen (wie jetzt mit der Reihe über die heutige Wiener
Bei ihrem Aufenthalt in Salzburg sagte Königin Elizabeth von dieser Stadt, daß sie für die Briten identisch mit Musik sei. Daß dem so ist — und nicht nur in Großbritannien, sondern auch in vielen anderen Ländern —, dazu haben sicherlich die Rundfunkübertragungen österreichischer Festspiele in die ganze Welt beigetragen. Diese Übertragungen, die von Salzburg, die der jetzt knapp bevorstehenden Wiener Festwochen, der Bregenzer Veranstaltungen auf der Seebühne und die des „Grazer Herbstes“, können — so erklärt die Leitung des österreichischen Rundfunks — per sofort nicht
Eine Frage hängt in der Luft. Ihre Beantwortung durch ÖVP und SPD wird ziemlich dringend erwartet: Sind die beiden Parteien ■—jede für sich — willens oder nicht willens, eine Koalition mit der FPÖ nach den nächsten Nationalratswahlen einzugehen? Vorweg sei gesagt: Keiner der jüngsten lokalen oder regionalen Erfolge der FPÖ, ja nicht einmal ein solcher bei den Nationalratswahlen braucht einen Einfluß auf die Art der Beantwortung dieser Frage zu haben. Den beiden Großen ist hiedurch kein Zwang zu einem Zusammengehen mit der FPÖ auferlegt, solange sie auf andere Weisfe eine funktionierende Regierung bilden wollen.
Mindestens ebenso wichtig wie immer neue und gute Einfälle, sind für Gedeih und Erfolg einer satirischen Sendereihe ein fester, gleichbleibender Rahmen, welcher die Hervorbringung von Einfällen ermöglicht und provoziert. Ein Musterbeispiel hierfür bietet der „W atschenman n“, mit dem der Hörfunk einen weiten Vorsprung gegenüber dem Fernsehen und allen dessen bisherigen kabarettistischen Unternehmungen besitzt. Nicht daß sich Watschenmannschaft dieses so glücklich gefundenen, sicherlich aber auch erarbeiteten festen Rahmens genügen ließe, der natürlich auch die Gefahr der
Psychiater weisen darauf hin, daß neuerdings eine Zunahme von Sadismus in den menschlichen Beziehungen und Verhaltensweisen festgestellt werden könne. Lustgewinn durch Grausamkeit gegen physisch oder sozial Schwächere datiert selbstverständlich nicht von heute und ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Neu ist jedoch die Art, mit der Sadismus heute wie jede andere sexuelle Abseitigkeit — von Sigmund Freud als den Menschen eigene Notsymptome festgestellt — als Gegenstand künstlerischer Darstellung kultiviert wird. So hat es auch im österreichischen Fernsehen in der jüngsten
Der Leser wird bei diesem Titel anfänglich feststellen, daß er nichts Neues aussagt: was könnte häuslicher sein als das Patschenkino? Dem ist jedoch nicht ganz so. Der Fernseher kann derzeit nichts anderes machen als die Programme zu empfangen, die von der Fernsehgesellschaft produziert und ihm zu von ihr bestimmten Zeiten serviert werden. Er kann zwischen Erstem und Zweitem Programm wählen, wenn die beiden gleichzeitig gesendet werden —• was bekanntlich nicht immer geschieht —, und er kann auf den Empfang und damit auf die Nutzung eines adäquaten Teils der ihm abkassierten Gebühr
Dem Kalender nach haben wir bereits Frühling. Somit geht die im Fernsehprogramm wichtigste Saison zu Ende. Welche Sendungen dieses Winters werden uns in Erinnerung bleiben? Dazu gehört sicherlich die Mondfahrt der amerikanischen Astronauten zu Weihnachten. Das war jedoch ein zu exzeptionelles einzelnes Ereignis und ist nicht als reguläre Kategorie der Fernseharbeit wertbar. (Weniger als die Leistung der dabei mittuenden Kommentatoren verdient die der Übersetzer besonderes Lob.) Weit mehr als jede andere Art von Sendungen haben mich Nichtsportier jedoch die Übertragungen der verschiedenen
Zwischen der SPÖ und der Leitung des Rundfunks ist eine Polemik im Gange. Mehrere SP-Führer — darunter auch der Bürgermeister von Wien — erklären, daß ihre Partei in der Berichterstattung des Rundfunks derzeit zugunsten der ÖVP benachteiligt werde. Generalintendant Bacher benützte unlängst eine Fernsehsendung, um diese Behauptung verleumderisch zu nennen (was nicht sehr elegant war). Feststellen ließe sich der Sachverhalt nur durch viel Monitoring (lückenlose Aufnahme, Festhaltung und fein differenzierte statistische Auswertung) der Sendungen — ein Unternehmen, das enorm viel
