Wer die Regeln macht, HAT DAS GOLD

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ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ist ein Beispiel für eine längst überholte Management-Kultur des "Machers", aber sie wirkt und gefällt.

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ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ist ein Beispiel für eine längst überholte Management-Kultur des "Machers", aber sie wirkt und gefällt.

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Seit Anton Innauer 1980 in Lake Placid die Olympische Goldmedaille im Skispringen gewonnen hatte, vertiefte er sich intensiv wie kaum ein anderer in die Motive von Spitzensportlern und in die Abläufe von Verbänden. Von 1992 bis 2010 arbeitete er in verschiedenen Funktionen für den ÖSV und den Präsidenten Peter Schröcksnadel. Vor einigen Wochen schrieb Innauer in einem Kommentar für die Vorarlberger Nachrichten, dass "die 'großen' alten Herren in den Führungsetagen von Sportverbänden aus psychologischer Sicht holzschnittartige Idealmodelle für die Spezies der 'Macher'" darstellen.

Der Text erschien lange vor der heißen Phase des Konflikts zwischen Anna Fenninger und Peter Schröcksnadel und wirkt doch wie eine aktuelle Analyse. Die Öffentlichkeit erhaschte vor einigen Tagen einen kurzen Wahrmoment des "Machers" Schröcksnadel, als er die Versöhnung mit der Verbandsdissidentin Anna Fenninger verkündete. Die Olympiasiegerin war gar nicht zugegen. Das war offenbar auch gar nicht notwendig, denn Schröcksnadels Wort gilt unhinterfragt als Wahrheit.

Nach der Pressekonferenz des "Machers" erklang in den Medien landauf, landab das Hohe Lied der Autoritätsgläubigkeit. Von der "Akte Fenninger -Protokoll einer Unterwerfung" stand geschrieben, Kommentatoren bauschten Fenningers "Unterwerfung" zur bedauerlichen Niederlage des "Feminismus" auf. Merke: Die Wahrheit ist ein Kind der ÖSV-Propaganda.

Sehnsucht nach Erlöser

Der "Macher" Schröcksnadel personifiziert die Sehnsucht nach einem Erlöser. Wo demokratische "Checks and Balances" fehlen, soll eine "Führerfigur" alles richten. Dieses demokratische Defizit hängt -ähnlich wie im Fall der von Korruptionsverdacht diskreditierten FIFA -mit der Vereinsstruktur des ÖSV zusammen. Sie erlaubt rasches Handeln und eine zentralisierte Entscheidungsfindung, doch ihr mangelt es an institutionalisierter Kontrolle. Zu viel Macht sammelt sich in einer Hand.

Macher "zeigen ihre Kraft besonders in bedrohlichen Krisensituationen", schreibt Innauer. Sie verursachen sie freilich auch, eben durch ihre Machtfülle - um dann wieder als Retter aufzutreten. Ein Kreislauf, der durch den Hofstaat von Günstlingen perpetuiert wird. Die Causa Fenninger beendete erst ein Machtwort Schröcksnadels, kein anderer Funktionär wurde auch nur eines Kommentars gewürdigt. Selbst Fenninger durfte oder brauchte zu ihrer eigenen Causa nichts zu sagen.

Der Psychologe und Management-Trainer Michael Schmitz ("Psychologie der Macht") hat reichlich Erfahrung mit Machtmenschen und Sportfunktionären. Sein Stiefsohn Markus Rogan war Schwimmweltmeister und Weltrekordler. "Der ÖSV lässt keinen Raum für Individualität von Sportlern", sagt Schmitz im Gespräch mit der FURCHE. "Das ist ein autoritäres System, der Einzelne zählt nichts, wer aufbegehrt, kriegt Ärger." Management à la ÖSV sei "heute in keinem Unternehmen mehr ein gängiges Modell, wir reden hier von einem Patriarchat". In Interviews nach der Frohbotschaft über Fenningers Heimkehr an den ÖSV-Herd bezeichnete Schröcksnadel seinen Führungsstil als "Leadership" und behauptete unwidersprochen: "Ich bin der Beste." Schmitz: "Das beweist nur, dass er keine Ahnung hat, was Leadership ist."

Ein gewiefter Self-Made-Millionär

Anachronistisch geführte Verbände wie ÖSV oder FIFA funktionieren nach dem Grundsatz: "Macht schafft sich ihre Strukturen." Wenn dem "Macher" nachgeordnete Funktionäre handeln oder entscheiden, halten sie damit bloß die existierenden Strukturen aufrecht. "Das strukturelle Problem wird ignoriert", meint Schmitz. Und das ist beim ÖSV "ein Verständnis von Management wie aus den 50ern des vergangenen Jahrhunderts".

