"Flug zum Mars? Kein Problem!"

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Inessa Koslowskaja, Moskauer Weltraummedizinerin und "Fitnesstrainerin" der Kosmonauten, im Interview.

Die Furche: Welche Auswirkungen hat ein Langzeit-Aufenthalt im Weltraum auf den Körper?

Inessa Koslowskaja: Es gibt viele Auswirkungen: Die Kosmonauten sind einer viel höheren Strahlenbelastung ausgesetzt, ihre Immunabwehr sinkt und sie stehen unter psychischem Druck. Durch die Schwerelosigkeit schwinden Muskeln und Knochendichte. Außerdem nimmt die Bewegungsgenauigkeit ab, wie wir das von Koma-Patienten oder lange bettlägrigen Personen kennen. Um das zu verhindern, tragen die Kosmonauten einen Anzug von 40 Kilo, der die Muskeln künstlich belastet. Diesen Anzug setzen wir - leicht adaptiert - auch in 53 Kliniken zur Behandlung von Kindern mit Parkinson-Syndrom oder Kinderlähmung ein. Mit großem Erfolg.

Die Furche: Glauben Sie, dass mit diesen Maßnahmen ein Langzeitflug zum Mars möglich ist?

Koslowskaja: Natürlich, ich bin ganz sicher. Unsere Kosmonauten, die von 14-Monats-Flügen zurückgekehrt sind, waren sogar in einer besseren Verfassung als früher nach Dreimonatsflügen. Wir wissen also, wie man Menschen im Weltraum gesund und fit hält. Natürlich brauchen wir noch bessere Lösungen gegen die Strahlung, zur Ernährung und medizinischen Überwachung. Aber grundsätzlich könnten wir schon mit der Ausrüstung, die wir heute haben, zum Mars fliegen.

Die Furche: Wie wahrscheinlich sind beim über zwei Jahre dauernden Marsflug psychische Probleme?

Koslowskaja: Alle Langzeit-Flüge verursachen mehr oder weniger psychologische Probleme. Darum testen wir im Vorfeld ab, ob die Personen teamfähig sind. Wir selektieren. Aber jeder Staat selektiert anders, deshalb ist es auch nie sicher, wie die Kooperation auf der ISS - bei der viele Nationen beteiligt sind - funktioniert. Bei uns werden Astronauten vor einem Flug zwei Jahre lang gemeinsam trainiert. Die Amerikaner kommen hierher, die Russen gehen nach Amerika. Sie treffensich mit ihren Familien, werden Freunde - erst dann fliegen sie.

Die Furche: Kosmonauten sind auch Menschen: Haben Sie die sexuellen Bedürfnisse im All untersucht?

Koslowskaja: Natürlich. Es gibt Spezialisten, die sich damit beschäftigen - auch Psychologen. Aber bisher haben wir die Strategie verfolgt, dass wir mit Menschen im Weltraum in diesem Bereich keine Experimente machen. Überhaupt ist Vorsicht ein Charakteristikum der russischen Weltraummedizin: Wir testen vorher alles aus an Insekten, Ratten, Affen und an Menschen in Bettruhe. Deshalb kommt es auch zu hohen Kosten, aber es ist besser, das Geld hier auszugeben, als oben Probleme zu bekommen.

Die Furche: Glauben Sie, dass die Menschheit im All überleben könnte?

Koslowskaja: Ich glaube ja. Und überhaupt: Sind wir sicher, dass auf der Erde keine Katastrophe passiert? Diese Unsicherheit und die Möglichkeit, die Menschheit retten zu können, ist für mich ein guter Grund zu forschen.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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