Die Wiener Wahlen und die für den Nationalrat rücken näher und man kann annehmen, daß sie stärkeren Niederschlag im Fernsehen finden werden als zuvor. Die Meinungsforscher stellen fest, daß das Publikum nichts mehr von Wahlplakaten und Postwurfsendungen und den damit verbundenen Waschmittelreklamemethoden wissen will. Außerdem hat es schon immer die damit verbundenen Ausgaben übelgenommen („Dafür haben's a Geld'.“) und die Parteien werden selbst immer mehr dahin gedrängt, die Wahlpropaganda weniger mechanisch und auf echte Überzeugung einzurichten. Wählerversammlungen — in
Die Ostjuden haben in ihrem Jiddisch ein Wort für die seltsamen Geschmäcker der NichtJuden: Gojim Naches. Es gilt hier, da der deutschen Version dieses Stückes nicht sein perfekt ans Deutsche übersetzbarer Originaltitel „The Fiddler on the Roof“ — der Fiedler auf dem Dach — erhalten blieb. Statt dessen wurde der für den Sinn und Geist des Stückes durchaus belanglose Name des westrussischen Nestes gewählt, in welchem die Handlung abläuft. Denn dieser Fiedler auf dem Dach des Häuschens von Tewje, dem Milchmann, ist nicht nur dessen guter Geist, er ist der Genius des ganzen
„Was anderes ist's, Gesetze willig achten — Man kann die Welt auch bürgerlich betrachten“, sagt Christian Morgenstern. So geht's auch ■mit der ebenso diskutierten Frage der Übertragungen aus dem Parlament durch das Fernsehen. Wobei weder von den Politikern noch von den Rundfunkleuten das Wesentliche an der Sache bisher berührt wurde. Die bisher von den Parteien gestalteten Übertragungen sind in ihrer steifleinernen Offiziosität undis-kutierbar: darüber sind sich alle einig, außer vielleicht Dr. Pittermann, der sie grimmig verteidigt.Und dies vielleicht mit mehr Recht, als er
Der 21. August 1968 hat in Europa und darüber hinaus Auswirkungen hervorgerufen, die von ihren Urhebern kaum geahnt, sicherlich aber nicht beabsichtigt wurden. Eine dieser Auswirkungen war, daß in Osterreich der Landesverteidigung jetzt Mittel für eine Reihe lang ausständiger Maßnahmen zu ihrer Belebung und Verstärkung gegeben werden. (Siehe auch „Furche“ vom 15. Februar 1969: „Hartes Image für das Heer.“) Jeder, der weiß, an wie vielem und wo es hier fehlt, kann sich darüber nur freuen. Könnte sich freuen, wenn mit jenen Maßnahmen auch die ganze Malaise um die Landesverteidigung verschwinden würde, welche — meist indirekt — die Zueignung jener Mittel die ganzen Jahre über aufgehalten hat. Sicherlich ist der Anlaß — die durch den 21. August entstandene Lage — schwerwiegend genug, um viele Hemmnisse zu beseitigen. Wird, muß der Anlaß aber anhalten, um die tieferen Ursachen jener Hemmnisse zu pazi-fiziereri?
Dieser Tage wurde in der UNO wieder einmal beschlossen, eine Kommission zur Untersuchung der Lage der Araber in die von den Israelis nach dem Sechstagekrieg besetzten Gebiete zu entsenden. Die israelische Regierung hat dem unter einer Bedingung zugestimmt: daß zur gleichen Zeit auch die Lage der Juden in den arabischen Staaten von der UNO untersucht werde. Dieses Verlangen wurde von der UNO-Mehrheit und dem Generalsekretär V Thant abgelehnt; jedoch dem der Araber nach Inspektion in Israel wurde entsprochen. Begründung: Bei den von den Israelis besetzten Territorien handle es sich um
Von der Verletzung der Menschenrechte in Südtirol war letzthin in einer Sendung des Österreichischen Fernsehens die Rede. Leider geschah nur dieses. Das heißt, ein Sprecher sagte mit Worten, daß dem dort so sei, daß die italienische Polizei Südtiroler foltere oder gefoltert habe und daß diesen auch das Recht auf Selbstbestimmung vorenthalten werde. Nun haben, wenn ich mich nicht täusche, gerade unlängst dort Regionalwahlen stattgefunden, und auch sonst glaube ich mich zu erinnern, daß die italienische Staatsführung einige nicht unwesentliche Argumente gegen diese Vorwürfe äußert.
