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Ich kann mich nicht erinnern, Peter Handke je mit Krawatte gesehen zu haben. Beim Begräbnis von Slobodan MiloÇsevi´c trug er eine. Sie war nicht schwarz, sondern dunkelblau. Aber sie war natürlich genauso ein Statement wie seine Rede am offenen Grab, wie seine Anwesenheit an sich. Der Dichter erwies dem Diktator die letzte Ehre, in Gedanken, Worten und Werken. Handke sprach Serbisch oder Serbokroatisch, wie er als Jugoslawien-Nostalgiker wohl sagen würde. Er fühle sich MiloÇsevi´c nahe: "Die so genannte Welt ist heute abwesend. Die so genannte Welt ist keine Welt."

Wie weit darf ein Künstler seine Weltfremdheit treiben? In Handkes Leibblatt News dichtete Heinz Sichrovsky: "Das hermetische System Peter Handke steht groß und allein gegen Millionen Meinungsvernetzte." "Verachtenswert" seien die Feuilleton-Kollegen, die seit Jahren "als organisierte Schlägerbande über ihn herfallen. Sie brechen alle Regeln, die im Grund nur aus einer Regel bestehen: dass es in der Kunst keine Regeln gibt, weil der Künstler die Regeln immer neu aufstellt."

So kann man sich dialektisch überheben. Peter Handke hat sich hier und anderswo nicht literarisch geäußert, sondern politisch. Man kann ihm beipflichten: Das Skandalon des Angriffs der nato auf ein Land, eine Hauptstadt mitten in Europa haben viele bis heute nicht begriffen. Das macht Milosevic freilich noch nicht zum Märtyrer. Strafrechtlich ist er nicht verurteilt, historisch ist er es längst. Handke opfert seine intellektuelle Integrität seiner Utopie vom Vielvölkerstaat, in seiner Verbohrtheit wird er zur lächerlich-tragischen Figur. Die Kritiker hätten "seinerzeit an Karl Kraus versagt, jetzt versagen sie an Handke", schreibt Sichrovsky. Karl Kraus hat bekanntlich zu Hitler gesagt, was zu sagen war. Und zum Krieg auch.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.

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