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Das Kommunique

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Chruschtschow ist zu offiziellem Staatsbesuch in Wien. Den Abschluß des umfangreichen Programmes, über das in einem anderen Zusammenhang an anderer Stelle erzählt wird, bildete wie üblich ein vom Gast gegebenes Abendessen für die Mitglieder der Bundesregierung. Noch während dieses Essens aber war eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Das offizielle Kommunique war noch immer nicht fertiggestellt. Solche Kommuniques kommen in der Regel so zustande, daß sowohl die Gastgeber wie auch der Gast einen Entwurf für das Kommunique schon vor Beginn des Besuchsprogrammes ausarbeiten und die beiden Entwürfe in der Regel bereits am ersten Besuchstag, meistens nach Schluß der ersten Arbeitssitzung, austauschen. Wenn ein Ministerpräsident einen Besuch abstattet, wird er in der Regel auch vom Außenminister begleitet; so auch Chruschtschow, der mit Gromyko gekommen war. Es ist nun Aufgabe der beiden Außenminister, im Verlauf des Besuches die beiden Entwürfe zunächst aufeinander abzustimmen und mit den jeweiligen Verhandlungsergebnissen zu ergänzen. Das geschieht in der Form, daß die zuständigen Beamten sich in durch den Verlauf des Besuches bedingten, zeitlichen Abständen immer wieder zusammensetzen und gemeinsam die Texte so lange korrigieren, bis übereinstimmende Formulierungen, die dem Besuchsablauf entsprechen, gefunden sind. Je nachdem, ob bei einem solchen Besuch nun bedeutsame Probleme besprochen und geregelt werden sollen oder ob es sich mehr oder minder um einen formellen Höflichkeitsbesuch handelt, nehmen diese Arbeiten längere oder kürzere Zeit in Anspruch. Bei Besuchen von östlichen Regierungsvertretern oder bei Besuchen in kommunistischen Staaten ist die Abfassung des Kommuniques aber selbst dann kompliziert, wenn keine essentiellen Verhandlungsprogramme vorliegen. Immer wieder merkt man bei solchen Formulierungen ein starkes Mißtrauen auf der kommunistischen Seite; viele Prestigerücksichten müssen dabei berücksichtigt werden, und so kommt ein solches Kommunique meist erst im allerletzten Augenblick zustande.

So verhielt es sich auch bei dem Besuch von Chruschtschow, der, wie an anderer Stelle erzählt wird, für Österreich unter anderem das wichtige Ergebnis einer Reduzierung der im Staatsvertrag verankerten Erdöl-lieferungen brachte. Während sich aber die beiderseitigen Beamten über die Formulierungen, die die wesentlichste-i Teile des Kommuniques betrafen, nasch geeinigt hatten, versuchte Gromyko noch eine Formulierung in das Kommunique hineinzubringen, die das Deutschland-prablem betraf.

Dazu konnte österreichischerseits natürlich keine Zustimmung gegeben werden, denn Österreich hat sich als neutraler Staat, unabhängig von den herrschenden Meinungen über dieses Problem, natürlich einer offiziellen Stellungnahme dazu zu enthalten. Trotzdem wurde immer wieder von sowjetischer Seite insistiert, und während wir beim schwänzen Kaffee in Gruppen beisammensaßen, erschien mehrmals der österreichische Außenminister beim Bundeskanzler und Herr Gromyko bei Chruschtschow, um rückzufragen, wie man diesen heiklen Punkt im Kommunique behandeln sollte. Als Gromyko das drittemal bei Chruschtschow erschien — ich saß in diesem Augenblick zufällig dem sowjetischen Ministerpräsidenten gegenüber — erhielt er eine heftige Antwort von Chruschtschow, der sich daraufhin zu mir wandte und erklärte: „Da streiten sich die Außenminister noch immer über die Formulierung betreffend die Deutschlandfrage, aber Ihr Außenminister will einfach nicht. Ich habe Herrn Gromyko gesagt, er möge mich endlich damit in Ruhe lassen, denn in ein Kommunique kann nur hineinkommen, worauf sich beide Teile einigen; und wenn man eben zu dieser Frage keine gemeinsame Formulierung finden kann, dann kann auch nichts darüber im Kommunique stehen.“ Zwei Minuten später erschienen die beiden Außenminister zufrieden lächelnd mit dem fertigen Kommunique in ihren Händen. Chruschtschow war offensichtlich der erste Realist in der Sowjetunion. Mußte er darum so bald in der Versenkung verschwinden?

Aus dem im Herold-Verlag erschienenen Buch von Fritz Bock „Im Protokoll nicht vorgesehen“.

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