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Ein Pfarrer macht Finanzgeschichte

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Am 4. Oktober des Jahres 1819, dem Namenstag des damals regierenden Kaiser Franz I., öffnete, nur wenige Jahre nach dem Ende des Wiener Kongresses, die Erste österreichische Spar-Casse ihre Pforten. Sie wurde damit tatsächlich die erste Sparkasse im Raum der österreichischen Monarchie.

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Am 4. Oktober des Jahres 1819, dem Namenstag des damals regierenden Kaiser Franz I., öffnete, nur wenige Jahre nach dem Ende des Wiener Kongresses, die Erste österreichische Spar-Casse ihre Pforten. Sie wurde damit tatsächlich die erste Sparkasse im Raum der österreichischen Monarchie.

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Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde dieser Tag festlich begangen, zahlreiche prominente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren zur Eröffnung erschienen. Bereits im Mai des Jahres 1819 erfolgte die Genehmigung der Statuten der Ersten österreichischen Spar-Casse, deren aus der damaligen Notzeit hervorgegangenen Grundsatz, dem kleinen Mann zu helfen, seine soziale Lage zu verbessern, bis heute oberster Leitgedanke des Instituts geblieben ist.

Den feierlichen Gottesdienst zur Eröffnung des neuen Institutes zelebrierte im Jahre 1819 ein Pfarrer namens Johann Baptist Weber. Wer war dieser Johann Baptist Weber nun? Da muß man in der Geschichte ein wenig zurückblättern und auf die Verhältnisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingehen. Die österreichische Monarchie war durch die napoleonischen Kriese schwer zerrüttet, die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung war alles andere als rosig. Ein Großteil der Menschen, etwa 80 Prozent, lebte in sehr ärmlichen Verhältnissen. Diese schlechten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung, vor allem in Wien, aber auch in der gesamten Monarchie, machten auf den Geistlichen und Pfarrherrn von St. Leopold in Wien, Johann Baptist Weber, einen so großen Eindruck, daß er versuchte, der armen arbeitenden Bevölkerung durch Sparen zu einem, wenn auch bescheidenen Wohlstand zu verhelfen.

Johann Baptist Weber hatte von ähnlichen Instituten zu Sparzwek-ken in England gehört. Die Idee, etwas gleiches für die österreichische Monarchie zu schaffen, ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. Mit einer unheimlichen Zähigkeit und Ausdauer warb er für den Gedanken, ein Sparinstitut nach englischem Muster in Österreich zu gründen. Seiner Überredungskunst, seiner Überzeugungskraft und seiner Ausstrahlung war es zu danken, daß nach Auflage einer Subskriptionsliste wohlhabende Bürger der Leopoldstadt insgesamt 10.000 Gulden zur Verfügung stellten, die sozusagen das Anfangskapital für die Gründung der Ersten österreichischen Soar-Casse darstellten. Wie es damals üblich war, wurde bei Eröffnung der Anstalt ein Akt der Wohltätigkeit gesetzt. Dem Kaiser wurden die ersten Einlagebücher der jungen Anstalt, und zwar 50 Stück ä 10 Gulden und 50 Stück ä 25 Gulden, zur Verteilung an „würdige Kinder“ der ärmeren Bevölkerungsschichten überreicht. Damit wurde der Pfarrer Johann Baptist Weber die zentrale Persönlichkeit des österreichischen Sparkassenwesens, ja der Gründer desselben. Seine Handlungen waren von tiefen sozialen Empfindungen geprägt. Mit Hilfe seines Idealismus gelang es ihm nicht nur, die vielen Schwierigkeiten zu überwinden, die sich bei Errichtung eines Sparinstituts entgegenstellten, sondern diese Gründung wirkte bahnbrechend für eine Verbreitung des Sparkassengedankens und des Spargedankens ganz allgemein.