Was war er eigentlich — Schriftsteller oder Journalist, Kommunist oder Bohemien, Großrusse oder Jude oder Kosmopolit, Opponent und Aufwiegler der Jugend oder Konformist, Opportunist und getreuer Diener der Regierung? Er ist alles zusammen gewesen, manchmal zur gleichen Zeit und manchmal abwechselnd.Geboren 1891 in Kiew aus jüdisch-bürgerlicher Familiestand der junge Ehrenburg „selbstverständlich“ mit einer Gruppe der illegalen bolschewistischen Fraktion der russischen Sozialdemokratie in Verbindung. Ebenso selbstverständlich wurde er deshalb in der sechsten Klasse aus dem Gymnasium
In den sechs Tagen des Nahostkrieges, in denen sich — um mit dem Chefredakteur der „Weltwoche“ zu sprechen — wie im Märchen die Wahrheit auf dieser Erde behauptete, das Gute über das Böse, David über Goliath siegte, in jenen sechs Tagen wurden inmitten eines Meeres der Sympathie für Israel die ausgehöhlten und zerrissenen Felsriffe der kommunistischen Parteien umspült, die all das nicht wahrhaben wollten. Ihre Organe bemühten sich verzweifelt, die sowjetische Verteidigung des arabischen Vorgehens zu verteidigen. Die paranoiden Ausreden auf imperialistische Verschwörungen —
Ich weiß, daß Ihr in diesem Augenblick wahrscheinlich nur ein bitteres Hohnlächeln dafür habt, daß unsere Staatsmänner von direkten Verhandlungen und Verständigung sprechen. Jetzt als Besiegter mit dem Sieger zu verhandeln, könnte leicht als Sich-Ergeben und Sich-mit-der-Nie-derlage-Abflnden verstanden werden. Wir jedoch — und darauf kommt es doch wohl am meisten an — würden es jedoch nicht so verstehen. Wir wissen, daß wir nicht als Sieger vor Euch treten können, auch wenn wir militärisch gesiegt haben. Es geht in Wirklichkeit um viel mehr: es geht darum, wie wir und wie Ihr
Wir sterben heute, wie fast jeder nun mit Sorge weiß, vor allem an Krebs und an Herz- und Gefäßschäden, Vor 40, 50 Jahren war es noch die Tuberkulose. Nicht, daß es sie nicht auch heute noch gäbe — eine nicht geringe Zahl von Menschen auch in Österreich hat sie — oder hat sie gehabt, ohne es oft selber zu wissen. An die 10.000 Menschen in Österreich leiden sogar an offener oder jedenfalls ansteckender Tuberkulose. Nur — und das ist der Unterschied zwischen heute und früher — sie sterben nicht mehr daran, wenigstens nicht mehr so sicher und schnell wie früher.All dies enthält
Ich war damals in der Lehre bei einem Gärtner im Dorfe Komerau in der Nähe von Troppau in Mährisch-Schlesien. Der Gärtner war allerdings ein sehr nationalbewußter Tscheche und nannte — so wie der übrige tschechische Teil der Bevölkerung dort — unser Dorf Komarov und die Stadt Opava. Der Gärtner war ein überzeugter Hussit und lehrte mich Grabkränze anfertigen, auf denen der Hussitenkelch mit Blumen ausgesteckt war. Außerdem glaubte er an weiße Magie, Vegetarismus und Astrologie, in welch letzterer Eigenschaft er Horoskope auf Bestellung anfertigte.Allerheiligen war schon vorbei;
Seit einem Jahr wird im theoretischen Organ der KPÖ, „Weg und Ziel“, eine gar nicht sehr theoretische „Diskussion über Perspektiven“ geführt, die die Aufmerksamkeit aller an der Entwicklung des Kommunismus in Österreich irgendwie Interessierten verdient. An dieser Diskussion sind — das sei gleich gesagt — kaum irgendwelche theoretischen Erkenntnisse und Schlußfolgerungen bemerkenswert: es gibt derer keine. Solche anzustellen ist heute für jeden, der Kommunist zu bleiben wünscht, zu gefährlich; der durch die ganze Entwicklung im Kommunismus aufgelockerte programmatische
Regierung und Volk des Staates republik, zu stellen, denn an Öster- Israel haben an die deutsche reich, von dem bekannt ist, daß es Bundesrepublik appelliert, die am als Staat der Hitlerschen Aggression 8. Mai ablaufende Verjährungsfrist zum Opfer gefallen ist. Zum An- für die strafrechtliche Verfolgung Schluß Österreichs an Deutschland der vom nationalsozialistischen ist es durch einen Aggressionsakt Regime begangenen Verbrechen zu Deutschlands gekommen. Einerseits, verlängern. Der deutsche Bundes- Anderseits ist es durch den Ankanzler Dr. Erhard hat sich dafür Schluß zur
Der Staat Israel ist gegründet worden, weil nicht nur seine Bürger, sondern auch die Vereinten Nationen das so wollten. Am 29. November 1947 beschloß die UNO-Generalversammlung mit 33 gegen 13 Stimmen und zehn Stimmenthaltungen, daß das palästinensische Territorium — bis 1918 dem türkischen Reich zugehörig und nachher als Völkerbund-Mandat von den Briten verwaltet — dergestalt geteilt werde, daß die vorwiegend von jüdischen Siedlern bewohnten Gebiete den neuen Staat Israel bil den und die vor allem von Arabern bewohnten Teile des Landes den Vereinbarungen gemäß Ägypten
