Odysseus: Schuft und Städteverwüster

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Odysseus, der Weitgereiste, kehrt nach zwanzig Jahren der Vagaboundage nach dem Ende des Trojanischen Kriegs heim. Der Listenreiche. Der Städteverwüster. Es sind die dunklen Seiten, das Negative an diesem klassischen Helden, die Christoph Ransmayr für sein Stück interessieren. Er urteilt knallhart: "Odysseus. Verbrecher". So waren sie eben, die strahlenden Kämpfer in glänzender Rüstung, die sich gelegentlich der Hilfe aus dem Götterhimmel des Olymps erfreuen durften, wenn sie etwa die Entführer der schönen Helene bestrafen wollten. Diese Elite kümmerte sich selten um zu Hause gebliebene Gattinnen und Kinder, ihr Ruhm bestand im Überleben und damit auch im Töten von Feinden.

Odysseus: Ransmayr mag ihn nicht. Dafür aber der Regisseur Robert Pienz Ransmayrs Stück, das er für das Schauspielhaus Salzburg als Österreichische Erstaufführung inszenierte. Vor allem der erste Teil gelang in allen Details. Voraussetzung: Jeder Krieg ist schmutzig, ob mit dem Schwert oder der A-Bombe.

Moderne gewaltsam hereingeholt

Als nun Odysseus, der zwanghaft Reisende, endlich in sein Reich nach Ithaka zurückkehrt - das ist der Anfang des Stücks -, findet er dort eine Handvoll moderner Manager vor, die auch um der Krone willen Odysseus' Gattin Penelope den Hof machen. Ansonsten führen die "Reformer" mit der blühenden Landschaft nichts Gutes im Schilde - der Haufen aalglatter Bau- und Immobilien-Tycoons will selbst den Reichtum des Landes, die Ölbäume, zugunsten der Beton-Lobby abholzen. Aber "wo Ölbäume sind, ist die Landschaft heilig"(Erhart Kästner). Was Wunder, wenn Odysseus von "Volksfeinden" spricht.

Penelope indes, längst sauer auf ihren umherziehenden Abenteuerer, sagt es ihm deutlich: "Ich bin alt geworden/Alt ohne dich","Du hast unser Leben verschlafen". Und Sohn Telemachos, der sich dem Vater in der Rache angeschlossen hat, wird zum wütenden Pazifisten. Resigniert geht Odysseus wieder auf Reisen.

Der zweite Teil des Stücks mit den Beton-Profiteuren fällt sowohl im Text als auch in der Inszenierung stark ab. Die gewaltsam hereingeholte Moderne als Kontrast - da hat sich die in der ersten Zeile der "Odyssee" angerufene Muse, um Odysseus zu besingen, bei Ransmayr heftig weggedreht; wenn er es so geschrieben hat, wie es inszeniert wurde.

Stark in dieser Produktion des Schauspielhauses Harald Fröhlich als Odysseus, Simon Ahlborn als Telemach, Daniela Enzi als Penelope und, ganz vorsichtig und zart, Julia Gschnitzer als Magd Eurykleia. Dazu ein aktuell agierender und nicht nur kommentierender Chor von Krüppeln und Gefangenen, ein wichtiges Element der an sich sorgfältigen und interessanten Regiearbeit. Die Musik von Christoph Lindenbauer fügt sich in ihrer Modernität wie von selbst in dieses antike Schicksalsdrama, das es wohl auch ist.

Odysseus, Verbrecher

Schauspielhaus Salzburg, 7., 9., 10. April

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