Wenige Jahre danach begannen auch in anderen Bereichen der österreichischen Monarchie Sparkassen zu entstehen, die sich ausnahmslos die Statuten der Ersten österreichischen Spar-Casse zum Vorbild nahmen. Johann Baptist Weber ließ es aber nicht allein bei der Gründung des ersten Sparkasseninstituts bewenden, er wirkte nicht nur weiter als Kurator der Ersten österreichischen Spar-Casse, sondern er war praktisch der erste Werbechef dieses Instituts, denn laufend warb er ■schriftstellerisch für den von ihm in Österreich kreierten Spargedanken. So verfaßte er mehrere Kleinschriften, von denen die populärsten folgende Titel führten: „Errichte Spar-Cassen! Worte eines Menschenfreundes an alle Eltern, Seelsorger, Schullehrer, Fabriks-, Gewerbs- und Dienstherren“, oder „Die Spar-Casse, eine faßliche Darstellung des Zwecks, der Vorteile für das Allgemeine und der Errichtung einer Spar-Casse... für das Volk und deren höhere Vorsteher“. Der spätere Dechant und Pfarrer von Mannswörth, Weber, wurde schließlich Schloßkaplan von Schönbrunn und zeichnete sich auch sonst durch eine lebhafte karitative Tätigkeit aus; so gründete er unter anderem eine Industrieschule für Mädchen und eine Kinderbewahranstalt. Im Jahre 1848, im Jahr der Revolution, starb er und liegt heute auf dem Altmannsdorfer Friedhof in Wien begraben.

Bereits im Jahre 1852 ehrte die Erste österreichische Spar-Casse das Andenken ihres Gründers Weber, in-dem sie einen Gedenkstein aufstellte. Vor wenigen Tagen wurde jetzt auch im Pfarrhof von St. Leopold eine Gedenktafel durch die Erste österreichische Spar-Casse im Rahmen des Jubiläumsjahres errichtet.

Eineinhalb Jahrhunderte sind schließlich ein langer Weg, an dessen Ende man nicht nur stolze Rückschau halten kann, sondern feststellen muß, daß sich die seinerzeitige Gründung wirklich bewährte. Wie gesagt, am 19. Juli 1819 begann das Geschichtsbuch der Ersten österreichischen Spar-Casse. Bereits 1817 erließ Kaiser Franz I. eine Kabinettsorder zur Prüfung der Möglichkeiten zur Schaffung von Sparanstalten. Am 4. Oktober 1819 wurde das erste Geldinstitut, die Erste österreichische Spar-Casse, am Namenstag von Kaiser Franz I. eröffnet. In dieser Zeit, zwischen 1817 und 1819, kämpfte der Pfarrer Johann Baptist Weber für die Verwirklichung des Spargedankens, seines Ziels, eine eigene Spar-Casse in Wien zu gründen. Das neue Sparinstitut erfreute sich bei der Wiener Bevölkerung von Anfang an größter Beliebtheit, und zu Ende des Jahres 1819 konnte die Erste österreichische Spar-Casse 1400 Einlagekonten mit 20.000 Gulden verwalten. Zehn Jahre später lag die Summe der Spareinlagen dieses Instituts bereits bei 7,8 Millionen Gulden. Das Institut wurde bereits seiner Rolle als Finanzier wichtiger Aufgaben gerecht. Allein im Jahre 1829 hafteten 3,5 Millionen Gulden als Hypothekardarlehen aus. Anläßlich des 50jährigen Bestandsjubiläums im Jahre 1869 verfügte die Erste österreichische Spar-Casse über ein Einlagevermögen von 55 Millionen Gulden. Das Institut hat in der Zwischenzelt bahnbrechend für die Verbreitung des Spargedankens in allen Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie gewirkt. Zahlreiche Sparkassen waren in anderen Ländern gegründet worden, aber eines hatten alle gemeinsam, nämlich die bewährte Geschäftsordnung der Ersten österreichischen Spar-Casse. Trotz großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten, die sich vor allem aus den verlorengegangenen Kriegen gegen Preußen und Italien um diese Zeit ergaben, konnte die Erste österreichische Spar-Casse ihre Stellung weiter ausbauen und festigen. Sie war bereits zu einem festen Bestandteil des österreichischen Wirtschaftslebens geworden.