Die Sommerferien sind zu Ende und als eine der wichtigsten Angelegenheiten — wenn nicht die wichtigste der kommenden Nationalrats- sessdon — steht vor dem Land, auf Grund des sogenannten Regierungsberichtes über seine künftige Wehrpolitik zu beraten und zu beschließen. „Sogenannt“ ist der Bericht deshalb, weil er durchaus nicht eine beratene und beschlossene Auffassung der Regierung über unsere Verteidigungsjpolitik ausdrückt, sondern lediglich Tatsachen und gewisse Thesen vermittelt, die vom Ministerium für Landesverteidigung gesammelt und bereitgestellt worden sind. Die
Es ist erstaunlich, wie wenig die fundamentalsten Dinge bei uns als gegeben und allen gemeinsam angenommen werden können und wie sehr man sie immer wieder aufs neue diskutieren muß. Ob die österreichische Nation eine Nation ist, steht für manche unserer Landsleute immer noch ebenso in Frage wie, ob Österreich eine Landesverteidigung haben soll. Seltsamerweise sind es nicht dieselben Leute, denen beides fraglich erscheint. Während ein guter Teil der Linken heute erfreulicherweise Österreich als geschlossene Nation empfindet, betrachten manche von ihnen deren militärische Verteidigung
In der Verhandlung gegen die ersten acht der Teilnehmer am Aufstand des 20. Juli sagte der Vorsitzende Freister geringschätzig über den Österreicher Bernardis, daß dieser „in der Grundlinie der nationalsozialistischen Weltanschauung wegen seiner rassischen Abstammung, die . . . deutsch-dalmatinisch- dinarisch war, nicht das Letzte mitmachen konnte”. Freisler hatte nur allzu recht mit dieser Meinung, wenn auch anders, als er glaubte. Bernardis hatte sich in der Tat, beeinflußt durch seine österreichische Herkunft, vom Nationalsozialismus, dem er früher einmal angehangen hatte,
Der große, seit ungefähr sechs Jahren immer schärfer gewordene Konflikt zwischen der Sowjetunion und China ist nunmehr vollends und mit dramatischer Heftigkeit offen ausgebrochen. Auf seine Weise spiegelt dieser Konflikt das zentrale Problem unserer heutigen Welt wider. Da ist ein Land — zugleich das größte in Europa und das drittgrößte in Asien —, dessen Menschen auf seltsamen und grausam opferreichen Wegen einen bedeutenden gesellschaftswirtschaftlichen Aufstieg erreicht haben. Trotz ideeller und politischer Andersartigkeit, lediglich wegen der von allen nach höherer Zivilisation
Der Weltkommunismus hat seine ideologische Einheit und damit sein eigentliches Raison d’etre verloren. Die Geschlossenheit, die Unduldung jeder Abweichung von der durch die Spitze festgelegten Theorie und Praxis bildeten die Kernidee der kommunistischen Bewegung; ihretwegen hatte sie sich aus der Sozialdemokratie herausgespalten. Revolutionäre Sozialisten hatte es auch vordem gegeben, nicht aber solche, die bereit waren, ihre gemäßigteren Genossen politisch und physisch zu liquidieren.Der moderne Kommunismus verdankte seine Entstehung zwei Annahmen; einer richtigen und einer
Durch den vieldiskutierten Freispruch in einem Grazer Prozeß ist das eigentümliche Verhältnis Österreichs zur nationalsozialistischen Vergangenheit wieder ins Blickfeld getreten. Somit besteht Anlaß, einige Überlegungen über diese Sache anzustellen. Zuerst einmal: Wie ist es denn überhaupt zu dieser „eigentümlichen“ Situation gekommen?Sündenböcke anstatt einer VergangenheitDa war zuerst 1945: Zusammenbruch des Nationalsozialismus, seiner Militärmacht, seines Staates, seiner Organisationen und seiner Ideologie. All das Böse, das mit jener Ideologie als unbös und als dem
Liebe junge Freundin!Da Du an der bevorstehenden Wahl In den Nationalrat zum erstenmal teilnimmst, hast Du mir die Ehre erwiesen, Dich mit zwei Fragen an mich zu wenden: Erstens: Soll man überhaupt wählen, und zweitens: Wenn ja, wen?Daß Du überhaupt diese Fragen stellst, könnte mir, wenn ich an die Zeiten der Ersten Republik' zurückdenke, in der ich zum erstenmal wählen ging, seltsam erscheinen. Kaum ein Jungwähler hegte damals den geringsten Zweifel daran, welche Partei er wählen solle, und daraus ergab sich natürlich auch bereits, daß er sein Wahlrecht ausüben wollte. Dabei hat
MENSCHEN - JAHRE - LEBEN. Autobiographic von ja Ehrenburg. Deutsch von Alexander Kaempfe. Kindler-Verlag, München, 1962. 824 Seiten, Ganzleinen. Preis 208 S.
