Sinnsuche in der hohen Luft

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George Clooney spielt einen Vielflieger, dessen Beruf es ist Jobs zu streichen – bissige Wirtschafts-Satire.

Viele haben ihre Jobs verloren, ihre Häuser, ihre Sicherheiten. Es ist also keine Überraschung, dass während der Krise das Kino vor allem der Flucht vor dem Alltag dient, und ein computeranimierter Science-Fiction-Streifen, der auf einem fernen Mond voll blauhäutiger Naturwesen spielt („Avatar“), seit Wochen alle Box-Office-Rekorde sprengt. Über das, was uns im täglichen Leben droht, über Jobverlust und Arbeitssuche, will doch keiner einen Film sehen: Die Krise ist kein attraktives Kinothema.

Jason Reitman, Regisseur der scharfsinnigen Satire „Thank you for Smoking“ und der warmherzigen Teenagerschwangerschafts-Komödie „Juno“, schafft es in „Up in the Air“ trotzdem, die Krise ins Kino zu schmuggeln: Als Hintergrund einer romantischen Tragikomödie um eine der seltsamsten Männerfiguren, die Everybody’s Darling George Clooney je gespielt hat.

Ryan Bingham (Clooney) ist ein Mann des 21. Jahrhunderts, in absolut jeder Hinsicht. Er ist flexibel, charmant und kompetent. Er reist gerne mit leichtem Gepäck, er mag die Unabhängigkeit, er liebt die Unpersönlichkeit von Flughäfen, und es macht ihm nichts aus, am Wochenende zu arbeiten. „Wo sind Sie daheim?“, fragt ihn ein Flugbegleiter einmal, als er sich in der Business Class zurechtsetzt. „Hier“, sagt er. „Ich bin genau hier daheim.“ Er ist 322 Tage im Jahr unterwegs, und schon demnächst hat er sein Lebensziel erreicht: 10 Millionen Flugmeilen zu sammeln und damit einer von nur sieben Menschen weltweit zu sein, die lebenslangen Vielfliegerstatus erreicht haben.

Der Jobkiller

Ryan Bingham ist einer der wenigen, die in Krisenzeiten einen Boom erleben, denn er erledigt beruflich das, wovor sich jeder Arbeitgeber fürchtet: Er feuert Leute. Professionell. Als Unternehmensberater streicht er nicht nur Jobs zusammen, er wird auch engagiert, wenn Unternehmer ihre Mitarbeiter loswerden wollen. Er kommt direkt vom Flughafen in die Firma und sagt Menschen, die ihn noch nie zuvor gesehen haben: Sie werden hier nicht mehr gebraucht.

Trotzdem ist er kein Monster. Bingham mag seinen Job, denn er macht ihn gut. Niemand feuert gerne Leute. Aber irgendjemand muss es tun, und Bingham geht dabei nach einem genauen Protokoll vor. Das hilft ihm, Anschuldigungen an sich abprallen zu lassen, Wut zu besänftigen, Verzweiflung zu mildern. Als sein Chef ihm seine junge, erfolgshungrige Kollegin Natalie (Anna Kendrick) vorstellt, bricht eine Welt für ihn zusammen. Denn Natalie hat die wunderbare Idee, in Zukunft Menschen via Videokonferenz feuern zu lassen: Das sei noch effektiver, billiger und im Übrigen sogar klimaschonender. Zuvor jedoch muss sie Ryan Bingham eine Woche lang begleiten, um das Geschäft kennenzulernen.

Für Ryan steht also viel auf dem Spiel, denn er hat gerade erst eine Frau kennengelernt, die genauso angenehm oberflächlich scheint wie er: In der smarten, erotischen Geschäftsfrau Alex (Vera Farmiga) hat er eine Seelenverwandte erkannt. Vielleicht hat es doch etwas für sich, jemand an seiner Seite zu haben?

„Up in the Air“ ist eine Art Entwicklungsroman über einen Mittvierziger, tragikomisch, pointiert und liebenswert. Dazu ist der Film aber auch ein Kommentar zur Arbeitsmarktsituation, und das mit realen Bezügen, denn bis auf wenige Ausnahmen sind die Reaktionen der Entlassenen, die im Film vorkommen, echt: Das Filmteam engagierte in St. Louis und Detroit nach Menschen, die gerade auf die Straße gesetzt wurden. Elegant inszeniert, mit einem ungewöhnlichen Drehbuch, scharfzüngigen Dialogen, einem formidablen Dreiergespann in den Hauptrollen und vielen fantastischen Nebendarstellern: Auch mit seinem dritten Film macht der erst 33-jährige Jason Reitman seinem Vater, dem legendären Komödienregisseur Ivan Reitman („Ghostbusters“), alle Ehre.

Er bringt sein Publikum nicht einfach nur zum Lachen, sondern liefert ein präzises Porträt eines global beziehungsunfähigen Menschen, der Karriere über Familie stellt.

Und nebenbei erklärt er etwas, das wichtiger ist, als man denkt: Wenn jemand schon seinen Job verliert, soll er die Hiobsbotschaft wenigstens mit Würde überbracht bekommen.

Up in the Air

USA 2009. Regie: Jason Reitman. Mit George Clooney, Vera Farmiga, Jason Bateman, Melanie Lynskey, Anna Kendrick. Verleih: UPI. 109 Min

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