Die zweiten 50 Jahre des Bestehens der Ersten österreichischen Spar-Casse bedeuteten eine harte Belastungsprobe für die Leistungsfähigkeit dieser Anstalt. Zwar war die Erste österreichische Spar-Casse an vielen kommunalen Projekten in Wien ausgiebig beteiligt gewesen, doch der erste Weltkrieg, der Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie, machten einen dicken Strich durch die Aufwärtsentwicklung dieses inzwischen bereits auf den Gralben übersiedelten Instituts. Nach Ende des Krieges richtete die Geldinflation Verheerungen im gesamten Wirtschaftssystem an. Erst 1924, mit Einführung der Schil-lingwährunig, normalisierten sich die Verhältnisse im österreichischen Geldwesen wieder. Bezeichnend aber für den Ruf, den die Erste österreichische Spar-Casse schon damals in ganz Österreich genoß, mag die Tatsache sein, daß sofort, nachdem sich der Geldmarkt wieder beruhigt hatte, die Aufwärtsentwicklung dieses Instituts trotz zahlreicher Wirtschaftskrisen erhalten blieb. Von besonderer Bedeutung war der zweite Weltkrieg für dieses Institut. Der Ruf der Sparkasse war so groß und so gut, daß es als einzige Einrichtung in Österreich auch während der nationalsozialistischen Ära ihren Namen „Erste österreichische Spar-Casse“ behalten durfte, obwohl der Name „Österreich“ damals sehr verpönt war.

Im Jahre 1945 mußte das Finanzwesen neu organisiert und geordnet werden. Die Erste österreichische Spar-Casse konnte auch an dieser Aufgabe wieder regen Anteil nehmen. So wurde sie bis zum heurigen Jubiläumsjahr eines der führenden Geldinstitute Österreichs, die allein im Raum Wien über 45 Filialen verfügt.

Heute, im Jubiläumsjahr, präsentiert sich die Erste österreichische Spar-Casse als eines der ganz großen Geldinstitute Österreichs. Im Geschäftsjahr 1968 konnte der größte Einlagenzuwachs seit Kriegsende verzeichnet werden. Die Gesamteinilagen nahmen um 1,268 Milliarden Schilling zu, das bedeutet gegenüber dem Vorjahreszuwachs eine Steigerung um rund 315“ Millionen Schilling. -f

Auf Spareinlagen entfielen vom Gesamtzuwachs 842 Millionen Schilling, somit verwaltete die Erste österreichische Spar-Casse mit 8 Milliarden, 384 Millionen Schilling 21,3 Prozent der Spareinlagen bei sämtlichen österreichischen Sparkassen. Einzahlungen auf Sparkonten sind insbesondere dank dem Rekordergebnis des Weltspartages im Vorjahr um 10,6 Prozent gestiegen, die Abhebungen dagegen nur um 7,6 Prozent. An Zinsen wurde für 1968 277 Millionen Schilling gutgeschrieben.

Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß die jahrzehntelangen Bemühungen des Instituts um die Jugendsparerziehung immer mehr Früchte tragen. Nicht weniger als 3861 von rund 5900 Schulklassen Wiens haben beim ältesten Sparinstitut Österreichs ein Kapital von 11 Millionen Schilling eingezahlt. Darüber hinaus unterhalten 94.000 von insgesamt rund 170.000 Jugendsparern ein Sparkapital bei der Ersten österreichischen Spar-Casse in der Höhe von 227 Millionen Sehilling. Das ergibt immerhin einen Durchschnittsstand pro Konto von 2420 Schilling. So anerkennenswert diese Sparleistung der Wiener Schüler ist, meint man bei der Ersten österreichischen Spar-Casse, zeige sich doch in der Relation zur Bilanzsumme, daß sie weit mehr erzieherischen als geschäftlichen Wert habe. Gewachsen sind bei der Ersten österreichischen Spar-Casse die dagegen wirtschaftlich für dieses Institut wesentlich bedeutenderen Glroeinlagen. Sie haben um 365 Millionen Schilling zugenommen. Auf den 122.025 Girokonten wurden über 10 Millionen Belege verarbeitet, die Zahl der Gehalts- und Pensionskonten ist um 25 Prozent auf 27.546 gestiegen.

