Lehrstücke ohne Lehre

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Terror und Gutmenschentum liegen offensichtlich nahe beieinander. So jedenfalls kann man es sehen, wenn man "Biedermann und die Bandstifter" als "Lehrstück ohne Lehre" akzeptiert, wie es Max Frisch im Untertitel insinuiert. Das aus den 1950er-Jahren stammende Schauspiel hat im Zeichen des Terrors wieder an Aktualität gewonnen. Wer garantiert einem, dass jener, den man ins Wohnzimmer bittet, dem Gastgeber nicht nächtens das Dach über dem Kopf anzündet? Konstruiert? Was im Schauspiel überspitzt formuliert und gespielt wird -in abgeänderter, vielleicht nicht in so krasser Form findet es im Alltag statt. Siehe Polizeiberichte.

Das Schauspielhaus Salzburg zeigt ein veritables Horrorgemälde - hier ein verbalrabiater und dummer Gutmensch, dort zwei ausgepichte Verbrecher, die geradezu krankhaft einen Haushalt und eine ganze Stadt terrorisieren und brandschatzen. Regisseur Peter Raffalt hat mit Marcus Marotte einen Biedermann, der nach außen poltert, nach innen aber immer mehr einknickt und den beiden Brandstiftern, Frederik Soltow und Magnus Pflüger, schließlich Streichhölzer überlässt. Marottes Entwicklung von einem, der der Welt sein angebliches Gutmenschentum beweisen will, bis zum resignierenden Hausherrn ist eine selten gesehene Glanzleistung.

Das Publikum als Schöffensenat

Schuldig oder nicht? Das ist die Frage, die der Strafverteidiger und Schriftsteller Ferdinand von Schirach am Landestheater Salzburg dem Publikum als mitspielendem Schöffensenat stellt. Der Autor hat mit dem seit Oktober 2015 auf vielen Bühnen gezeigten Stück "Terror" eine Flugzeugentführung konstruiert: Die Terroristen fliegen auf ein Stadion mit 70.000 Besuchern zu, 164 Passagiere bangen in der Maschine um ihr Leben. Es heißt also: Leben gegen Leben abzuwägen. Schirach macht das an der Würde des Menschen fest. Was aber nur zeigt, dass Ethik nicht die Stärke des Autors ist. Seiner These: "Die Würde des Menschen ist antastbar" steht die ethische Norm entgegen: "Alle Menschen sind gleich an Würde, die nicht gegeneinander aufgewogen werden kann." Auch hier: Ein Lehrstück ohne Lehre.

Was theatralisch bleibt, ist der Vorwurf der Tötung von 164 Menschen durch den Luftwaffenmajor Lars Koch, der den Airbus abgeschossen hat, um die Stadionbesucher zu retten. Christoph Wieschke (Regie Dedi Baron) ist ein umsichtiger vorsitzender Richter und Gregor Schleuning der des Mordes angeklagte, selbstbewusste Lars Koch. Die durchaus spannende Aufführung, ein ähnlicher Vorfall ist ja nicht unbedingt außer Reichweite, schnürt einem nicht die Kehle zu. Die Premieren-Schöffen votierten mehrheitlich für "nicht schuldig".

Biedermann und die Brandstifter Schauspielhaus Salzburg, 11., 13., 14., 16. März

Terror Landestheater Salzburg, 15. März, 7., 9., 19. April

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