Quintessenz eines Gesichts

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Der britische Künstler Julian Opie schafft einen Brückenschlag zwischen der traditionellen Kunst Japans und der digitalen Bildwelt.

Japan hat es geschafft, das Double ist gelungen. Einmal steht das Land für jene reduzierte Kunst der klaren und vor allem Ruhe vermittelnden Formen wie sie der Zen-Buddhismus entwickelt hat, daneben aber auch für ein riesiges Computerspielarsenal, in dem in überbordenden Architektur- und Landschaftsdesign alles flimmert und vor allem Action angesagt ist. Wo auch immer innere Verbindungslinien in der japanischen Kultur selbst nachzuweisen sind, einen frappierenden Brückenschlag zwischen diesen auf den ersten Blick eher disparaten Ingredienzien vollzieht Julian Opie mit seinen neuesten Arbeiten, die zurzeit im MAK zu sehen sind.

Austausch Japan - Europa

Ein intensiverer Austausch zwischen Kunstschaffenden aus Europa und Japan ereignete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nachdem die japanischen Machthaber damals wieder die Häfen für den Handel mit Übersee öffneten, gelangten heute hoch geschätzte Holzschnitte der japanischen Meister dieser Technik, wie Kitagawa Utamaro, Utagawa Hiroshige und Katsushika Hokusai, mitunter als Verpackungsmaterial nach Europa.

Hier ließen dann Größen wie Henri de Toulouse-Lautrec oder Vincent van Gogh die formalen Vorgaben so weit in ihre Arbeiten einfließen, dass diese sogar als Kopien in der Hintergrundgestaltung auftauchen, wie zum Beispiel in van Goghs Porträt des Père Tanguy. Julian Opie nähert sich aus einer doppelten Tradition, die japanischen Originale dienen ihm ebenso als unmittelbare Anregung wie die Errungenschaften westlicher Kunstentwicklung.

Opie präsentiert sich dabei vornehmlich als großartiger Porträtist. Ganz gleich, ob er sich um Konterfeis von Menschen kümmert oder ob er in die Landschaft blickt, in beiden Fällen setzt er zu einer formalen Radikalkur an, die Stück für Stück alle bildhafte Zusatzinformation abtrennt. Dreidimensionale Gesichter und Körper werden monochrom flachgedrückt, gerade einmal die Aufhellungspunkte in den Augen, die Haare und - falls vorhanden - Kleidungsstücke vermitteln in ihren Farbabstufungen Anklänge an Räumlichkeit.

Opie geht es in seinen Porträts darum, die Quintessenz eines Gesichts herauszuarbeiten. Wichtige Lösungsvorschläge dazu findet er sowohl in der europäischen Porträtkunst seit dem 17. Jahrhundert, vornehmlich niederländischer und englischer Provenienz, den erwähnten japanischen Meistern des Holzschnitts und den Protagonisten der Pop-Art.

Aber Opie zieht sich keineswegs auf eine Zitatenkiste zurück. Wie wir alle Elemente unserer Sprache von anderen übernommen haben und dennoch "unsere" Sätze damit formulieren, die so in keiner Tradition vorgekommen sind, so entstehen bei Opie für ihn typische Formen. Einen Charakterkopf à la Opie erkennt man, auch wenn diese Köpfe ganz unterschiedliche Personen erkennbar abbilden.

Kargheit erzeugt Fülle

Bereits bei seinen Porträts arbeitet Opie unter Zuhilfenahme von computergeneriertem Bildmaterial. Auf seinen Litfaßsäulen pixeln die Figuren dann zu Leuchtpunkten aus, die in der wechselweisen Blinkschaltung Bewegung suggerieren. Einen Höhepunkt der Ausstellung bilden aber sicher seine Computerfilme, die mittels Flash-Animation auf LCD-Schirmen so etwas wie Ikonen japanischer Landschaftsausschnitte bieten. Auch hier eine Kargheit, die paradoxerweise gerade durch das Weglassen den Eindruck von Fülle erzeugt, gepaart mit unaufdringlicher Farbigkeit, die unmittelbar überspringt, und klar strukturierten Kompositionen.

Die kleinen Bewegungen auf diesen Ansichten und die eingespielten Geräusche erwecken diese Arbeiten zu stillem Leben. Kaum einmal trifft man all das, was man aus der langen Tradition gelungener Landschaftsmalerei schätzen gelernt hat, in vom Computer erzeugten Bildern wieder. Opie ist diese Meisterleistung gelungen.

Julian Opie, Recent Works

Museum für Angewandte Kunst

Weiskirchnerstraße 3, 1010 Wien

Bis 21. 9. Di 10-18, Mi-So 10-18 Uhr

Katalog: Peter Noever, Julian Opie Recent Works, Ostfildern 2008,

160 Seiten, € 35,-

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