"Ich habe versucht, auf meine Art, frei zu sein"

Werbung
Werbung
Werbung

Sein Song war der erste, den der Zwölfjährige Anfang der 1970er auf Musikkassette aufnahm. "Alte Hymnen, neue Lieder" hieß die religiöse Vormittagssendung auf Ö3 (!), die da aus dem geerbten Radiorecorder erklang. Ahnungslos den Aufnahmeknopf gedrückt beim seltsamen Song von der verrückten Suzanne, die in Lumpen und Federn gekleidet am Hafen die Altkleiderlager der Heilsarmee und die Mülltonnen plündert, und wo Jesus als Seefahrer auftritt, der sagt: "All men will be sailors then /Until the sea shall free them", bevor Leonard Cohen, Barde und Poet der ganz besonderen Art, das Schicksal Jesu paraphrasierte: Gebrochen, lang bevor sich der Himmel öffnen würde, sank der, sang Cohen, "unter deine Weisheit wie ein Stein".- Eigentlich hatte er mit seinen Songs die "enttäuschten Mittdreißiger" ansprechen wollen und war erstaunt, dass er das Gefühl der Jungen so traf, auch das des Teenagers im fernen Österreich. "Hatten Sie je das Gefühl, Sie müssten Schluss machen mit dem Leben?"- mit solcher Unzweideutigkeit warb seine Plattenfirma für die "pathologischen Töne" von Leonard Cohen. Und die auf den Markt gebrachten LPs brachten Auflagen im Halbenmillionen-Bereich. Bereits 1975 gab es das "Greatest Hits"-Album mit eben "Suzanne" und "So long, Marianne". Oder "Sisters of Mercy" - einmal mehr christlich grundierte Bilder des am 10. November in Montreal, seiner Geburtstadt, zu Grabe getragenen Poeten des -ja was: Folk? Pop? Blues? Die 1970er waren dabei nur ein Höhepunkt einer - auch durch finanzielle Umstände erzwungenen -noch Jahrzehnte währenden Karriere, die weiter Hits wie etwa "Hallelujah"(1984) bereithielt -bis zu seinem vor wenigen Wochen veröffentlichten "You Want It Darker", sein Vermächtnis, das in vielen Ländern die Charts stürmte.

Cohen ist wahrscheinlich der einzige Singer-Songwriter, der mit dem frischgebackenen Literaturnobelpreisträger Bob Dylan in einem Atemzug zu nennen ist -vor fünf Jahren wurde ihm selber für seine Lyrik der spanische Prinz-von-Asturien-Preis verliehen. - Irgendwann Ende Oktober 2016 zappend bei der Wiedergabe des Dubliner Konzerts 2013 hängengeblieben -mit den alten Songs, die den heutgen Endfünfziger erneut packen: Cohen, 79, singt mit kaum unterbietbarer Stimm-Tiefe vom Vogel auf der Stromleitung, vom am Haken zappelnden Wurm, dem totgeborenen Baby -und der Freiheit, und sinkt dabei mit dem Hut, seinem späten Markenzeichen, auf dem Kopf vor seinem Publikum auf die Knie: "Like a bird on the wire I have tried in my way to be free."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung