Käme ein Fremder nach Wien, führe er durch die Unterwelt ihres öffentlichen Verkehrs, er müsste meinen, sie hätte kein brennenderes, kein größeres, kein schwerwiegenderes Problem als Menschen, die in den U-Bahn-Zügen der Wiener Linien Nahrung zu sich nehmen. Das sogenannte Essverbot beherrscht die städtische Propaganda, es blinkt ihm auf den elektronischen Anzeigetafeln entgegen, es wird durch überdimensionierte Piktogramme versinnbildlicht und über Lautsprecher unermüdlich verlautbart, und es ist der running gag einer "lustigen" Plakatkampagne, die den "Tatort Leberkäs" ausruft
Bekanntlich gibt es verschiedene Arten von Glück, stille, laute, tiefe und solche, über die es sich nicht ziemte, in einer FURCHE-Kolumne zu spekulieren. Ein stilles Glück, das ist für mich zum Beispiel ein Schulterscherzel mit Schnittlauchsauce im "Lusthaus" im Prater, das diesen Namen wahrlich verdient.Ein Schulterscherzel mit feinem Suppengemüsearoma und von idealtypisch weicher und saftiger Konsistenz, ein exzeptionell gutes Schulterscherzel, begleitet von einer nicht minder exemplarisch geglückten Schnittlauchsauce, die nach Schnittlauch schmeckt und nach hartgekochtem Ei, und nicht
Man hätte gewarnt sein können, spätestens seit dem ÖVP-Wahlprogramm 2013: "Wir sind die Partei für die Menschen, die morgens früh aufstehen, hart arbeiten und am Ende des Monats mehr davon haben wollen."Warum, so frage ich mich, nachdenkend über das Gold im Munde der Morgenstunde, wollen die mehr davon haben, wenn sie früh aufstehen? Es ist ja damit nicht gesagt, dass sie mehr arbeiten, ja nicht einmal, dass sie weniger lang geschlafen haben als die sogenannten Langschläfer, die korrekt Spätaufsteher heißen müssten und dafür meist später schlafen gehen. Man kann nämlich auch in
Die Gruppe erregt Aufsehen in der Fußgängerzone von Karlsbad. Etwa vierzig Leute haben sich vor einem Haus versammelt, an dem sie offenbar eine Gedenktafel aus Pappendeckel befestigt haben. Sie halten Zettel in Händen und skandieren im Chor Verse. Würde man nähertreten und die Tafel in Augenschein nehmen (was aber kein Passant tut), fände man dort, nebst dem Foto eines Dandys mit Binokel, auf tschechisch und auf deutsch vermerkt, dass in diesem Haus 1889 der Dichter Walter Serner geboren wurde, den die Nazis 1942 ermordeten. Das kollektiv vorgetragene Gedicht stammt vom Stifter-Biografen
Unlängst war ich in Salzburg im Gästehaus des Priesterseminars untergebracht, eine sympathische Herberge mit bemerkenswertem Frühstück -selbstgemachte Marmeladen und ein täglich frisch gebackener Gugelhupf, im 4-Stern-Hotel eine Seltenheit. Die Zimmer von erwartbarer klösterlicher Schlichtheit, Tisch, Sessel, Bett, kein Fernseher. Irritiert hat mich allein ein Satz auf der Homepage des Hauses: "Auf TVund Radiogeräte haben wir bewusst verzichtet, da wir unseren Gästen eine Entschleunigung in unserer hektischen Zeit bieten wollen." Diese Bevormundung erwachsener Menschen erscheint mir
Es ist nicht zu leugnen: Die Mitglieder unserer Regierung fallen in letzter Zeit vor allem durch ihre mangelhaften Manieren auf. Gutes Benehmen ist keine Frage von Äußerlichkeiten: Vertreterinnen und Vertreter einer Politik, die Einwanderern die Verinnerlichung "unserer" Kultur abverlangen möchte, demonstrieren einigermaßen ungeniert, dass sie selbst keine haben. Der Innenminister benimmt sich bei der Behandlung eines gegen ihn gerichteten Misstrauensantrags im Parlament wie der Klassenkasperl, der den schlimmen Buben in der Schule imponieren will: durch Gähnen, Feixen, Augenrollen.
Am 9. August, dem bisher heißesten Tag des Jahres hierzulande, gelangte Wolfgang Ambros' winterweißer Evergreen "Schifoan" an die Spitze der heimischen iTunes-Charts; diese vermerken die Frequenz der Downloads im Netz. "Und wann der Schnee staubt und wann die Sunn' scheint, / dann hob' i ollas Glück in mir vereint": Die Austropop-Hymne auf den rotweißroten Nationalsport ist eine ungewöhnliche Wahl für den Höhepunkt der Hundstage, und man ist geneigt, sie am ehesten als erfrischendes Kontrastprogramm zur kollektiven Transpiration zu deuten. Jedoch mitnichten: Die unerwartete Beliebtheit
England gilt uns als Hort der Tradition wie der Schrulle. Manchmal gerät das eine Charakteristikum mit dem andern auch in Konflikt. So hat es bis zur jüngsten Jahrtausendwende gedauert, bis erstmals eine englische Schule Mädchen gestattete, Hosen statt Röcke als Teil ihrer Schuluniform zu tragen. Neuerdings ist man auf der Insel drauf und dran, diesen Fortschritt im Zeichen von Gleichberechtigung und Emanzipation wieder rückgängig zu machen -im Namen von Gleichberechtigung und Emanzipation: Seit Kurzem gilt in über vierzig britischen Schulen umgekehrt ein striktes Verbot, Röcke zu
Es gibt eine Form gastronomischer Berufsauffassung, die mehr oder weniger offen dem Ziel drastischer Gästezahlenreduktion, wenn nicht überhaupt totaler Gastberührungsvermeidung huldigt. Die Gaststätten der DDR beispielsweise waren dafür berühmt, man betrat das Lokal bereits im Bewusstsein, sich einer Anmaßung schuldig zu machen. Auch manch heimischer Wirt beherrscht diese kommunistische Kulturtechnik, und die bekanntermaßen grantigen Wiener Kaffeehausober missverstehen ihre Verhaltensauffälligkeit als Tribut an den Ruf einer ehrwürdigen Tradition.Das Café Restaurant Michl's im
Mit dem politischen Statement ist es so eine Sache. Müsste man zum Beispiel dem Vegetariertum abschwören, weil Adolf Hitler Vegetarier war? Oder sich von seinem Deutschen (!) Schäferhund trennen, weil des Führers Lieblingshündin Blondi dieser Rasse angehörte? Das wäre doch ein bisschen viel verlangt an symbolischer Performanz und Distanzierungsanstrengung. Es mag genügen, aus diesen biografischen Fakten den Schluss zu ziehen, dass Tierfreunde nicht immer gute Menschen sind. Und doch gibt es in jüngster Zeit tatsächlich Leute, die sich, zumal zu Führers Geburtstag, den Verzehr von
Angesichts von 300.000 Besuchern der Leipziger Buchmesse, angesichts von belagerten Bühnen in den Messehallen und über 500 Literatur-Veranstaltungsorten in der Stadt habe ich mich wieder einmal gefragt, warum das ORF-Fernsehen glaubt, auf eine eigene Literatursendung verzichten zu können. Ich meine keine Talkshow mit allerlei Buchautoren wie "erLesen"(vierzehntägig in ORF III) oder "lesArt"(alle zwei Monate in ORF 2), sondern eine Diskussion mit, sagen wir, vier kritischen Köpfen über, sagen wir, vier Bücher, die sie nicht selber geschrieben, aber tunlichst selber gelesen haben. Das
Große Aufregung hat die Ankündigung des freiheitlichen Innenministers ausgelöst, in Wien eine berittene Polizei etablieren zu wollen. Eine Schnapsidee sei das, zu teuer, bei Demonstrationen gefährlich, den Pferden nicht zumutbar, sie würden die Straßen verschmutzen und beschädigen, sie müssten Windeln tragen und am besten auch Pantoffeln, also Plastikhufbeschlag. Tatsächlich liegt das Problem nicht im Vorschlag selbst, sondern in dem, der ihn macht. Und darin, wo er ihn macht. Kein vernünftiger Mensch wünscht sich einen Politiker der Lawand-Order-Fraktion, der Flüchtlinge in Lagern
Von unserer neuen Bundesregierung war zu hören, dass sie beim heurigen Opernball in ihrer Mehrzahl durch Abwesenheit zu glänzen gedenkt. Die freiheitlichen Mitglieder bleiben dem Ereignis geschlossen fern und ersparen so löblicherweise den ausländischen Gästen die Peinlichkeit, ihnen die Hand geben zu müssen. Der Kanzler, so heißt es, überlegt noch. Weil er nichts tut, ohne an die Wirkung zu denken, darf man annehmen, dass er die möglichen Bilder seiner selbst vor Augen hat und hinund hergerissen ist zwischen zwei Interpretationen: was für ein fescher Kampl er doch ist, so im Frack.