Zwei Annahmen, in deren Zeichen die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) gegründet worden ist, haben sich zumindest teilweise als irrtümlich erwiesen.Die erste hat dfarin bestanden, daß man geglaubt hat, es gäbe weniger Uran — das wichtigste Rohmaterial für die Erzeugung von Atomenergie — auf der Welt, als man alsbald tatsächlich zu finden imstande war. Dies .vurde durch die Entwicklung moderner Aus-forschungsmittel und -methoden ermöglicht. Der IAEO war aber ursprünglich vor allem die Aufgabe zugedacht gewesen, das spärlich vorhandene Rohmaterial zusammenzufassen, zu
Die meisten Österreicher sind sich dessen kaum bewußt, daß es in ihrem Land einen fremden Staat gibt, mit einem eigenen Parlament, einer eigenen Regierung, eigenen Verwaltung und Beamten, ja sogar mit ständigen diplomatischen Vertretern von 43 Nationen, die bei der Regierung dieses fremden Staates und nicht bei der österreichischen akkreditiert sind, obwohl sie alle in Wien residieren. Der fremde Staat ist die Int ernationale Atomenergieorganisation, die IAEO. Sic gehört der Familie der Organisationen der Vereinten Nationen wie etwa UNESCO, FAO und IAO an. Sie unterscheidet sich jedoch
Der Gesundbrunnen, von dem hier die Rede ist, ist die Landwirtschaft — oder vielmehr das Bauerntum. In einer /.eit, in der die moderne Industriegesellschaft nur noch durch juristische Vertragsverhältnisse rein ökonomischer und daher sekundärer Sozialformen zu-ammengehalten wird, deren Hauptmerkmale die Entfremdung und Unsicherheit des Individuums sind, repräsentiert das Bauerntum noch immer eine Einheit als Produktionszelle undFamilienverband, aus der die Nation biologisch und psychisch immer wieder neue Kräfte schöpfen kann. Die Verteidiger des Bauerntums erklären, daß es daher um
Unsere Vorstellung der österreichischen Ministerien geht allmählich zu Ende. Heute beginnen wir mit einer Untersuchung über das Bundesministerium für Land- und Forstwirtsch aft. „Die Furche“
Wir setzen im folgenden die Veröffentlichung über das Justizministerium und seine Agenden fort.Rund 490.000 Straffälle kamen im vergangenen Jahr vor die österreichischen Gerichte. 120.000 davon endeten mit Verurteilungen zu Geld-, bedingten und unbedingten Freiheitsstrafen. Auf Grund der letzteren befinden sich durchschnittlich 8260 Gefangene derzeit in den österreichischen Strafanstalten.Aus dem Verhältnis der oben genannten Zahlen zueinander ist zu ersehen, daß an der Justiz vor allem wichtig ist, daß es sie gibt und daß der Staatsbürger weiß, daß es es sie gibt. Zum Schutz
Mit einer Vorstellung des Bundesministeriums für Justiz setzen wir heute unsere Veröffentlichungen über die österreichischen Ministerien, ihren Aufbau und ihre Aufgaben, fort.Die RedaktionDer Vater der Verfassung der österreichischen Republik, Professor Hans Kelsen, hat unlängst einen Vortrag gehalten, der den Titel „Was ist Gerechtigkeit?“ trug. Nach einer umfassenden, gelehrten und pointierten Exposition der wichtigsten Rechtstheorien von Plato bis Marx, mußte Professor Kelsen am Schlüsse seiner Ausführungen resigniert zugeben, daß er nicht sagen könne, was Gerechtigkeit sei.
