Der Gedanke ist bestechend: Weil eine bisher verbotene Ware Definitions- und Auslegungsschwierigkeiten bereitet, soll sie am besten gleich zur Gänze freigegeben werden. Nun ist aber Pornographie nicht mehr das, was sie einmal war — das Schielen des Kleinbürgers nach ein wenig Verruchtheit. Pornographie in ihrem neuen, „harten“ Gewand fällt nicht mehr als Gelegenheitsprodukt an, sondern als gewerbsmäßig hergestellter Massenartikel. Und die Profiproduzenten und -Verkäufer liegen schon auf der Lauer, das Sexuelle in Verbindung mit neuen Superlativen der Ekeligkeit (Kotessen), Gewalttätigkeit (Sexualverbrechen bis hin zum Mord) und Menschenverachtung feilzubieten.
Der Wahlkampf, der diese Woche zu Ende geht, 'War ein Wettstreit der Superlative. Und das' nicht nur hinsichtlich der Slillionenbeträge, die in ihn hineihgepulvert wurden. Auch die Stupidität der nun schon zur Genüge zitierten Plakat-„Aus-sagen'?, die Provokationen und gegenseitigen Unterstellungen, in Parteipressc und Belangsendungen sind kaum noch zu unterbieten. Daß die SPÖ dabei in puncto.Gehässigkeit einen deutlichen Vorsprung herausarbeiten konnte, verdankt sie fast ausschließlich der einschlägigen Rührigkeit und dem Stilempfinden ihres Zentralsekretärs Fritz Marsch. Als unerfreulich mag schließlich auch gewertet .werden, daß durch die absolute Prioriät der Wirtschaftsprobleme die nicht minder interessanten politischen Grundsatzfragen in den Hintergrund gedrängt wurden. Aber sozusagen als Ausgleich der eingangs bemängelten Unzulänglichkeiten wurde die innenpolitische Landschaft in den letzten zehn Wochen durch überraschende Klimawechsel so be--leb't, wie schon lange nicht.
„Wer ins Volk hineinhorcht, hört jetzt bereits den Wunsch zur Zusammenarbeit heraus. Eine große Koalition in kritischen Zeiten hat durchaus ihre Berechtigung“, besann sich Professor Fritz Kienner schon in der November-Ausgabe der Ideologiezeitschrift „Zukunft“ auf eine „altmodische Institution, die immerhin in schwerer Zeit den Staatsvertrag errang“. Klenner nannte damals auch die Gründe für seine Nachdenklichkeit: Die für die nächste Legislaturperiode zu erwartende Verschärfung der wirtschaftlichen Situation und—„wenn man kein Illusionist ist“ — die vage Aussicht