Das Jahr ist jung, sehr jung, und es ist die Zeit für Vorsätze, die bekanntlich immer gute Vorsätze sind. Viele von ihnen überstehen erfahrungsgemäß den Jänner nicht. Ich gebe zu, ich erspare mir die nicht gerade programmierte, aber doch höchst wahrscheinliche Demütigung vor mir selbst, die in dem Eingeständnis mangelnder Willensstärke liegt, indem ich auf das Fassen guter Vorsätze gleich ganz verzichte. Wer sich kein Ziel setzt, kann auch nicht scheitern. Ein guter Teil guter Vorsätze betrifft eine Einschränkung beim Konsum von Genuss-und Suchtmitteln, die bis zum totalen
Es häufen sich die Meldungen von "Übergriffen" auf zumeist weibliches Körperterritorium, die vor dreißig, zwanzig oder zehn Jahren oder erst unlängst stattgefunden haben und nun nach Konsequenzen verlangen -Schuldbekenntnissen, Bußübungen, Rücktritten, Strafverfahren. Wiewohl ich es nur recht und billig finde, dass Delikte von Nicht-Kavalieren nicht mehr als Kavaliersdelikte durchgehen, komme ich nicht umhin, der medialen Berichterstattung in dieser Causa eine gewisse Hysterie zu attestieren. Es herrscht geradezu ein Gedränge bei dem Versuch, sich und andere unter die Erniedrigten und
Darf ein Kritiker Literaturnobelpreisträger, mit deren Wahl er aus diesen oder jenen Gründen nicht einverstanden ist, Idioten nennen? So jüngst geschehen in der sonst durchaus seriösen Fernsehtalkshow "lesenswert" des SWR, einer der vielen Neuauflagen des "Literarischen Quartetts". Dirk Schümer, Redakteur der Welt, meinte, von Moderator Denis Scheck auf seinen Unmut über die Entscheidungen des Stockholmer Komitees angesprochen: "Wenn man sieht, wie viel Idioten den gekriegt haben - von Jelinek bis Grass." Und der Moderator legt noch eins drauf: "Von Bob Dylan ganz zu schweigen."Ein Mann
Vielleicht haben Sie ihn ja begangen, letzten Samstag, den Welttag des Bartes. Es scheint allerdings nicht so, als bedürfe die haarige Manneszier zur Zeit besonderer PR-Maßnahmen: Allenthalben sprießt es, dass es eine Freude ist. Obwohl - das gilt nicht unbedingt für den Schnurrbart, der hält sich gerade noch bei Dorfpolizisten, anatolischstämmigen Gemüsehändlern und versprengten Oberförstern. Wurde beispielsweise ein Tiroler Landesrat Innenminister, so trennte er sich stracks von seinem Oberlippenschmuck und bleibt auch als Landeshauptmann glattrasiert. Wer sich einen wachsen lässt,
Seit Christian Kern mit dem Austragen von Pizza beschäftigt ist und nicht mehr mit der Leitung der ÖBB, geht es mit diesen bergab. Ein Fallbeispiel: Ein Schienenersatzverkehr wird per definitionem eingerichtet, um nötigenfalls den Verkehr auf der Schiene zu ersetzen, und zwar durch einen auf der Straße. Im Mürztal wurde nun ein "Schienenersatzverkehr" installiert, der eine Marktgemeinde - Langenwang - für zwei Monate schlicht nicht bedient. Und zwar weil der Bahnhof Langenwang umgebaut wird. Der Umbau eines Bahnhofes ist gewiss ein hinreichender Grund, weshalb Züge dort nicht mehr
Marie von Ebner-Eschenbach war einst selbst zur Erholung in
Reichenau. Ihre Novelle "Die Totenwacht" ist Vorlage für Anna Maria
Krassnigs gelungene Inszenierung beim heurigen Thalhof-Festival.
Außerdem im Programm: Evelyne Polt-Heinzls Textcollage "Raxleuchten".
Es soll niemand sagen, dass die Kunst nicht ihren Mann ernährt. Und ihre Frau. Der Sommer ist die Zeit der Empfänge und Abschlussheurigen, bei denen die sogenannten Kunstschaffenden, aber auch die Kunstkommentierenden und Kunstadministrierenden sich versammeln, um nach des Tages Hitz' und Plag' Erquickung und Labung zu finden. Ich zum Beispiel war unlängst beim "Open House"-Empfang des Kunstministers, mit einer deutschen Kollegin, die ich an den Wundern der Wiener Gastlichkeit teilhaben lassen wollte.Als wir uns mit angemessen dosierter Unpünktlichkeit am Minoritenplatz einfanden, da war
Zweimal schoss 1918 ein Soldat auf die Statue der Pallas Athene vor dem Parlament, offensichtlich, so hieß es, geistesgestört. "Wieso?" kommentierte Karl Kraus. "Die kann einen schon aufregen. Ich war nicht im Krieg und trage kein Gewehr bei mir. Aber so oft ich die sehe, in ihrer vollkommenen Nichtbeziehung zu den Dingen, die in dem Haus drin und außerhalb vorgehen, (...) da spür' ich ordentlich, daß ich kein Gewehr bei mir trage!"In der aktuellen, sehenswerten "Orestie"-Inszenierung am Burgtheater dampft Regisseur Antú Romero Nunes den dritten Teil der Trilogie radikal-plakativ auf den
Wenn ich sage, dass mir die jüngste Ö1-Reform gegen den Strich geht, dann meine ich das in einem sehr konkreten, körperlichen Sinn. Ich bin nämlich so etwas wie ein wandelndes Ö1-Programmschema, ich habe den Sendeplan gespeichert, geradezu inkorporiert. Es ist kein bewusstes Wissen, sondern eine Konditionierung: Wenn eine Sendung zu Ende geht, höre ich im Kopf bereits die Signation der Folgesendung. Jede Reform berührt also meine vitalen Interessen. Wird eine Signation geändert, ein Sendeplatz verschoben, eine Sendung abgesetzt, leide ich unter akustischen Phantomschmerzen.Ich bin also
Correggios berühmtes Bild "Jupiter und Io" zeigt die nackte Jungfrau im Augenblick der Vereinigung mit - ja was? Einer Wolke, einem Nebel, der handfest ihre Hüfte umfängt und in dem ein männliches Gesicht erkennbar ist. "Jupiter hat ständig solche Sachen gemacht", erklärt die Regisseurin Jaqueline Kornmüller in einem Interview zweifellos zutreffend und beweist so, dass sie es ihrerseits weniger mit dem Nebulösen hält. Daran krankt denn auch die ganze Inszenierung im verflixten siebenten Jahr des Ganymed-Projekts. Es ist nun einmal die Kunst, die den mysteriösen Raum zwischen Flucht
