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„Jetzt geht es ans Eingemachte"

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DieFurche: Wie fühlen Sie sich als Rektor einer Universität, von der mehrere Institute und Fakultäten angekündigt haben, nächstes Semester keine neuen Studenten mehr aufzunehmen?

Rektor Alfred Ebenbauer: Ich fühle mich traurig, resigniert und unendlich enttäuscht. Und das ist keine gute Stimmung für jemanden, der die Aufgabe hat, eine Institution wie die Uni Wien zu leiten. Man muß versuchen, eine Spur von Optimismus zu behalten. Leicht ist das nicht.

diefurche: Was stimmt Sie noch optimistisch?

ebenbauer: Die Pflicht, daß es irgendwie weitergehen muß. Die Geschichte der österreichischen Universitäten kann ja nicht mit Rudolf dem Stifter beginnen und mit Rudolf Schölten enden. Ohne eine bedeutende Hochschule kommen wir in diesem Land nicht aus. Im Moment geht es wirklich ans Eingemachte.

dieFurche: Wieso geht es den Universitäten ausgerechnet jetzt an die Substanz?

ebenbauer: Erstens wegen des Sparpakets an sich. Selbstverständlich müssen auch die Universitäten sparen, aber die Frage ist, wann die Grenze erreicht ist. Und zweitens wegen der merkwürdigen Konzeptlosigkeit, die dahintersteht, und wegen des verächtlichen Zynismus der Verantwortlichen, der sich in einem ungeheuren Mangel an Gesprächs-, Diskussionsund Politkultur äußert. Da wird nicht diskutiert, sondern einfach drüberge-fahren.

diefurche: Stehen die Universitäten tatsächlich vor dem Kollaps? ebenbauer: Natürlich werden wir nicht in Konkurs gehen. Aber es werden eine Menge von Fächern zugesperrt und es wird viel weniger Studenten geben. Kurzfristig ist es völlig egal, ob wir ein paar Dolmetschstudien weniger haben, oder ob die medizinische Ausbildung zum Erliegen kommt. Ungut ist es dann vielleicht in ein paar Jahren für die Kranken. Wenn es nicht genügend Assistenzärzte in den Universitätskliniken gibt, dann merkt man plötzlich, was auf dem Spiel steht. Bei den anderen Fächern ist das nicht anders, nur nicht so deutlich.

diefurche: Es gibt Stimmen, die die Schließung der „ Orchideenfächer" anregen, also von exotischen Studien mit minimalen Studentenzahlen. ebenbauer: Fächer dieser Art sind nicht so häufig vertreten. Die so oft zitierte Tibetologie gibt es nur einmal in Österreich, ebenso wie die Sinologie und die Japanologie. Die Sinologie ist aber in Wirklichkeit keine solche Orchidee, denn China ist ja recht groß, wie man weiß. Und es sollte auf der Hand liegen, daß die Musikwissenschaft, die an drei Universitäten unterrichtet wird, im Musikland Österreich keine Orchidee ist.

diefurche: Wird es nötig sein, einzelne Studien aufzulassen?

Alfred Ebenbauer

kritisiert die Konzeptlosigkeit des den Universitäten auferlegten Sparkurses. Er sieht das kulturelle Erbe Österreichs bedroht.

Ebenbauer: Wir haben nun einmal ein großes kulturelles Erbe, gerade bei den Geistes- und Kulturwissenschaften. Wie haben auch die Staatsoper, das Burgtheater und Schönbrunn. Wir haben viel geerbt. Und das kostet unsere kleine Republik viel Geld. Darunter stöhnen wir. In der Numismatik, Byzantinistik und der Archäologie sind wir führend. Genauso wie die Staatsoper zu den fünf besten Häusern der Welt gehört, gehört unsere Archäologie zu den vielleicht fünf besten. Im Moment ist es durchaus im Bereich des Möglichen, daß ein paar dieser Fächer zugesperrt werden. In diesem Sinne könnte man aber auch die Oper zusperren. Denn wer braucht schon eine Staatsoper? Es muß einmal darüber diskutiert werden, was ein Kulturland ausmacht.

