Als Provokationen noch dazugehörten

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Werk und Einfluss der US-amerikanischen Cellistin und Performancekünstlerin Charlotte Moorman zeigt das Museum der Moderne Salzburg mit "Ein Fest des Staunens" und macht politische Kunst der 1960er und 70er auch für das Heute erlebbar.

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Werk und Einfluss der US-amerikanischen Cellistin und Performancekünstlerin Charlotte Moorman zeigt das Museum der Moderne Salzburg mit "Ein Fest des Staunens" und macht politische Kunst der 1960er und 70er auch für das Heute erlebbar.

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In Soldatenuniform robbt eine Frau über den Boden. Auf den Rücken geschnallt trägt sie nicht ein Gewehr, wie man es zu Zeiten des Vietnam-Krieges erwarten durfte, sondern ein Cello. "Make music, not war", so lautet die Botschaft, die Politik mit den Mitteln der Ironie angreift. In den Sechzigerjahren war diese Form des Protests üblich, möglich gemacht durch Pioniere der Avantgarde wie Charlotte Moorman (1933-1991). Ihr ist im Museum der Moderne Salzburg eine Ausstellung gewidmet.

Wenn Moorman auftrat, war das Cello oder eine Variation davon fast immer dabei. Eigentlich kam sie von der Musik, eigentlich hatte sie einen konventionellen Bildungsweg durchlaufen.

Eine klassische Ausbildung als Cello-Spielerin begann Moorman mit zehn Jahren, mit dreizehn bekam sie schon eine Praktikantenstelle im Arkansas State Symphony Orchestra -die Biografie eines Wunderkindes. Jahrelang arbeitete sie sich durch das bewährte Repertoire, verschaffte sich einen Namen. Dabei hätte sie es belassen können und alle Welt würde von der einfühlsamen Frau Moorman sprechen, der einzigartigen Star-Cellistin. Die wollte aber etwas ganz Anderes. Aus dem braven Mädchen wurde eine wilde Performance-Künstlerin, die den Bürgern in Amerika und bald darauf in Europa das Fürchten lehrte.

Hochgradig politisiert

Nach dem Besuch eines Konzertes mit zeitgenössischer Musik von John Cage und anderen war Moorman für die Konzertsäle verloren. Sie suchte sich Galerien, eine Fähre, einen Park, wo sie ihre Auftritte hinlegte und unerschrocken gegen alles Etablierte focht. Bald wurden die Großen der progressiven Kunst ihre Partner. Intensiv arbeitete sie mit Nam June Paik, dem Begründer der Videokunst zusammen, Yoko Ono, Karlheinz Stockhausen und Joseph Beuys stand sie nahe.

Für strenge Musikliebhaber agierte sie zu theatralisch, für diejenigen, die die Performance schätzten, rückte sie die Musik zu sehr in den Vordergrund. Feministinnen hatten sowieso ihre Probleme mit einer Frau, die keine Probleme damit hatte, öffentlich mit wenig Kleidung ihr Auslangen zu finden. Eine Aufführung wurde abgebrochen, Moorman der Prozess gemacht, weil sie sich beim Cellospiel des Oberteils entledigt hatte.

Die Ausstellung im Museum der Moderne bietet eine Einführung in die Kunstgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Provokationen noch dazugehörten, wollte man ins Gespräch kommen. Immerhin stieß diese Kunst auf eine Gesellschaft, die sich provozieren ließ. Im Abstand von Jahrzehnten haben wir eine Gesellschaft, die sich von solch exzentrischen Auftritten nicht mehr schrecken lässt. Jetzt können wir genauer hinsehen, um herauszubekommen, ob wir damit noch etwas anzufangen vermögen. Immerhin fiel die Kunst der Charlotte Moorman in eine Zeit, die hochgradig politisiert war. Der Widerstand zum Geist des Vietnamkriegs, zu Atombewaffnung, Kaltem Krieg und Wettrüsten fand schon in der Form statt, die traditionelle Modelle und Denkmuster auflöste. Die Rebellion gegen die standardisierte Logik und Vernunft, der jene fatalen Verhältnisse anzulasten waren, war eigentlich ein politisch gemeinter Aufstand. Damit können wir heute sehr gut etwas anfangen, wenn uns mulmig wird zu beobachten, wie demokratische Grundsätze einer aufgeklärten Zivilisation in Gefahr geraten.

Von Optimismus begleitet

Schön, dass an eine Künstlerin erinnert wird, die sich nicht verbiegen ließ. Zu ihren bekanntesten Arbeiten zählt das "TV Cello". Von Nam June Paik ließ sie sich eine Cello-Variation aus Fernsehern bauen. Sie erzeugte damit elektronische Geräusche, gleichzeitig erschienen auf den Monitoren optische Verzerrungen aufgenommener Bilder. Auch das, wenn man will, ein Angriff auf die Machtpolitik, der klare Konturen so wichtig sind, weil sie der Abgrenzung dienen.

Wie aber bringt man eine Kunst, die aus dem Augenblick entsteht und auf ein anwesendes Publikum reagiert, ins Museum? Mit Monitor und Kopfhörer gleitet man in eine Zeit, in der der politische Kampf noch von Optimismus begleitet war. Auch das ist uns heute schon wieder neu.

Ein Fest des Staunens. Charlotte Moorman und die Avantgarde bis 18.6, Museum der Moderne Salzburg, Di-So 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr www.museumdermoderne.at

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