Jetzt ist also der Heldenplatz an der Reihe. Nach dem schwarzen Innenminister, der Hitlers Geburtshaus demolieren möchte, macht sich der rote Kunstminister an die Geschichtsbewältigung mit dem Reibfetzen: Er will den Heldenplatz umbenennen, in "Platz der Demokratie" oder "Platz der Republik".Die Reinwaschung historisch "belasteter" Stadtgeografie mittels Sprachbereinigung zeugt von einem bedenklichen Verhältnis zur eigenen Geschichte, aber auch von demokratischem Kleinmut. Dabei sind Straßenumbenennungen eine Spezialität von Diktaturen. Der Heldenplatz trägt seinen Namen seit 1878, also
Das Gesicht der Verachtung für das fremde Wesen, das man fürchtet, weil man es nicht versteht, das kann man zur Zeit im Wiener Volkstheater studieren: Grillparzers "Medea", in Anna Badoras markanter Inszenierung nachdrücklich verkörpert von Stefanie Reinsperger, nimmt die Mühen der Anpassung willig auf sich (sogar das Walzertanzen will sie lernen), doch man dankt es ihr nicht. So bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als am Ende wieder die zu werden, die sie in den Augen der andern immer war: die Wilde.Die Farce zur Tragödie spielt sich alle Tage rund um uns ab. Zum Beispiel jüngst in
Jüngst stand ich in einer Gruppe von Germanistinnen und Germanisten vor dem sogenannten Gottesplagenbild des Thomas von Villach an der Außenwand des Grazer Doms. Das Fresko aus dem Jahr 1485 zeigt die älteste Ansicht der Stadt und drei Landplagen, die sie dazumal gleichzeitig heimsuchten: die Heuschrecken, die Türken und die Pest. Einige waren entrüstet: Wie könne man denn die Türken so ohne weiteres mit Ungeziefer und Pestilenz gleichsetzen, da müsse der Begleittext doch irgendeine Erklärung, eine Relativierung, eine Kontextualisierung schaffen. In einer Wiener Volksschule durch eine
Zur Eröffnung der heurigen "Buch Wien" hat Terézia Mora gesprochen. Ehrlich gesagt bin ich nur ihretwegen hingegangen, denn Eröffnungsreden von Messen, zumal von Buchmessen, sind allgemein zu recht gefürchtet. Tatsächlich war es eine wunderbare Rede "Über Sätze und Menschen", fernab des üblichen druckerschwarzen Jammer- und Beschwörungsrituals, eine Rede, in der nicht zuletzt die Politik auf ihren Platz verwiesen wurde: "Das Gute an einem Kunstwerk ist gerade, dass es keine Wahlversprechen gibt oder sonstige tagesaktuelle Garantien verspricht. Das Einzige, was Lesen verspricht, ist:
Vor 127 Jahren wurde Adolf Hitler in Braunau geboren, weil sein Vater als Zollbeamter gerade dort stationiert war. Pech für Braunau -jedenfalls aus heutiger Sicht. Lange hat die Stadt am Inn ihr Los tapfer getragen. Nun aber tritt als Retter der Innenminister auf, offenbar zuständig für den adäquaten Umgang mit den Bürden der Geschichte, und will des Führers Geburtshaus demolieren. Ja, darf er denn das? Gehören tut es ihm nicht, er hat es bloß gemietet. Es steht außerdem unter Denkmalschutz. Der Plan geht so: Der Innenminister, entsandt von einer Partei, die sich nach wie vor als
Seit Mai müssen auch hierzulande Zigarettenpackungen mit sogenannten Schockbildern von kaputten Organen und dem Hinweis "Rauchen ist tödlich - hören Sie jetzt auf" bedruckt werden. Ich bin keine Zigarettenraucherin, ich rauche im Sommer gerne Zigarillos (die von der Abschreckungskampagne bis jetzt noch ausgenommen sind), aber ich mache mir trotzdem so meine staatsfeindlichen Gedanken. Allein die Gewöhnung an eine absurde Zumutung macht diese nämlich noch nicht weniger absurd. Gut, der Staat will seinen Bürgern nicht bloß verbieten, andere zu schädigen, sondern auch sich selbst. Die
Enthusiasmus ist bekanntlich hochgradig infektiös. Geradezu epidemische Formen hat er jetzt beim dritten Literaturfestival in Schlierbach angenommen. Hier sind einfach alle enthusiastisch, zuvörderst die Veranstalter, die "Literarischen Nahversorger", allesamt Ehrenamtliche, die sich vornehmlich aus dem Lehrkörper des Stiftsgymnasiums rekrutieren und im Zweijahresrhythmus ein Ereignis auf die Beine stellen, das international seinesgleichen sucht. Vier Tage lang dreht sich in Schlierbach alles um die Kunst des Wortes, von der klassischen Lesung mit Wasserglas über den Frühschoppen mit dem
Im Jahr 1918 werden Peter Roseggers 175. Geburtstag und sein 100. Todestag zu begehen sein. Es sieht nicht so aus, als würde dies zum Ereignis von nationaler Bedeutung geraten. Der ewige Waldbauernbub steht heute im Geruch xenophober Heimattümelei und rückwärtsgewandter Idylle. Seine Bücher sind vergriffen, es gibt keine Werkausgabe des einstigen Kultautors. Allein die Steiermark hält ihren berühmtesten Dichter in Ehren. Vor drei Jahren wurde Roseggers - von Felix Mitterer dramatisierter - Roman "Jakob der Letzte" mit großem Erfolg beim Geburtshaus am Alpl aufgeführt. Seit neunzig
Wenn sich Leute bei mir darüber beschweren, dass ich per Handy nicht erreichbar bin, dann sage ich gern: Ich bin ja keine Ärztin, und germanistische Notfälle sind eher selten.Es gibt sie aber doch. Das germanistische Institut der Universität Wien zum Beispiel bekommt gar nicht so selten Anfragen informationsbedürftiger Bürgerinnen und Bürger. Im sogenannten Journaldienst müssen Institutsangehörige bestimmte Bücher nach meist fragmentarischen Angaben ausfindig machen, Zitatnachweise suchen, Fragen zur Morphologie des Wiener Dialekts beantworten oder den durchschnittlichen Wortschatz
Hätte man mir - ich habe 1982 maturiert - in meiner Schulzeit prophezeit, man würde sich eines Tages mithilfe von "Offenen Briefen" und "Zusammenfassungen" von genau abgezählter Wortanzahl die Reife in Deutsch erschreiben, ich hätte es nicht geglaubt. Wie war das möglich, diese Wende an den Schulen in relativ kurzer Zeit zu erzwingen, den Schwenk von der Bildung durch Literatur zu einem textzentrierten Coaching für die Erfordernisse des Arbeitsmarktes? Wo doch im Fach Deutsch so viele Lehrer, Eltern und Schüler dagegen waren und sind? Weil, fürchte ich, die Schule trotz allen
Ein Best Of Raimund, Nestroy, Molnár und Horváth zeigen die
Fischamender Spielleut mit der Produktion "Der Bauer als Millionär -
geht fremd". Als erquickliches Kontrastprogramm zu den großen Wiener
Bühnen hat sich die Amateurtheatergruppe längst etabliert.
