Leben zwischen zwei Welten - © Foto: iStock/finwal

Leben zwischen zwei Welten

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Die aus Bulgarien stammende Anna Dimitrova lässt ihre eigene Biografie in ihren Debütroman einfließen.

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Die aus Bulgarien stammende Anna Dimitrova lässt ihre eigene Biografie in ihren Debütroman einfließen.

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Dessi trägt Jogginghosen, eine braune Lockenmähne und lässt sich von niemandem den Mund verbieten. Daisy trägt kurze Röcke, blaue Kontaktlinsen, blonde Haare und ist darauf bedacht, was ihr Umfeld von ihr hält. Dessi und Daisy sind dieselbe Person, führen aber unterschiedliche Leben; mal entscheidet sie sich für den Döner „ohne Zwiebel“ und mal lacht sie andere dafür aus.

Anna Dimitrova erzählt aus einer konsequenten Innenansicht, wie zwei Seelen in einem Körper wohnen. Dass im Münchner Brennpunktviertel Neuperlach viele Menschen auf engem Raum wohnen und dabei heteronormative Ansichten und Werte vertreten werden, ist nicht verwunderlich. Dass in der Innenstadtschule und im Münchner Villenviertel nicht verstanden wird, dass es Alltagsrassismus auch gegenüber Osteuropäern gibt, hingegen weniger. Ausgerechnet eine gefakte Liebesbeziehung zwischen Dessi und dem queeren Bo aus derselben Gegend ist der Weg, mit dem sich die beiden Jugendlichen ein Stück Freiheit schaffen, sich mit ihren echten Partnern und Partnerinnen treffen, sie selbst sein können und zugleich ihre Herkunft ein Stück weit verraten. Dabei nimmt sich die abseits der Normen agierende Dessi selbst nie ganz ernst, überspielt mit Witzen Unsicherheiten und träumt von einer Comedykarriere.

Bei all den humoristischen Einschüben, die das Lesen überaus kurzweilig gestalten, verbleibt das Thema der Problematik von Anpassung – in beide Richtungen – vorherrschend: Alltagsrassismus, mit dem Menschen in der zweiten oder dritten Generation konfrontiert werden, bleibt stets präsent, wenn die Autorin überzeugend zwischen zwei Welten und Sprachstilen changiert und dieserart die Lebensrealität vieler Menschen nachzeichnet. Dabei beweist sie ein feines Gespür für den Situationston, holt gesprochene Sprache inklusive sprachlicher Verkürzungen und grammatikalischen Fehlern schonungslos in den Text und stellt dieserart zwei Realitäten gegenüber, die in der Protagonistin gebündelt werden.

Ohne zu moralisieren, wird dabei die Notwendigkeit von Akzeptanz und Toleranz in der Mehrheitsgesellschaft deutlich. Dass die Schnittstelle zwischen den beiden Welten am Ende über die Liebe entsteht und alle glücklich und verständnisvoll sind, tut der Stimmigkeit des Romans keinen Abbruch, wenn Dessi am Ende selbstsicher der inneren Zerrissenheit ein Stück weit entgegentritt: „Zu wem du gehörst, darfst

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