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Eine Frau gegen die Mafia

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Baronin Teresa Cordopatri war 1994 anläßlich der Prozesse gegen die Mafia-Bosse des Mam-moliti-Clans in allen Medien präsent. Ihr 23-tägiger Hungerstreik vor dem Justizpalast ihrer Heimatstadt Reggio Calabria, den sie erst nach Zusagen von Innenminister Alberto Maroni abbrach, löste eine Welle von Solidaritätskundgebungen aus, die schließlich im Aufschrei ganz Süditaliens gegen das Diktat der Mafia gipfelte. Nun erschien der authentische Bericht über einen Kampf, der aussichtslos schien, dann aber erstmals zu langjährigen Haftstrafen für Mafia-Bosse führte.

Teresa Cordopatri dei Capece entstammt einem ruhmreichen Adelsgeschlecht Süditaliens. Vom Vater erbt sie mit dem geliebten Bruder Antonio ein großes Landgut mit Olivenhainen und die tiefe Verbundenheit zu diesem Land. Bereits zu Lebzeiten des Vaters bedrängen Mafiabosse die Familie, ihre Güter zu verkaufen. Drohungen, Plünderungen und die Erpressung der Gutsverwalter gehören 30 Jahre lang zum Leben der Cordopatris, die sich immer enger zusammenschließen, um ihre Güter zu erhalten. Sie wissen, daß es der Mafia nicht um den an sich geringen Wert der Olivenhaine geht, sondern um eine Demonstration ihrer Macht in der Begion.

Die Cordopatris haben allerdings

statt der üblichen Fahnen Schwerter in ihrem Wappen. Und sie beharren auf ihrem rechtmäßigen Besitz. Im Glauben an staatliche Ordnung und Gerechtigkeit erstatten sie Anzeigen, wenn Morddrohungen und Anschläge ihr Leben beeinträchtigen und bedrohen. Hochgestellte Politiker und Anwälte reagieren auf ihre Interventionen mit dem Bat, der Mafia nicht zu stur zu begegnen.

Nach und nach verzweifelt die Familie am Kampf gegen die Ndrang-heta, die kalabresische Mafia. „Die Mafia hat Reggio Calabria in die Knie gezwungen", stellt die Baronin verbittert fest.

Im Juli 1991 wird Antonio Cordopatri -wie oftmals von der Mafia angekündigt -vor seinem Haus hingerichtet. Teresa, die dem Attentat durch eine Ladehemmung der Mörder entgeht, beschließt daraufhin, das „Schwarze Schweigen", das alle lämt, zu durchbrechen. Als die Steuerbehörde kurz darauf - horrende Steuernachzahlungen fordert, die sie zum Verkauf ihres Besitzes zwingen würden, sind ihre Geduld und ihre noble Zurückhaltung endgültig erschöpft: In einem Hungerstreik vor dem Justizpalast protestiert sie dagegen, daß jener Staat, der ihre Anzeigen 30 Jahre lang ignoriert hat und weder ihren Besitz noch das Leben ihres Bruders schützen wollte, nun stur seine Steuern fordert, obwohl er genau weiß, daß alle Erträge aus der Ölivenpressung längst in die Hände

der Mafia fließen.

Nach 23 Tagen beendet sie völlig erschöpft den Hungerstreik, nachdem ihr ein Verfahren gegen die Mafia-Bosse zugesichert wird. Im folgenden Prozeß, in dem erstmals das ganze Ausmaß der kriminiellen Aktivitäten des Mammoliti-Rugolo-Nava-Clans deutlich wird, werden erstmals langjährige Haftstrafen ausgesprochen, obwohl das Gericht die Anhörung des Kronzeugen in letzter Sekunde ablehnt. Über 70 Landbesitzer-Familien waren kontinuierlich bedroht und viele Morde waren verübt worden.

Der Bericht von Teresa Cordopatri über ihren zähen Kampf gegen die Mafia vermag tief zu beeindrucken. In knappen, eindringlichen Worten gelingt es ihr, die Welt ihrer Kindheit und das Verantwortungsbewußtsein ihrer Familie für die Heimatregion nachzuzeichnen. Und sie zeigt auf, wie diese Welt von der „Omerta", dem „Schwarzen Schweigen", zerstört wird.

Eindrucksvoll ist ihre Anklage gegen die Korruption staatlicher Behörden und den Mafia-Filz quer durch alle politischen, kirchlichen und juristischen Institutionen. Das Buch hat sie geschrieben, damit ihr Kampf nicht vergessen wird. Denn sie ist skeptisch, daß ihr Sieg gegen die Mafia ein bleibender ist: „Vielleicht wird sich die Mafia ihre Wohlstandskleider erneut umlegen und nistet sich wieder in den diversen Justizpalästen ein, in den Sesseln der Abgeordneten im römischen Palazzo Monteciterio und in den Beihen der Ordnungskräfte."

Wm SCHWARZES SCHWEIGEN

Eine Frau kämpft gegen die Mafia. I an Teresa (-ordopatri dei Capece und .Ingeln a Rago Gallizzi. smm ing,i(i K[em yerlag Hamburg 1996. 157 Seiten, geb., ös 221,-

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