Um adäquat über das sprechen zu können, was Jan Böhmermann im ZDF dem türkischen Präsidenten angetan hat und wofür er nun gar vor Gericht soll, müsste man es zuerst einmal verstehen. Müsste verstehen, was eine Satire und was ein Pamphlet ist. In Deutschland tut man sich damit höllisch schwer. Wer deutsche Politsatire im Fernsehen konsumiert, kann sich über das Zahnlose und lähmend Halblustige des Gebotenen nur wundern. Auf diesem Niveau bewegte sich auch die erste, vom NDR ausgestrahlte Attacke: "Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im
Von Marie von Ebner-Eschenbach, deren 100. Todestag dieser Tage begangen wird, stammt der Aphorismus: "Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft." Angela Merkel hat den Satz in Anne Wills ARD-Talkshow zitiert - als Untermauerung für ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik. "Wir schaffen das." Damit hat sie die Kontrafaktur des Matthäus-Evangeliums, genaugenommen das Credo einer religiösen Skeptikerin, wieder auf das Fundament ihrer eigenen christlichen Überzeugung gestellt, dass es hier für Europa darum gehe, die ständig beschworenen
Vielleicht war ja der Valentinstag schuld - dieser Feiertagsimport zum Wohle der Floristen und Süßwarenproduzenten hat sich in den letzten Jahren zum Herzensanliegen missionarisch schwärmender medialer Nervensägen entwickelt, die ihn dem Publikum als Abladeplatz von gutgemeinten Gefühlsüberschüssen empfehlen. Nichts weniger als die allgemeine Menschenliebe sollen die dem Hl. Valentin dargebrachten Opfergaben befördern. Jedenfalls standen Sonntag früh in der altehrwürdigen Ö1-Sendung "Du holde Kunst" nicht Gedichte auf dem Programm, sondern Prosatexte. Das war aus einem offenkundigen
"Die letzten Arbeiter" hieß die jüngste Reportage der ORF-Sendung "Am Schauplatz", die sich der einstigen Stahlindustriehochburg Mürzzuschlag widmete. Es war eine düstere Feier der letzten Reste: die letzten Bewohner der Werkshäuser, die letzten Arbeiter-Musiker der Werkskapelle, die letzten Geschäfte im Ort, die letzten Kommunisten. Mit einer gewissen nekrophilen Insistenz haben sich die Gestalter auf den Strukturwandel gestürzt, der in der Obersteiermark in den neunziger Jahren stattfand, und so getan, als hätte man ihn gerade erst entdeckt. Der Bürgermeister beschwert sich in einem
Mit einer klugen Kollegin habe ich mich unlängst auf der "Buch Wien" über die Nöte der Buchmesseneröffnungsredner unterhalten. Die hätten es, meinte sie, wirklich nicht leicht. Jahr um Jahr müssten sie das Lesen und die Bücher rühmen, in immer neuen Anläufen. Sie hat recht: Das Lesen als eh total zeitgemäße Kulturtechnik, das Lesen als papierunabhängige Beschäftigung und Akt des Widerstands, das Buch als Fels in der Brandung und als Leuchtturm in geistiger Seenot, die Bücher als ziemlich beste Freunde (und Freundinnen) - auf diesem ausgelaugten Metaphernfeld auch nur ein
Vor nun schon etlichen Jahren war es im staatlichen Funk und Fernsehen plötzlich verpönt, das p. t. Publikum mit "Grüß Gott" zu begrüßen. Irgend jemand muss den Leuten erklärt haben, das sei, wenn schon nicht ein klerikal-faschistischer Kampfruf, so doch ein politisches Statement mit religiöser Konnotation, und da der volkseigene Rundfunk ja zur Neutralität verpflichtet sei, habe dort das neutrale "Guten Tag" gesagt zu werden. Dieses ist zwar für viele auch nicht einfach neutral, aber es klingt wenigstens so.Ich persönlich habe immer zu den "Grüß-Gott"-Grüßern gehört, aus
Literatur ist, glaubt man den Experten, in der Schule von heute vor allem Bildungsballast. Im Südtiroler Dorf Laas sieht das anders aus: Da wird alle zwei Jahre im September einen Tag lang öffentlich aus fünf deutschsprachigen Debütromanen gelesen und darüber diskutiert, und die Halle ist bis auf den letzten Platz gefüllt, überwiegend mit konzentriert lauschenden Schulklassen.Der mit 8000 Euro dotierte Franz-Tumler-Preis ist ein etwas anderes Lesefest für die Region, die sich sonst im Herbst der Weinlese und der Apfelernte widmet. Die Lektüre wird in den Vinschgauer Schulen
In Wien kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, das Stadtgartenamt habe aufgegeben: gelb verdorrte Rasenflächen, bloßes Erdreich, Rindenstücke, und zwar nicht irgendwo in Transdanubien, sondern in der Innenstadt, auch die arme 150 Jahre alte Ringstraße trägt ein schäbiges Festtagsgewand. Gießen nütze nichts, weil alles verdunsten würde, erklären die Gartenbeamten, und der Schrebergärtner wundert sich. Die extreme Hitze hat das Problem nur verschärft, nicht verursacht. Der Freud-Park, vulgo Votivpark, zum Beispiel, in dem früher Rasensprenganlagen in Betrieb waren, ist dabei,
Der Wiener hält bald einmal etwas für Kultur, was schon immer so war, was man dem Fremden nicht erklären kann und worauf man gerade deshalb stolz ist. Die Kaffeehauskultur zum Beispiel. Der Zauber funktioniert aber nur, solange man selber daran glaubt. Viele Wiener (und Salzburger) Kaffeesieder tun das nicht mehr. Ihre Tradition ist ihnen powidl. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sie, dem unseligen Beispiel des Café Landtmann folgend, ihren Gästen bestelltes Leitungswasser verrechnen. Während man in modernen Beiseln zum Wein automatisch ein Glas oder eine Karaffe serviert bekommt,
Bekanntlich tickt das österreichische Feuilleton (oder was sich dafür hält) anders als das deutsche, nämlich langsamer. Das hat auch sein Gutes. Als zum Beispiel eine 23-jährige Redakteurin in der Welt erklärte, "Warum der Feminismus mich anekelt", reagierte man hüben durchaus angemessen, nämlich gar nicht, während sich drüben, sobald bekannt wurde, dass sie beim Bachmann-Wettbewerb antritt, eine wie üblich hysterische und bald hasserfüllte Debatte entspann, in deren Feuer sich auch noch das Öl der Internetausscheidungen, vulgo Shitstorm, ergoss.Die Autorin heißt Ronja von Rönne
Die Universität Wien feiert heuer ihren 650. Geburtstag. Unter den 154 Büsten im Arkadenhof befindet sich bekanntlich kein weibliches Gesicht, ein getreuliches Abbild der Rolle, die Frauen an der Universität über Jahrhunderte gespielt haben. Es gibt allerdings eine Ausnahme: eine Gedenktafel für Marie von Ebner-Eschenbach, die anlässlich ihres 70. Geburtstags am 13. September 1900 als erste Frau das Ehrendoktorat der Universität Wien erhielt. Der Referent vor dem Professoren-Kollegium, der Germanist Jakob Minor, nannte die Ausgezeichnete mit feiner Differenzierung "unstreitig die erste
Wie stellt man Literatur aus? Wie bebildert man Wörter? Ich glaube, es war im Frühjahr 2008, seinem Todesjahr, als Wendelin Schmidt-Dengler mir von einer "Begehung" des leerstehenden Hofkammerarchivs in der Johannesgasse erzählte. Er hatte seine Idee eines österreichischen Literaturmuseums mit der ihm eigenen hartnäckigen Begeisterung verfolgt und mit der Wahl des idealen Wunschstandortes gekrönt: in jenem Haus, in dem Grillparzer bis 1856 als Direktor amtierte, sollte dessen originales Arbeitszimmer das museale Zentrum, das Herz des rotweißroten Literaturkreislaufs bilden.Sieben Jahre
