Von der Überwindung des Schmerzes

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"Stilles Chaos": Nanni Moretti, Filmstar des "guten" Italien, überzeugt in seiner neuesten Rolle als Trauerarebeiter.

Seit seinem ersten Cannes-Erfolg "Liebes Tagebuch - Caro Diario" (1993) wird der italienische Filmemacher Nanni Moretti auch als eine Art europäischer Woody Allen gehandelt. Das gilt gleichermaßen für seinen neuen Film "Stilles Chaos", für den der Filmstar des "guten" Italien - man erinnert sich: 2006 las er Berlusconi & Co mit "Il Caimano" filmisch, aber bekanntlich im Letzten erfolglos die Leviten - den Regie-Stuhl einem anderen überlassen hat: Nur das Buch (nach dem gleichnamigen Roman von Sandro Veronesi) und die Hauptrolle sind Moretti pur.

Dennoch war sich die Kritik schon bei der diesjährigen Berlinale einig: Moretti ist als melancholisch-komischer Held, der den Tod seiner Frau samt dadurch ausgelöster Lebenskrise auf dem Vorplatz der Schule seiner Tochter meistert, kaum zu übertreffen.

Gastauftritt für Roman Polanski

Pietro Paladini ist ein erfolgreicher Pay-TV-Manager, sein Unternehmen steht kurz vor der Übernahme durch den Medienmogul Steiner. Als Pietro und sein Bruder Carlo (Alessandro Gassmann) beim Baden im Meer eine ertrinkende Frau retten, ahnen sie nicht, dass gleichzeitig zu Hause die wirkliche Katastrophe auf sie wartet: Pietros Frau ist plötzlich tot umgefallen, und das ändert alles in seinem Leben. Als seine Tochter nach den Ferien wieder in die Schule muss, bleibt der Vater, von Schuldgefühlen geplagt, einfach vor der Schule und wartet, bis der Schultag vorbei ist. Was so beginnt, setzt sich nun Tag für Tag fort. Pietro lernt die kleinen Freuden und Leiden der Menschen kennen, die ihm nun begegnen und für die er in seinem seltsamen Lebens-Innehalten einen neuen Blick bekommt. Selbst seine Managerkollegen finden sich mit der skurrilen Situation ab und suchen Pietro an seinem urbanen Eremiten-Ort auf. Sogar Steiner kommt höchstpersönlich vorbei (eine kleine feine Gastrolle für Regie-Ikone Roman Polanski), aber das hat mit einer privaten Kalamität zu tun, die den Mogul und den Manager unfreiwillig zusammenspannt.

Nichts anderes als Trauerarbeit auf Film gebannt stellt das "Stille Chaos" dar. Regisseur Antonello Grimaldi gelingt in kongenialer Verbundenheit mit seinem Star ein leises, unaufgeregt surreales, aber tief berührendes Kammerspiel über die Verwandlung von Nichtverstehen und Schmerz in ganz kleine, aber wirksame Anleitungen zu erwachendem Lebensmut. Früher wären Pietro die kleinen Erfreuungen des Alltags ja gar nicht aufgefallen. Nun aber entdeckt er im Jauchzen eines Buben mit Down-Syndrom, der ihm jeden Tag am Schulvorplatz begegnet, wie wichtig jede noch zu unscheinbare Freude werden kann. Und man glaubt ihm diese Erkenntnis aus ganzem Herzen.

Stilles Chaos (Caos calmo)

I 2008. Regie: Antonello Grimaldi. Mit Nanni Moretti, Blu Yoshimi, Alessandro Gassmann, Roman Polanski. Verl.: Filmladen. 137 Min.

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