Um gute 100 Millionen Schilling stärker als im Vorjahr haben auch die Auslegungen gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Der Zuwachs betrug 920 Millionen Schilling, wovon 718 Millionen Schilling lang-und 202 Millionen Schilling kurz-und mittelfristige Ausleihungen waren. Zu Jahresende hafteten an Darlehen und Krediten 6895 Millionen aus, das sind um 15,2 Prozent mehr als Ende 1967. Am gesamten Kreditvolumen der österreichischen Sparkassen hat die Erste österreichische einen Anteil von 21,6 Prozent. Etwas höher, nämlich 23,9 Prozent, ist der Anteil des Instituts an der Wohntoaufinanzierung. Von den gesamten Ausleihungen dieser Anstalt entfallen immerhin rund ein Drittel auf Kredite für Wohnbauten und Hausreparaturen. Die Ertragslage dieses vor 150 Jahren von einem Pfarrer in der Leopoldstadt gegründeten Instituts kann jedenfalls als durchaus befriedigend angesehen werden. Trotz einer Zunahme der Personalkosten von 21 Millionen Schilling infolge kollektivvertraglicher Gehaltserhöhungen und einem Anwachsen der Steuerlasten um 9 Millionen Schilling erreichte der Bruttogewinn die Höhe von 81,4 Millionen Schilling und lag so 1968 nur um 11,2 Millionen unter dem Vorjahresergebnis. Vom Bruttogewinn wurden 5 Millionen Schilling für die Dotierung einer Sonderrücklage für das 150-Jahr-Jubiläum der Ersten österreichischen Spar-Casse verwendet.

Besonderes Augenmerk widmete die Erste österreichische Spar-Casse schon seit langer Zeit der Förderung von Kunst und Wissenschaft. Die Sparkasse hat als künstlerischen Höhepunkt in ihrem 150jährigen Bestand die Institution „Dimensionen“ geschaffen. Diese sollen in Zukunft der ständigen Ausstellung von Werken zeitgenössischer Künstler dienen. In „Dimensionen“ will die Erste österreichische Spar-Casse vor allem Kunstverständnis in breiteren Bevölkerungsschichten für die moderne Kunst wecken. Die „Dimensionen“ im 11. Bezirk in Wien befassen sich mit Ausstellung der Gattungen von Malerei, Plastik, bis zur angewandten Kunst. Die erste Schau, die am 19. März 1969 eröffnet wurde, beschäftigt sich vor allem mit einem kleinen Sektor dieses Planes, Bildnerei in Metall. Darüber hinaus wurde im Museum des jubilierenden Instituts, der größten Sammlung dieser Art in Europa, aus Anlaß des 300. Todestages von Rembrandt in Zusammenarbeit mit der Österreichisch-Holländischen Gesellschaft eine Sonderausstellung unter dem Thema: „Rembrandt-Jubiläumsausstellung, Rembrandt und seine Zeit“ veranstaltet. Mit all diesen Taten hat die Erste österreichische Spar-Casse nicht nur die Ziele, die seinerzeit Johann Baptist Weber, Pfarrer aus der Leopoldstadt, vorschrieb, erfüllt, sie ist heute zu einer wirtschaftlichen Institution, die über Österreich hinaus bekannt ist, geworden.

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