Dass er der Letzte seines Schlages war, diese traurige Gewissheit vermittelte David Axmann (1947-2015) bereits zu Lebzeiten. Er stand in der Reihe eines Daniel Spitzer, Karl Kraus, Alfred Polgar, Robert Neumann, Friedrich Torberg. Meisterhaft beherrschte er, was Kraus als die Kunst des Feuilletons definierte: auf einer Glatze Locken zu drehen. Schlichtweg zu jedem Thema fiel ihm etwas ein, und immer war es etwas Eigenwilliges und Tiefgründiges, brillant Formuliertes, virtuos Gedichtetes. Ihn prägten die deutsche wie die hebräische Sprache, die wienerische Angst vor dem Tiefsinn, der
Unterrichts- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek trat unlängst wieder nachdrücklich für die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts ein und außerdem zum "Internationalen Frauentag" einmal mehr für Gleichstellung und Chancengleichheit: andere Länder seien Österreich "gleichstellungspolitisch" 20 Jahre voraus.Im Falter war nun zu lesen, die Ministerin habe im Oktober im Parlament verkündet, sie hätte sich bei der Direktion des (proporzgemäß "schwarzen") Gymnasiums Mürzzuschlag jetzt -über vier Jahre nach der Ausschreibung -für die Bewerberin und gegen den
Der Radiosender Ö1 wird von rund 660.000 Menschen täglich gehört. Dem Vernehmen nach dürften nicht alle Mitglieder des ORF-"Stiftungsrates" dazugehören und wissen, was Ö1 kann. Sie wissen nur, dass es vergleichsweise viel kostet und, weil fast werbungsfrei, wenig einbringt. In die Sprache des öffentlichen rechtlichen Rundfunks haben Wörter wie Mainstreaming, Wissenspool, Cluster und Content Einzug gehalten, von denen die wenigsten sagen könnten, was genau sie bedeuten, aber es muss etwas Gutes sein, sonst wären sie nicht so beliebt. Cluster zum Beispiel, ein Wort, das
In der Fassadenpflege sind unsere Kulturpolitiker ganz groß. Zuerst hat man, ohne jede Not, den Namen geändert, offenbar um auf Revolutionäres vorzubereiten: Aus dem Museum für Völkerkunde, 1806 als "k.k. Ethnographische Sammlung“ gegründet, wurde das "Weltmuseum Wien“. Dann wurde im Dezember 2013 nach einem aufwendigen Vergabeverfahren mit großem Trara eine wunderbare Zukunft verheißen: 2016 sollte die peinliche Geschichte jahrelanger Renovierung und Schließung mit einer würdigen Neuaufstellung der weltberühmten Sammlungen (etwa des Weltumseglers James Cook) ein Ende finden.Und
Die Beobachtung eines allgemeinen Sittenverfalls gehört bekanntlich zu den Erscheinungen des Alters. Gleichwohl denke ich, es ließe sich empirisch belegen, dass gutes Benehmen hierzulande immer weniger gefragt ist. Oder besser, mehr gefragt denn je, aber immer weniger praktiziert. Tatsächlich erst in den letzten Jahren ist es zwar gang, aber deshalb noch nicht gäbe (also angenehm) geworden, im Großstadtgetümmel Mitmenschen, die der eigenen Ideallinie etwa im Wege stehen, direkt anzugehen, anzurempeln, beiseite zu stoßen und sich nach solchem bald provozierten, bald in Kauf genommenen
Ist es eine Bildungslücke, wenn man US-Serien wie "Six Feet Under", "The Sopranos", "The Wire" oder "Breaking Bad" nicht kennt? Ich behaupte: ja. Kollegen, die als Literaturwissenschaftler ihr persönliches Lektüredefizit nicht auch noch durch ein Serienkonsumdefizit erweitern wollen, wehren sich begreiflicherweise dagegen, Fernsehproduktionen als maßgebliche Kunst unserer Zeit gelten zu lassen.Nun, da im ORF die allerletzte der 62 Folgen gelaufen ist, führt indes kein Weg am Resümee vorbei: "Breaking Bad", Vince Gilligans Epos über den krebskranken Chemielehrer Walter White, der als
Nach insgesamt zehn Jahren verabschiede ich mich nun aus der Jury des Bachmannpreises und fühle mich doch betroffen, wenn die Zeichnerin und Autorin Andrea Dusl in Heinz Sichrovskys Literatursendung den Bewerb eine "Trottelveranstaltung" nennt und der Gastgeber ihr "vollinhaltlich" zustimmt. Dusls Argument, es sei "unanständig", "Geschriebenes miteinander in einen Wettkampf" zu führen und vorzugeben, man könne beurteilen, wer hier "um einen Millimeter" vorn liege, setzt voraus, dass die Beteiligten an solch sportliche Messbarkeit glauben. Das ist natürlich Unsinn. Und doch ist es
Mit dem Veza-Canetti-Preis zeichnet die Stadt Wien künftig
schreibende Frauen aus. Am 1. Oktober 2014 wurde der Preis zum ersten
Mal verliehen: an Olga Flor. Auszug aus der Laudatio, die Jurorin
Daniela Strigl anlässlich der Preisverleihung hielt.
Beim Bachmann-Wettbewerb ist es ein bisschen wie beim Fußball, wo jeder Zuschauer der geborene und jedenfalls besser qualifizierte Teamchef ist. Dass manche Kritikerinnen und Kommentatoren sich von der Jury andere Siegertexte gewünscht hätten, liegt in der Natur der Sache - des ästhetischen Urteils - und ist natürlich legitim. Aber es gibt so etwas wie eine obstinat mieselsüchtige Rundumnörgelei, deren Einwände sich mit jahreszeitlicher Berechenbarkeit wiederholen und die das erfreuliche Ereignis eines fernsehöffentlichen Disputs über Literatur prinzipiell nicht zu würdigen bereit
Wer für den Denkmalschutz kämpft, der rennt gegen Windmühlen an. Und nicht selten fallen ihm die, die er für seine Verbündeten hält - die Vertreter des Denkmalamtes - in den Rücken. In Wien erregte jüngst der Fall des Biedermeierhauses "Zur Hl. Dreyeinigkeit" am Spittelberg Aufsehen, als die Bezirkszeitung berichtete, sein Eigentümer wolle es trotz Ensembleschutz abreißen und einen Neubau hinstellen: eine "Augenweide". Dann wurde bekannt, dass 2005 bereits ein Denkmalschutz-Verfahren eingeleitet worden war, das jedoch vom damaligen Präsidenten des Bundesdenkmalamtes ohne Begründung
Dass bei der Zentralmatura in Deutsch just eine symbolschwangere Betrachtung des Bremer NS-Mitläufers Manfred Hausmann als Beispieltext ausgewählt wurde, hat Empörung ausgelöst: zu Recht, denn die mitgelieferte Biographie war um die entscheidenden Jahre verkürzt, und "Die Schnecke" (1947) auf dem Salat sollte bloß zu zeitlosen Überlegungen hinsichtlich der "Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft" anregen. Leider verbeißt sich die mediale Öffentlichkeit aber reflexmäßig in den Naziknochen, ohne den eigentlichen Skandal zu wittern: die Dummheit und Inkompetenz jener
Wer heute wirklich Furore machen will, der muss nur zugeben, kein Mobiltelefon zu besitzen. Aus Sicht des Besitzlosen gibt es etliche Gelegenheiten, bei denen der Besitz eines Handys von Vorteil wäre - aber unendlich viele im Tausch für den Mangel gewonnene Spielarten der Freiheit. Allein die Vorstellung, immer und überall und für jeden ansprechbar sein zu sollen oder im Falle der Kontaktaufnahmeverweigerung eine Liste von Rückrufen abarbeiten zu müssen! "Sehr gescheit“, sagen die meisten, wenn sie von der freiwilligen Verinselung erfahren, und halten den "Verzicht“ für ein wahrlich
Hunderte zahlende Zuhörer bieten den lesenden Autoren ein bestens
stimuliertes, bisweilen gar enthusiasmiertes Publikum: Das
"Kulturenfestival" "Literatur & Wein" fand zum 16. Mal im Stift
Göttweig und im Unabhängigen Literaturhaus Krems statt.