diefurche: Viele Universitätsangehörige beschweren sich darüber, daß Posten nicht nachbesetzt würden, die durch Pensionierungen und ausgelaufene Vertrage frei geworden sind Aber zuletzt hat Wissenschaftsminister Schölten die Universitäten vom Aufnahmestopp beim öffentlichen Dienst ausgenommen

ebenbauer: Zuerst hat sich Schölten gegen einen Aufnahmestopp ausgesprochen, ein paar Tage später verordnet er einen, um sich dann wieder dagegen querzulegen. Da fühlt man sich gepflanzt. Das ist keine planende Politik, sondern Realsatire.

diefurche: Werden die freien Posten nun nachbesetzt oder nicht? ebenbauer: Weil unser Gehaltsbudget auf dem Stand des Vorjahres eingefroren ist, sind wir nicht in der Lage, die 300 an der Universität Wien derzeit freien Posten zu besetzen. Zusätzlich werden die vorhandenen 6.000 Beschäftigten alle zwei Jahre teurer. Das ist ein Struktureffekt. Selbst wenn wir alle freien Stellen nicht nachbesetzen, erreichen wir das Sparziel noch immer nicht. Das heißt, wir haben de facto einen lOOprozentigen Aufnahmestopp.

dieFurche: Angenommen, Sie wären Wissenschaßsminister Wie würden Sie sparen?

ebenbauer: In unserem Zusammen-

hang ist ein kurzzeitiges Sparen einfach nicht möglich. Man müßte der Universität ein klares Sparziel vorgeben, aber das kann nur mittelfristig, also in zwei oder drei Jahren, erreicht werden. Mit einem klaren Konzept aber läßt sich das machen.

dieFurche: Sind Sie weiterhin für den freien Hochschulzugang? Ebenbauer: Er ist die beste Variante. Er ist ein Ideal, das man sich aber nicht mehr leisten kann. Dann soll man aber nicht so tun, als ob man sich ihn leisten könnte. Dann muß man klipp und klar sagen: Er ist zu teuer.

diefurche: Könnten Sie sich mit Studiengebühren anfreunden? ebenbauer: Ich habe früher immer gesagt, so lange wir keine Autobahn-maut haben, brauchen wir auch keine Studiengebühr. Jetzt kriegen wir die Autobahnmaut... Aber ich glaube nicht, daß Studiengebühren wirklich etwas bringen. Ich sehe nur eine Möglichkeit: In einem gewissen Zeitraum, etwa dem ersten Studienjahr, ist eine gewisse Menge an Leistung zu erbringen. Wer die nicht erbringt, muß die Universität verlassen.

diefurche: Was halten Sie von einem Numerus Clausus? In Deutschland etwa entscheidet der Notendurchschnitt des Maturazeugnisses, ob man zu einem Studium zugelassen wird, oder nicht

ebenbauer: Der deutsche Numerus Clausus ist das Dümmste, was es überhaupt gibt. Nicht, daß die Matura etwas leichtes ist, aber sie ist doch etwas ganz anderes als ein Studium.

diefurche: Wie steht es mit der Autonomie der Universitäten' ebenbauer: Jetzt wird sie uns zwangsverordnet. In besseren Zeiten, wo man noch hätte gestalten können, hat man uns nichts gegeben. Jetzt, wo es nur noch darum geht, wer zusperrt, da bekommen wir die Autonomie plötzlich über Nacht. In Zeiten, wo Kompetenz auch Macht bedeutet hat, hat man sie nicht so gerne hergegeben. Jetzt, wo die Kompetenz nur noch darin besteht, sich unbeliebt zu machen, gibt man sie gerne her. Das stimmt bitter.

diefurche: Haben sie schon einmal daran gedacht, alles hinzuschmeißen? Ebenbauer: Ja, natürlich: Täglich beim Rasieren. Dauernd frustriert zu werden, ist nicht lustig.

dieFurche; Sehen Sie ein Licht am Horizont?

Ebenbauer: Im Augenblick nicht. Das einzig Erfreuliche sind die Studierenden. Ich glaube, daß die Proteste der letzten Monate witzig, geistreich, und auch motiviert waren; unaggressiv und trotzdem pointiert. Ich habe schon ganz andere Demos erlebt. Und dann der deklarierte Wijle, zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Studien zurückzukehren. Ich finde, die jungen Leute sind in Ordnung. Das ist das einzige, was mich als Rektor optimistisch macht.

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