Wie reagieren moderne, global agierende Unternehmen wie ÖSV-Partner Audi auf die organisatorische Rückständigkeit des Verbandes? Schmitz warnt davor, "Unternehmen zu idealisieren. Die fragen sich doch nur, wie krieg' ich für möglichst wenig Geld möglichst viel Werbung?" Für Audi sei das ideal, "dass es da jemanden gibt, der Anna Fenninger vor die Füße tritt, wenn sie Werbung mit Mercedes macht".

Der Chefredakteur des deutschen Philosophie Magazins, Wolfram Ellenberger, hat in der Wochenschrift Die Zeit den FIFA-Präsidenten Joseph Blatter als Repräsentant der "Einheit der Gläubigen" charakterisiert. Ähnliches gilt wohl für Schröcksnadel und die Skifans. Egal, ob man ihn schätzt oder nicht, Schröcksnadel personifiziert das symbolische Kapital des Skisports in Österreich.

Das erklärt vielleicht auch die Faszination, die er auf Journalisten ausübt. Ein intelligenter, gewiefter, beinharter, fanatischer Self-Made-Millionär, der eine "Mission Possible" verfolgt und gnadenlos gegen alle Widerstände und Schwierigkeiten verteidigt: Österreich muss die Ski-Nation Nummer 1 bleiben. Solche Hingabe strahlt eine magnetische Einigungskraft aus wie Urchristentum oder Bolschewistische Revolution.

Das Ganze ist wichtiger als der Einzelne, die Idee kommt vor der Person. Daher sind individuelle Opfer, auf dem Skihang und am Verhandlungstisch, zwar bedauerlich, aber manchmal leider unvermeidlich.

Der Skirennsport ist im Unterschied zum Fußball eine von Rezession bedrohte Branche. Umso wichtiger scheint die Aufrechterhaltung des Machtmonopols, um die unersetzlichen, quasi-sakralen Inhalte zu schützen. Schröcksnadel trägt längst den Nimbus des Unersetzlichen, er ist, um noch einmal Ellenbergers Beschreibung von Blatter zu paraphrasieren, der Skigott. Und dem Skigott widerspricht man nicht.

Er erteilt sich konsequenterweise auch selber die Absolution, stets allen finanziellen Versuchungen widerstanden zu haben. Aber er verweigert beispielsweise die Offenlegung der ÖSV-Gewinne aus der Ski-WM 2013 in Schladming. Sie sind auch dank öffentlicher Förderung von mindestens 170 Millionen Euro für den ÖSV und Infrastrukturmaßnahmen zustande gekommen. Und er ist seit 1990, als er den Präsidentenstuhl erklomm, mit seiner Firma "sitour" reich geworden. Laut Eigenlob ("1000 Skigebiete in 8 Ländern") ist "sitour" Weltmarktführer in der Vermarktung von Werbeflächen in Wintersportgebieten. Viele Firmen warben und werben gleichzeitig mit dem ÖSV und mit "sitour", das mag System sein oder Zufall. Dem ÖSV hat es sicher nicht geschadet, das hätte Gott Schröcksnadel auch nicht zugelassen.

Für Schmeicheleien empfänglich

Innauer schreibt, dass "Macher in jedem Gegenüber auf mysteriöse Art wie in einem Spiegel immer nur sich selbst" sehen. Das mache sie empfänglich für Schmeicheleien. Das ist das Problem mit dem Macher Schröcksnadel. So perfekt er den ÖSV -zumindest seiner und der Einschätzung seiner Jünger nach -führt, ist er damit gleichzeitig ein Gegenentwurf zu den Sportlern, ein Fremder im eigenen Haus.

Denn Sportler sind unperfekt, sie üben, trainieren, quälen sich mit dem Ziel vor Augen, eines Tages den Status der Exzellenz zu erreichen. Der Philosoph Peter Sloterdijk hat in seinem Buch "Du musst dein Leben ändern" eine Theorie dazu geliefert und den Menschen als übende, sich selbst disziplinierende Lebewesen beschrieben. Der Sportler ist dessen moderne Inkarnation, sein Vorgänger ist der in der Einsamkeit der Wüste sich selbst perfektionierende Eremit. Schröcksnadel aber hält sich selbst für perfekt. Das passt nicht in eine Gemeinschaft von Menschen, die nach dem Ethos der Selbstdressur leben. Man kann Schröcksnadel schlussendlich als Gegen-Stronach beschreiben: Wer die Regeln macht, hat auch das Gold.

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