Als das heimische Normungsinstitut (heute urösterreichisch: "Austrian Standards“) jüngst neue "Richtlinien zur Textgestaltung“ zur Diskussion stellte, war die Empörung groß: zurück zum Gebrauch männlicher Formen für beide Geschlechter? Abschied vom Binnen-I? Das sei "extrem rückschrittlich“, befanden Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Studentinnen. Tatsächlich sind in den grundvernünftigen Vorschlägen nur gültige Rechtschreibregeln zusammengefasst. Etwa, dass ein Punkt nach "Dr.“ und "Mag.“ eine Abkürzung markiert und die Aussprache männlicher wie weiblicher Formen
Johann Nestroy hätte gefallen, was Johannes Krisch sich da in seinem "Talisman“-Couplet gegen die Hochmögenden herausgenommen hat, denn das war schließlich Nestroys Stärke, sich etwas herauszunehmen und es mit doppelter Schärfe zurückzugeben. Titus Feuerfuchs-Krisch sang von "dolosen Geschäften“ an der Burg: "Der Holding-Chef taub, / der Aufsichtsrat blind, / der Direktor, a Künstla, / inszeniert halt noch g’schwind. / Sie ham olle was g’wusst! / Und des lasst ma ka Ruah. / Na, da hab ich schon g’nur!“ Bündiger lässt sich nicht zusammenfassen, was der
In Deutschland erhitzt sich der Literaturbetrieb gerade über einen Artikel in der Zeit, in dem ein Mann namens Florian Kessler, Anfang dreißig, Literaturkritiker und selbst Absolvent der Schreibschule in Hildesheim, die Saturiertheit der deutschen Nachwuchsliteratur beklagt. Den Grund für die ästhetische Ödnis sieht er im angeblich homogen bürgerlichen, ja bildungsbürgerlichen Herkunftsmilieu: Lauter angepasste Arztsöhne und Professorentöchter, ihn selbst eingeschlossen, schreiben angepasste Texte und reüssieren damit: "Noch nie hat sich Konformität für sie so sehr ausgezahlt wie
Was ist eigentlich schlimmer: wenn eine abgehalfterte Finanzministerin so auf die Schnelle nicht weiß, mit welchem Pöstchen man ihr den Genuss des politischen Gnadenbrotes schmackhaft gemacht hat - mit dem der parteieigenen Justiz- oder doch der, äh, Kultursprecherin? Oder wenn sie kulturelle Ereignisse pauschal als "Wohlfühltermine" bezeichnet und als Beispiel ausgerechnet die Lucian-Freud-Ausstellung im Kunsthistorischen anführt? Freuds drastisch-düstere Malerei als Wohlfühlkunst? Weiß die Dame überhaupt, wovon sie redet?Das fundamentale Desinteresse an der Kultur wird freilich von
Dass der Zweck einer höheren Gerechtigkeit die Mittel zu deren Durchsetzung heilige, glaubten auch die Nazis. Ihr Zweck war die Ausmerzung des Jüdischen aus dem deutschen Volkskörper. Weil dem das Rechtsprinzip der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz im Wege stand, mussten die Juden sukzessive zu Nichtbürgern gemacht werden. Die Entkernung des Rechtsstaates erfolgte unter Wahrung seiner Fassade: durch Gesetze.Die höhere Gerechtigkeit, die die deutsche Justiz heute in Sachen "Raubkunst“ verfolgt, ist eine historische, ist Wiedergutmachung. Und in ihren Mitteln ist sie nicht
Die Frage, ob in eine klassische kastilische Paella Zwiebeln gehören oder nicht, kann in einem Kriminalroman von Manuel Vázquez Montalbán die Gemüter gewaltig erhitzen. Der Sizilianer Andrea Camilleri hat seinen Kommissar Salvo Mont-albano nach dem spanischen Schriftstellerkollegen und KP-Genossen benannt, der in seinen Barcelona-Krimis die Verschmelzung von revolutionärem Anspruch, regionaler Eigenart und kultischer Feinschmeckerei zelebrierte.Camilleris Montalbano wiederum hat eine Haushälterin, welche die apartesten Gerichte der autochthonen Küche für ihn bereitstellt, die er nach
Julian Pölslers Verfilmung von Marlene Haushofers Roman "Die Wand“ wird der Vorlage gerecht und kann doch als eigenständiger Film - nicht zuletzt dank exzellenter Tonspur - bestehen.Michael Haneke hat unlängst gemeint, eine Literaturverfilmung könne entweder dem Buch gerecht werden, dann werde es kein guter Film, oder das Buch nur als "Steinbruch“ benutzen, dann sei der Autor zu Recht böse. Julian Pölslers Verfilmung von Marlen Haushofers Roman "Die Wand“ (1963) scheint so etwas wie einen dritten Weg zu eröffnen: Einerseits hält Pölsler sich geradezu peinlich genau an die
Am 9. Februar wäre Thomas Bernhard 80 Jahre alt geworden. Zu Lebzeiten skandalisiert, ist er heute - ungeachtet des von ihm verfügten Österreich-Banns - präsenter denn je.
„Scheinhellig“ ist eine Hommage an die Begeisterung, an den göttlichen Funken.Im Mai wird er den Theodor-Kramer-Preis 2010 erhalten: Elazar Benyoëtz, den Robert Menasse „meinen Rabbi der deutschen Sprache“ genannt hat. Das trifft einerseits dessen skeptische Wortgläubigkeit. „Der Sprachlose und der Sprachbesessene / sind an der Schwelle Gottes“, heißt es hier. Andererseits hat der 1937 als Paul Koppel in Wiener Neustadt Geborene, der heute in Jerusalem lebt, in Israel tatsächlich eine Rabbiner-Ausbildung absolviert, ohne je ein Amt zu bekleiden. Seine Neigung zum freundlichen
Unwiderstehliche Einführung in den leuchtend düsteren Kosmos eines Schriftstellers: „Josef Winkler – Der Kinoleinwandgeher“.Filmporträts von Schriftstellern neigen zu Betulichkeit und gediegener Anämie: Einsame Menschen gehen spazieren und in sich, suchen die Stille und ringen am Schreibtisch um Inspiration. Michael Pfeifenberger ist in „Josef Winkler – Der Kinoleinwandgeher“ andere Wege gegangen, blass ist an diesem Film nur der Titel. Beginnend mit der Initiation des Bauernbuben in die Kinowelt durch die Winnetoufilme mit Pierre Brice und Lex Barker, stürzt eine Bilderflut
Albert Drachs berühmtester, abgründig komischer Roman in einer schönen Ausgabe.Der Büchner-Preisträger des Jahres 1988 war eine nicht minder große Überraschung als sein heuer gekürter Landsmann Walter Kappacher. Anders als dieser jedoch konnte Albert Drach, damals immerhin bereits 86, nie den „Stillen im Lande“ zugerechnet werden, auch ist sein Stil keineswegs „zurückhaltend“, vielmehr eine Naturgewalt. Drachs berühmtester, abgründig komischer Roman „Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum“, verfasst im Exil in Nizza, gedruckt erst 1964, liegt in einer schönen, kundig
Anna Kim hat ein todernstes, ein todtrauriges, ein meisterliches Buch geschrieben.Vierzig Tage lang lassen die Albaner im Kosovo nach dem Begräbnis eines Angehörigen die Zeit stillstehen, alle flüstern, die Männer rasieren sich nicht, niemand zieht die Uhren auf: Dann kann der Tote sich verabschieden. Was aber, wenn die Zeit schon viel länger stillsteht, wenn die Frau, die nun begraben wird, schon vor sieben Jahren gestorben ist, ermordet wurde von serbischen Banden, und ihr Mann sie so lange gesucht hat?Anna Kims peinlich genau erzählte Geschichte beginnt mit der Nachricht vom