Die österreichische Öffentlichkeit wird wahrscheinlich noch vor Beginn der Sommerferien zu zwei gewichtigen Forderungen des Bundesministeriums für Landesverteidigung Stellung nehmen müssen. Die erste Forderung beinhaltet eine Ausweitung des Heeresbudgets auf zirka 7 Prozent vom gesamten Staatsbudget. Es geht dabei um die folgenden Summen:Aus obigen Zahlen stechen insbesondere die Erhöhungen für Ausrüstung hervor, die allein soviel ausmachen wie der zusätzlich verlangte Gesamtbetrag von 1500 Millionen. Dieser sowie ein anderer hoher Ausgabeposten — für Bekleidung —, der nun statt
Ein Fremder kommt auf dem Wiener Stubenring an einem imposanten, massigen Gebäude vorbei. Er bemerkt, daß die Fassade mit einer langen Reihe steinerner Soldatenköpfe geschmückt ist, welche offenbar Waffengattungen und Nationalitäten des alten Österreich repräsentieren. Unterhalb des Daches erhebt sich ein riesiger belli-koser Doppeladler über einem Schwerterbündel, und vor dem Eingangstor steht das Reiterdenkmal des Feldmarschalls Radetzky. Der Fremde irrt: in diesem Gebäude befindet sich nicht das Landesverteidigungsministerium. Früher, in der Monarchie, istes hier gewesen. Heute
Ehe auf die Hauptprobleme unseres Verkehrs eingegangen wird, soll der wenig problematischen zwei Sektionen I und IV des Verkehrsministeriums gedacht werden, für deren Behandlung uns im ersten Artikel kein Raum übrigblieb.Zu Wasser und in der LuftÜblicherweise ist in jedem österreichischen Ministerium die Sektion I die Präsidialsektion, die mit der inneren Organisation und Verwaltung und sozusagen den Eigeninteressen des Ministeriums beschäftigt ist. Dies gilt auch im Verkehrsministerium, jedch nur für einen Teil der Sektion I, der unter der Bezeichnung A das eigent-liehe Präsidium
Es ist schon öfters auf den merkwürdigen Sachverhalt hingewiesen worden, daß dem ersten „modernen Menschen“, Goethe, bei seinen Reisen ins Ausland kein anderes Zugmittel zur Verfügung starid, als tausend Jahre vorher Karl dem Großen: das Pferd. Dafür hat tausend Jahre vor Karl ein Volk, nämlich die alten Römer, technisch mehr vom Verkehr verstanden, als viele andere nach ihnen bis zur Neuzeit. Die Römer haben, wie aus Überresten ihrer herrlichen Traversal-straßen erkennbar ist, als erste erkannt, daß sich Wagenräder leichterund schneller in einer bereits vorhandenen Spur
VON HEILIGEN UND AUTOMATEN. Von Arthur Koestler. Ins Deutsche übertragen von Hans Flesch-Brunnin-gen. Verlag Scherz, Bern-Stuttgart-Wien, 1961. 384 Seiten. Preis 118 S.Koestler sagt im Vorwort zu seinem Buch, daß er 1958 und 1959 eine Pilgerfahrt nach Indien und Japnn unternommen habe, um Antwort auf die „geistigen Verwirrungen und Probleme“ des Westens zu suchen. Ein Pilger ist jedoch ein bereits Bekehrter, und das war Koestler gewiß nicht. War er ein Suchender? Gleichfalls aus dem Vorwort ist zu entnehmen, daß er hierfür ein schweres Hemmnis in die Heimat der Mystik mitbrachte. Er
Nun hat also auch Indien als letzte „unschuldige“ Großmacht eine militärische Aggression gegen ein anderes Land begangen. Der Angreifer hat gegen diese Beschuldigung eine Reihe von Argumenten vorgebracht, und die Sowjetunion, die ihm in der UNO dabei sekundierte, erklärte, daß der Einmarsch in Goa eine interne Angelegenheit, sozusagen ein Einmarsch Indiens in Indien, gewesen sei. Auf ähnliche Weise hat Egon Erwin Kischs Großmutter einmal geltend gemacht, daß Salzburg nicht die Hauptstadt von Salzburg sein könne, weil Prag nicht die Hauptstadt von Prag ist.Kolonie oder
Wenn Weihnacht kommt, wo soviel geschenkt wird, fällt mir immer mein Großvater ein, der wie keiner um die große Kunst des Schenkens wußte. Dabei war er nur ein kleiner jüdischer Handelsmann und kaum imstande, ein großer Spender zu sein. Sein Büro war ein kleines abgegriffenes Notizbuch, und sein Geschäftsladen der große Leinwandsack, in den er die Hasenfelle und Hühner- und Gänsefedern stopfte, die er bei den Bauern in der Umgebung von Nikolsburg einhandelte. Wenn er mit dem schweren vollen Sack von seiner Wanderung nach Hause kam und den Einkauf ausleerte und sorgfältig sortierte
