Eine Autorin, die vergessen wurde

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Im Jahr 1919 erschien der Antikriegsroman "Homo Der Roman einer Zeit" von Marie Eugenie delle Grazie, der mit einem langen Kapitel an der Front einsetzt und die Flüchtlingsströme aus den umkämpften Kronländern ebenso thematisiert wie die Auswirkungen des Kriegs im Hinterland.

Geboren 1864 in Weißenkirchen/Banat, gestorben 1931 in Wien, gehört delle Grazie jener Generation an, die, wie Marie von Ebner-Eschenbach oder Ferdinand von Saar, zwischen zwei prominente Kapitel der österreichischen Literaturgeschichte - Grillparzer und Jung Wien -geraten sind. Sie begann als Lyrikerin, und wurde von den um 1890 aufbrechenden Autoren durchaus geschätzt. "Jedenfalls können gnädiges Fräulein auf drei weitere Druckseiten rechnen. Wir haben uns entschlossen Talente 2. Ranges zu opfern, um Raum für die Besten zu schaffen", schrieb Felix Dörmann als Redakteur der Zeitschrift Moderne Dichtung, dem ersten Publikationsorgan von "Jung Wien", am 3. Februar 1891 an delle Grazie. Sie engagierte sich in der Arbeiterbildung und schrieb 1898 mit dem Bergarbeiterdrama "Schlagende Wetter", 1900 am Volkstheater in Wien uraufgeführt, das einzige naturalistische Drama der österreichischen Literatur. 1908 brachte die Neue Freie Presse den Vorabdruck ihres Zeitromans "Heilige und Menschen". 1912 vollzog sie eine Kehrtwende hin zum Katholizismus, womit sie alle ihre bisherigen Publikationsorte verlor und kaum mehr öffentlich wahrgenommen wurde.

Die große Frage nach dem Sinn des Krieges

1919 aber, als "Homo ... Der Roman einer Zeit" erschien, ließ der Verlag Waldheim-Eberle von Theo Matejko ein Werbeplakat anfertigen, das mit grellen Farben die Schrecken des Krieges ins Bild bannt, die der Roman beschreibt. Zu Beginn wartet Hauptmann Hans Willander, eigentlich Universitätsgelehrter, mit seiner Truppe am Duksapaß auf den Ausbruch der Kämpfe. Er ist kein Kriegseuphoriker und versucht vergeblich, sich von der Notwendigkeit des Geschehens zu überzeugen. "Wer ist nun wahnsinnig?", fragt er sich, er, der Krieg für eine Ungeheuerlichkeit hält, oder "diese Vielen", die ihn "plötzlich als eine solche Notwendigkeit erkennen und empfinden, daß sie bereit sind, alles, aber auch alles, was sie haben, hinzugeben?" In langen Passagen beschreibt der Roman die Albträume der Soldaten, in denen die Gräuel der Kriegsereignisse herumspuken, aber auch die Ängste und Befürchtungen über die zurückgelassenen Frauen, die delle Grazie moralisch fast alle scheitern lässt, und die große Frage nach dem Sinn des Krieges samt ihren religiösen Implikationen. Im Zentrum steht die verzweifelte Sinnsuche auch im Handlungsstrang der ostgalizischen Flüchtlinge rund um den tiefgläubigen Josuah Rubel, der in Wien in vielerlei Verwicklungen gerät. Homo aber ist der Name eines Waisenkindes, das aus einer eroberten Festung zu Willanders Truppe stößt. Scheint der Junge zunächst stumm, stellt er allmählich die entscheidenden Fragen, die auch Willander nicht beantworten kann: "Warum schlagen die Menschen einander tot?" Was sind diese "großen Dinge", für die sie das tun, und "Wer gibt ihnen das Leben wieder?"

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