Eine dramatische Stunde in einem Supermarkt: Minute für Minute erzählt.Um mit einer Schadensmeldung zu beginnen: Olga Flors "Kollateralschaden" fehlt auf der "Shortlist" des Deutschen Buchpreises - eine Kritikerin und sechs Kritiker aus Deutschland haben sich auf sechs Bücher deutscher Provenienz geeinigt. Doch dass Flors neuer Roman in der "Longlist" aufschien, dürfte der Grazerin im Nachbarland wohl endlich jene Aufmerksamkeit verschaffen, die ihr spätestens seit ihrer Familiengeschichte "Talschluss" (2006) gebührt.Fatale FehlinterpretationIn "Kollateralschaden" befinden wir uns in
Dem letzten Bachmann-Wettbewerb haben die 3Sat-Gewaltigen, nach dem Motto "Kürzer, schneller, schlanker!", ein Facelifting verpasst. Einer hat darunter besonders grausam gelitten: der neue Moderator Dieter Moor. "Der Bachmann-Preis war die Hölle", verriet er nun der Tiroler Tageszeitung. In Klagenfurt hätten sich nämlich "gewisse Pfründe eingeschlichen". Dabei müsste man sich dringend entscheiden, ob das eine Veranstaltung sein soll, an der sich "irgendwelche Kritiker und Insider delektieren", oder "eine Fernsehsendung", die daraus zu machen eine "sehr arrogante Lobby" verhindert
Dass die Wahrheit eine Tochter der Zeit sei, hat der vorige Präsident des Nationalrats gerne verkündet. Er meinte damit: sie verändere sich mit der Zeit, eine wunderbare Generalentschuldigung für das politische Handwerk. In Wahrheit meint "veritas filia temporis" aber, dass mit der Zeit die Wahrheit ans Licht kommt. Mögen die vertuschten Ereignisse auch weit weg stattgefunden haben, sagen wir, in der Karibik.Dass der Gedanke der unweigerlichen Aufdeckung noch so raffinierter Machenschaften ausgerechnet Silvio Berlusconi gefällt, der seine Korruptionsprozesse per Gesetz abwürgen lässt,
Robert Neumanns wichtiger Roman über das Nachkriegswien: Einst mit Empörung aufgenommen - "Mißratene Kinder? - Mißratenes Buch!" - wurde er nun wieder aufgelegt.Hören Sie mich aus, Mister. Nur ein Gott - hab ich schon gehört. Es hilft Ihnen überhaupt nicht. (…) No good. Einmal ein Jid, ist er immer ein Jid. Oder wenn Sie ein Nigger sind, sind Sie einmal für allemal nicht ein Arier sondern ein Nigger. Gott spielt keine Rolle." So spricht Jid, recte Jizchok Jiddelbaum, zum schwarzen Reverend Hosea Washington Smith aus Louisiana, Kaplan der U.S. Army, 1945 in einem Keller zu Wien. Jid
Ein Land, in dem die Herrschenden mit dem Volk, wie auch miteinander, vornehmlich über offene Briefe an den Herausgeber einer Boulevardzeitung kommunizieren, befindet sich zweifellos in einem demokratiepolitisch bedenklichen Zustand. Im allgemeinen Aufheulen über den missglückten Anbiederungsversuch des Damals-Noch-Weiter-Bundeskanzlers (der seine Demission freilich mit der Absage des Kanzlerfestes schon eingereicht hatte) kam die Analyse zu kurz: Ja, die penetrante Anti-EU-Kampagne der Kronen Zeitung ist kaum erträglich. Aber dazu konnte es nur kommen, weil eine seriöse, differenzierte
Heuer gibt es zwei 100. Geburtstage zu feiern, die ein Licht auf unser Verständnis der österreichischen Kulturgeschichte nach 1945 werfen: Friedrich Torberg und Hans Weigel waren markante Figuren - Wiener Juden (mit ziemlich gegensätzlichem Verständnis von Judentum), Remigranten, Hommes de lettres, Erzähler von unterschiedlichem Format, geistreiche Causeure, kritische Zeitgenossen - und wohl die Letzten ihres Schlages. Heute sieht man in ihnen vor allem eines: Kulturkämpfer. Dass die Sozialdemokraten Weigel und Torberg als Theaterkritiker 1953-1958 an den großen Bühnen des Landes den
In Meran verkündete man jüngst der anläßlich des Lyrikpreises anwesenden Presse eine Neuigkeit, die man in Wien noch nicht für spruchreif hielt: Das Wiener Literaturhaus soll einen neuen Leiter bekommen, den Germanisten und verdienten Obmann der "Bücherwürmer Lana" Robert Huez.Hinter den Kulissen war das freilich schon durchgesickert, auch weil das Auswahlverfahren des vom Staat mit knapp 1,3 Mio. Euro (17,8 Mio. ÖS!) jährlich gefütterten Vereins "Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur" einige Irritationen ausgelöst hatte. Abgesehen davon, daß in der Endrunde
Ein Rundgemälde mitteleuropäischer Geschichte und ein Fest des Erzählens: Miljenko Jergovic Roman "Das Walnusshaus".Im Jahr 1879 wird Rafo Sikiri´c als jüngstes von zwölf Kindern in Trebinje geboren. Aus dem ganzen Kaiserreich kommen Ärzte, um das medizinische Wunderkind zu bestaunen, denn seine Mutter ist fast zweiundsechzig Jahre alt: "Rafos Geburt ist der zweite herzegowinische Beitrag zur Medizin der Monarchie. Der erste und bedeutsamere war die endemische Syphilis." Der Kaiser höchstselbst übernimmt die Patenschaft für den kleinen Rafo, das heißt: eine Rente bis zum Ende einer
Unlängst habe ich im Burgtheater Thomas Langhoffs "Wallenstein"-Inszenierung mit Gert Voss gesehen: eine der besten Wiener Aufführungen der letzten Jahre. Im Gewand eines zeitlosen Militarismus, halb Zweiter Weltkrieg, halb Gegenwartsguerilla, entfaltet sich die Psychologie des Verrats, des Verräters und des verratenen Verräters. Schillers ratloses Lehrstück über die Macht und Ohnmacht der Politik wird vom Regisseur und seinem prächtigen Ensemble (Ignaz Kirchner, Johannes Krisch, Petra Morzé) behutsam aus der klassischen Nussschale geholt und in allen dialektischen Verästelungen
Monique Schwitter erzählt in ihrem ersten Roman von sehr ernsten und von sehr komischen Dingen.Ein junges Paar zieht im Jahr 1994 in ein Zürcher Mietshaus ein. Er, von dem man erst auf Seite 98 erfährt, dass er Fabian Zumsteg heißt, hat eine Theorie, deren Urheber, "einziger Proband und Nutznießer" er selbst ist; dabei geht es um die mögliche Entdeckung des freien Willens: Der Mensch "müsse seinen Tatenbetrieb erst einmal gegen Null fahren und sich eine längere Zeit der Tatenabstinenz verordnen, um die Beweggründe für seine Taten und Entscheidungen zu prüfen". Deshalb notiert Herr
Polemisches von Hermann Hakel und Miguel Herz-Kestranek.Kaum jemand kommt bei ihm ungeschoren davon: nicht berühmte Kollegen und Kolleginnen, Handke, Bernhard, Bachmann, Doris Lessing; nicht die Deutschen und Österreicher, entweder alte Nazis oder "Zwangsdemokraten"; nicht "die Juden", die zu "Erlösungssucht" neigen würden, einen Kotau vor der deutschen Kultur gemacht und ihre eigenen Wurzeln verleugnet hätten: "Nicht einmal Hitler und seine Judenschlächter haben diese Leute davon abgebracht, sich womöglich auch noch für die besseren Deutschen zu halten." Erst recht schont Hermann