Ein Naiver könnte einmal die Frage teilen: „Wenn es kein Handels ministerium gäbe, hätten wir dann auch keinen Handel, kein Gewerbe, keine Industrie?" Sicherlich hat es in ganz alten Zeiten Handel und Gewerbe (wenn auch nicht Industrie) und keine Ministerien gegeben. Aber damals wurden jene Tätigkeiten noch auf recht primitive Weise betrieben, und sie haben in einer vorwiegend bäuerlich organisierten Gesellschaft nicht die Bedeutung eingenommen, die sie heute haben. Eine gewisse Vorstellung von einer ministerienlosenZeit haben wir ja zuletzt 1945 erhalten, als die Verwaltung des Dritten
Gut zwei Drittel aller arbeitsfähigen Österreicher sind als Arbeitnehmer und Selbständige in der Industrie, im Gewerbe und im Handel tätig. Sie und die Leute in der Land- und Forstwirtschaft ermöglichen allen anderen, Richtern und Eisenbahnschaffnern, Lehrern und Friseuren, und all den übrigen, auf ihre Weise das nationale Leben zu bereichern und auf einer höheren Basis in Schwung und Ordnung zu halten. Das letztere obliegt in bezug auf Industrie, Gewerbe und Handel und anderem dem größten aller unserer Ministerien. Es heißt zu Unrecht Ministerium für Handel und Wiederaufbau. Rund
Als in den jüngsten Oktoberwochen die sowjetische Atommegalomanie in einem immer lauter dröhnenden Crescendo bis zu dem (einstweiligen) Höhepunkt von 57 Megagraden auf dem 22. Parteitag der KPdSU anschwoll, waren die Österreicher intensiv damit beschäftigt, jene Vorgänge aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen. Es schien ihnen zu genügen, daß der Bundespräsident unsere Meinung zu dem Gegenstand Atombombe vor längerer Zeit eindeutig formuliert hatte, daß unsere Delegierten bei den Vereinten Nationen sich dem Protest der Mehrheit anschlossen, daß der Bundeskanzler Herrn Chruschtschow in
Wenn der Verfasser von der Darstellung der Vorgeschichte der österreichischen Sozialpolitik in der Monarchie (in vergangener Nummer der „Furche”) nunmehr einen Sprung in die heutige Zeit über die so wichtige Ära Hämisch (1918 bis 1920) und über die darauffolgende Ära Resch- Schmitz sowie über die des Ständestaates und des NS-Staates macht, so geschieht das nicht, weil er die Bedeutung jener Zeit unterschätzt, sondern aus Raummangel.Im Prinzip war der von Hanusch 1918 begonnene Aufbau seines Staatsamtes für soziale Verwaltung der gleiche wie der des Ministeriums heute. So wie alle
Einer der ersten Sozialpolitiker und Arbeitsrechtler war Moses. Er verordnte: „Sechs Tage sollst du arbeiten, aber am Sabbath sollst du feiern, damit dein Ochs und Esel ruhen und deiner Magd Sohn und dein Knecht sich erquicken.” (Man beachte die Reihenfolge.) Über Lohnpolitik wußte er zu sagen: „Es soll des Tagelöhners Lohn nicht bei dir bleiben bis zum nächsten Morgen.” Und über das Verhalten gegen ausländische Arbeiter: „Und auch den Fremdling sollst du nicht schinden, denn ihr selber seid Fremdlinge gewesen in Ägypten.”Tatsächlich war alle Sozialpolitik ursprünglich ein
Die Amerikaner feiern den Tag, an dem sie ihre Unabhängigkeit von England ausgerufen haben, den 4. Juli, als Nationalfeiertag. Die Franzosen haben ihren „Quatorze Juillet", den 14. Juli, an dem sie 1789 mit dem Sturm auf die Bastille den Weg zur bürgerlichen Republik freigemacht haben. Und die Engländer haben zwar ihren St.-Georgs- Tag, aber ihre eigentlichen Nationalfeiertage sind die Bank-Holidays, an denen alle Banken und Geschäfte geschlossen sind und jedermann ein Superwochenende genießt. Wenn im übrigen ein Volk keines Nationalfeiertages bedarf, dann ist es das britische, das