Was bewegt ein Kollektiv dazu, sich von einem Volk der Unschuldslämmer rückblickend partout in ein Volk der Schurken verwandeln zu wollen? Vielleicht leuchtet vor der Folie pauschaler Verdammnis das Bild eigener Rechtschaffenheit umso stärker. Die Entrüstung über Otto Habsburgs Beharren auf der historisch unbestreitbaren - und dazumal auch unbestrittenen - Tatsache, dass Österreich das erste Opfer der Hitler'schen Aggression war, zeigt: Auch demokratische Diskurse basieren auf (wechselnden) Sprachregelungen und Tabus. Wer gegen den Strom schwimmt, bekommt eins auf die Nase, wobei man
Der österreichische Jude Albert Drach konnte zeitlebens den Verlust Südtirols an Italien nicht verschmerzen. Im Frieden von St. Germain war für das Selbstbestimmungsrecht der Völker kein Platz, belohnt wurde der Sieger. Zur eiligen Anerkennung der von den USA geförderten, einseitig erklärten Unabhängigkeit des Kosovo durch die EU und, in vorderster Linie, Österreich, ist von unseren Intellektuellen nichts zu hören. Sie haben ihren Unrecht ausforschenden Blick fest auf die Vergangenheit gerichtet, was heute auf dem Balkan geschieht, kümmert sie wenig. Einig sind sie nur darin, den
In Martin Suters jüngstem Roman "Der letzte Weynfeldt" lässt der Titelheld nach dem Tod seiner hochbetagten Mutter die ererbte 500 m2-Wohnung von einem jungen Architekten "vom Muff der letzten hundert Jahre" befreien und mit Schweizer Designermöbeln bestücken - was nichts an seiner konservativen Weltanschauung ändert. Unsere Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat, wie der Standard berichtete, ihr Arbeitszimmer im barocken Palais Starhemberg von Peter Noever modernisieren lassen, mit internationalem Design-Gerät samt Noever-Stehpult. "Es war wie ein Weihnachtsgeschenk", sagte die
Burkhard Spinnen hat mit "Mehrkampf" ein Männerbuch geschrieben über den Drang, in der Mitte des Lebens noch einmal das Ruder herumzureißen.In Deutschland ist der Fall legendär: Der Zehnkämpfer Jürgen Hingsen hatte bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988 eine Goldmedaille in Griffweite, schied aber gleich bei der ersten Disziplin, dem 100-Meter-Lauf, aus, weil ihm drei Fehlstarts passierten. In Burkhard Spinnens Roman "Mehrkampf" heißt der tragische Held Roland Farwick. Er scheiterte als Weltrekordhalter 1984 in Los Angeles beim Weitsprung - durch zweimaliges Übertreten nach einem
Pünktlich zur Weihnachtszeit wurde allenthalben von einer Studie der Arbeiterkammer berichtet, die zu dem Schluss kommt, dass die Hälfte der österreichischen Bevölkerung "kaufsuchtgefährdet" sei. Wie die andere Hälfte einzustufen sei (als nicht kaufsuchtgefährdet oder als bereits kaufsüchtig), war den Berichten nicht zu entnehmen. Als "kaufsuchtgefährdet" jedenfalls hätten jene Menschen zu gelten, die Dinge kaufen, die sie nicht brauchen.Da stutzt der wackere Konsument. Beruht nicht just auf diesem Prinzip das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems? Was hier in pathologischem
Es war eine doppelte Jubelmeldung: Sacher-Chefin Elisabeth Gürtler wird die neue erste Geschäftsführerin der Spanischen Hofreitschule, ein Manager der Bundesforste ihr Co. Woraus zu ersehen ist, dass man das älteste Reitinstitut der Welt höheren Orts als etwas betrachtet, das sich von Opernball und Sachertorten und wohl auch Mozartkugeln nicht wesentlich unterscheidet. Eine Touristenattraktion halt. Der "Stall" der Bundesforste verweist auf die frühere Zugehörigkeit der Hofreitschule zum Landwirtschaftsministerium, aus der sie 2001 in die dann doch nicht selig machende Selbständigkeit
Der Versuch, das Leben der Schriftstellerin Jane Austen auf die Leinwand zu bringen, ist mit "Geliebte Jane" spät aber doch in der Realität angekommen.Spät, aber doch gibt es nun den filmischen Versuch, das Leben der Schriftstellerin Jane Austen (1775-1817) darzustellen, als wär's ein Roman von ihr. Austens Ruf als ganz dem Schreiben ergebene, strenge Junggesellin hat das Interesse der nach romantischen Stoffen Ausschau haltenden Filmwelt bisher nicht gerade beflügelt. Jetzt hat Regisseur Julian Jarrold eine Episode aus der Jugend der Autorin zu einer Love Story ausgebaut und zu einem
Im Lärm des politischen Gezänks um die Gesamtschule, die nun mundgerecht anders heißt, ihren Gegnern aber nach wie vor im Halse stecken bleibt, sollte man das Ziel jeglicher Schulreform nicht ganz aus den Augen verlieren: Wie sieht die Bildung aus, die man heute in der Schule vermitteln will?Da herrscht im germanistischen Seminar auf die Frage nach Karl Kraus betretenes Schweigen, bis einer Studentin einfällt, dass der doch "diese kritische Zeitung" herausgegeben hat. Da überschreibt der Online-Standard einen Artikel über die Odyssee mit "Avigare necesse est, vivere non est necesse" und
Klaus Amanns politische Biografie über Robert Musil.Als Robert Musil noch nicht zwanzig ist, schreibt er in sein Tagebuch: "Neulich habe ich für mich einen sehr schönen Namen gefunden: monsieur le vivisecteur. (…) Mein Leben: - Die Abenteuer und Irrfahrten eines seelischen Vivisectors zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts." Sehr bald begnügte der Schriftsteller sich nicht mehr mit der Untersuchung des eigenen Seelenlebens, sondern wandte das Prinzip der "Sachlichkeit als Teilnahmslosigkeit" auf kulturelle und politische Zusammenhänge der zeitgenössischen Gesellschaft an - in einer
Im Wiener Funkhaus wurden, dem Zug der Zeit folgend, für den Eintrittswilligen immer höhere Hürden errichtet. Früher genügte es, den Redakteur zu nennen, der einen im Studio erwartete. Unlängst wollte die Empfangsdame (die mich vom Sehen nicht kannte) zum ersten Mal einen Ausweis sehen, um mir ihrerseits einen Ausweis ausstellen zu können. Ich hatte aber keinen bei mir, weshalb sie ihren Kollegen bat, mich zur speziell gesicherten Studiotür zu begleiten. Der machte ein finsteres Gesicht, aber nicht etwa, weil ihm - einem jüngeren Mann - die Mühe der wenigen Schritte zu groß war.
Melancholische Lebensfreude und anarchisch konservative Lebenskunst: Die Wiederentdeckung eines amerikanischen Klassikers.Auf dem Buchmarkt häufen sich in jüngster Zeit Übersetzungen angeblich zu Unrecht vergessener und zur (Wieder-)Entdeckung wärmstens empfohlener amerikanischer Klassiker. Das muss man nun nicht alles glauben, aber John Cheevers vor fünfzig Jahren erschienene Geschichte der Wapshots (The Wapshot Chronicle) ist tatsächlich ein großartiges Buch und den meisten der dickleibigen US-Romane der jüngeren Zeit zweifellos vorzuziehen.Bevor John Cheever (1912-1982) mit seinem