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1,826.424.So verschieden die politischen Verhältnisse in Norwegen im Vergleich zu den unsrigen in Österreich sind, lohnt es sich dennoch, den Ausgang der jüngsten Wahlen ins norwegische Parlament, in den Storting, zu studieren. Er trägt nämlich eine Reihe von Zügen, die für uns und manche unserer Parteien von Interesse sind.So mögen zum Beispiel für unsere Sozialistische Partei die Umstände von Interesse sein, unter denen ihre norwegische Bruderpartei nun zum erstenmal seit Kriegsende ihre absolute Mehrheit im Parlament — ähnlich der „Mapai“ in
In seiner Einleitung zum Bericht über die im Bundesministerium für Unterricht im Jahre 1960 geleistete Arbeit zitierte Minister Dr. Drimmel einen Satz von Hellmut Becker, um das vom Ministerium befolgte allgemeine Prinzip zu illustrieren: „Kulturpolitik kann im Rahmen einer überdifferenzierten und überorganisierten Welt Wege öffnen, Richtungen weisen, Zusammenfassungen ermöglichen, sie kann aber nicht selbst Kultur machen. Kulturpolitik darf nie mit Kultur verwechselt werden." Dr. Drimmel fügte dem hinzu: „Nach dieser strengen Ordnung ist es möglich, daß der Staat auf den Gebieten
Anläßlich des internationalen Symposions über die Entwicklung der Wissenschaft, das kürzlich in Oxford abgehalten wurde, hat der Vizekanzler der Universität Cambridge, Professor Herbert Butterfieid, eine Forderung an die Historiker gerichtet. Er hat verlangt, sie mögen die Ursachen feststellen, die bewirkt haben, daß die alte chinesische Kultur mit ihrer hochentwickelten Wissenschaft und Technik, ihrem ausgedehnten Staatsdienst und Beamtentum, ihrer umfangreichen und detaillierten offiziellen Geschichtsschreibung und ihrem bedeutenden Prüfungssystem erstarrte und stehenblieb und
„Die Gesellschaft fordert außer den besonderen Pflichten, welche jedes Individuum durch die Ausübung seines Berufes erfüllt, noch andere, weitere Beiträge. Um sie leisten zu können, die erst das Eigentliche des menschlichen Zusammenlebens ausmachen, bedarf es mehr als nur eines Könnens und einen Beruf zu erlernen, nämlich der Kultivierung unserer Seele und unseres Denkens.“Kardinal John Henry N ew m a n(aus ,,Bereich und Wesen der Universitätserziehung“ )Über ein Sechstel der österreichischen Bevölkerung — 1,140.103 junge Menschen — geht in die Schule. Ob das noch der
Die „Provisorische Regierung der Algerischen Republik" — wie ihr offizieller Titel lautet — steht nun in Evian seit 20. Mai mit der französischen Regierung in Verhandlungen, die vielleicht von ebenso großer Bedeutung für die Zukunft Frankreichs wie für ein unabhängiges Algerien sind. Nahezu 15 Jahre ist es her, daß die algerischen Nationalisten den offenen Befreiungskrieg gegen Frankreich ausgerufen haben. Damit ist es erst zur politischen Einigung der verschiedenen algerischen Parteien in der F L N, der Nationalen Befreiungsfront, und zur Bildung einer provisorischen Regierung
II.Die innere Verwaltung der Staaten steht ewig unter der Einwirkung zweier extremer Grundsätze. Der eine lautet: „Der Bürger kann nichts aus eigener Kraft“, und der andere: „Der Bürger kann alles aus eigener Kraft“. Dementsprechend ist dann auch die Haltung der inneren Verwaltung gegen die Bürger und die der Bürger gegen die innere Verwaltung.In Österreich sind wir heute zu einer neuen Situation gelangt. Schon bei der ersten Säule der inneren Verwaltung, der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, zeigt sich das. Die Haltung und Konzeption von heute kann hier
Wir sind mit unserer Artikelreihe über österreichische Ministerien nun beim Innenministerium angelangt.So seltsam uns das heute Vorkommen mag: das Wort Polizei, das aus dem griechischen P o 1 i t e i a kommt, was Staatswesen im allgemeinen bedeutet, wurde noch im Mittelalter für die Grundgedanken ständischer Verfassung benützt. Karl der Große verwendete das griechische Wort im Sinne der Sorge um gute Ordnung. Aus seinem Regime ging es als „La police“ in die französische Rechtssprache über. Von dort holten es sich Kaiser Maximilian, der Französisch konnte, und sein Ratgeber