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Wiedererweckte Freskenkunst

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Keine historische Rückschau über das Verhältnis von Kirche und Kunst soll gegeben werden, auch keine Wertung der Bedeutung, die 'das religiöse Empfinden für die Entwicklung det bildenden Kunst besitzt, oder der wichtigen Rolle, welche die Kunst irh kirchlichen Leben spielt. Nur die Tatsache muß festgehalten Werden, daß seit dem Ab- ' klingen des Barocks der innige Zusammenhang zwischen Kirche und Kunst fast völlig verlorenging. Dies hängt mit der zunehmenden Gleichgültigkeit breiter Volksschichten gegenüber allen religiösen Angelegenheiten, mit dem Überhandnehmen des Materialismus, der für alle seelischen und künstlerischen Regungen der ungeeignetste Nährboden ist, zusammen.

Die religiöse Kunst der letzten Jahrzehnte erstarrte in einer rein äußerlichen Formen- spraihe, die letzten Endes zu' einer fast fabrikmäßigen Erzeugung religiöser Kunstwerke führte. Die in engen Grenzen ge- haltehe kirchliche Bautätigkeit bediente sich bis zur Jahrhundertwende überlieferter Baustile, die mehr oder weniger geistvoll kopiert wurden. Weder die Vertreter der Kirche noch die schaffenden Künstler fanden den in früheren- Epochen selbstverständlichen Mut, aus dem Fühlen und Ringen der Zeit heraus zu neuen Formen und neuem künstlerischem Ausdruck zu gelangen. Hierin konnte auch die Gründung verschiedener Organisationen zur Förderung religiöser Kunst keinen Wandel schaffen, da sie ja auch nicht das Grundübel zu beseitigen vermochten, das darin bestand, daß es eben an Künstlern fehlte, die aus innerer religiöser Ergriffenheit und aus dem Geist der Zeit heraus ihre Werke schufen.

Das vom Weltkrieg zermarterte und leidgequälte Europa sieht sich einer gewaltigen Welle religiöser Erneuerung gegenüber, die stark- genug sein müßte, ’ um auch der religiösen Kunst' neue Impulse und neue Formelemente' 2u ‘geben. Die Pforten unserer Gotteshäuser werden sich auch der neuen Kunst unserer Zeit öffnen müssen, wobei allerdings nicht übersehen, werden darf, daß es sich bei dieser Kunsterneuerung nicht um unausgegorene und klügelnde Experimente von sehr beschränkter Gültigkeitsdauer handeln darf, die dem- religiösen Empfinden des Volkes — und die Kirchen sind im edelsten Sinne des'Wortes Häuser des Volkes — ins Gesicht schlagen, sondern um Kunstwerke, die durch die glühende Kraft ihres religiösen Bekenntnisses, durch ihre sittliche Würde und die. Größe ihrer Darstellung geeignet sind, die religiöse Ergriffenheit der Gläubigen zu steigern.

Das. kriegerische Geschehen hat in Österreich viele Gotteshäuser zerstört oder schwer beschädigt. Ihr Neubau und ihre Wiederherstellung müssen so durchgeführt werden, daß in ihnen für die künstlerische Minderwertigkeit schablonisierten Kitsches kein Platz mehr ist, . sondern daß religiös. empfindende Künstler,, beraten durch, kunst- verständige Priester, den. Geist religiöser und künstlerischer Erneuerung in die Gotteshäuser hineintragen. Daß diese Forderung erfüllt werden kann, beweisen die Fresken Faistauers für die Morzger Kirche, der erschütternde Crucifixus des Halleiner Bildschnitzers Adelhart und so mancher moderne. Kirchenbau, Wirklich große und echte Kunst ist aus der Zeit geboren und trotzdem zeitlos; nachahmender Kunst fehlt der Gluthauch innerster Empfindung, sie ist veraltet, kurz nachdem sie geschaffen wurde.

Besondere Bedeutung kommt gerade jetzt der Wiedererweckung der. Freskenkunst zu, weil sie berufen erscheint, die kahlen Decken der neuerstandenen und renovierten Kirchen mit neuem künstlerischem Schmuck zu versehen. Die Aufgabe, die unseren Freskenmalern damit gestellt wird, ist überaus schwierig, selbst wenn sie über Phantasie, kompositionelle Kraft und hervorragendes technisches Können verfügen. Einerseits wird der symbolistische Charakter des kirchlichen Deckengemäldes, namentlich in alten Barockkirchen, festgehalten werden müssen, andererseits roll dieses doch irgendwie der Zeit Rechnung tragen, in der es geschaffen wird. Hier kann nur eine glückliche Wahl des Motivs zu einer harmonischen Synthese von dogmatischer Richtigkeit und beseeltem Zeitempfinden führen.

Diese beglückende Einheit ist dem überaus begabten Wiener Maler Hans Alexander Brunner in seinen letzten großen kirchlichen Fresken fast restlos geglückt, obwohl sich in manchen Teilen noch verschiedene Einwände erheben lassen. Die Deckenmalerei in dęr schönen Barockkirche in A r b e s b a c h im Waldviertel ist bereits vollendet und gestattet ein abschließendes Urteil. Zentrum der Fresken bildet die Darstellung der Himmelfahrt Mariens, der Hl. Dreifaltigkeit, umgeben von den Heiligen Hieronymus, Augustinus, Ambrosius und Gregor, den Defensoren des Gedankens der Hl. Dreifaltigkeit. Zum Kirchenchore zu finden wir die Darstellung der im Waldviertel besonders verehrten Heiligen, gruppiert um St. Michael, während die .Wölbung über dem Hochaltar Engelsgestalten zeigt, die nach dem Motiv einer prachtvollen alten Barockmonstranz das Allerheiligste umschweben. Am geschlossensten wirkt das Mittelstück der Himmelfahrt, am lebendigsten die Gruppe der Heiligen, weil sich in ihnen die Zeitnähe am ehesten erkennen läßt. Die Engelgruppe, die durch drei musizierende Engel mit dem Mittelbild verbunden ist, al secco gemalt, . scheint mehr . eine Verlegenheitslösung zu sein. Bezwingend wirken in diesen Fresken die unerhörte Lebendigkeit der Bewegung, die innere Dramatik, die alle Gestalten' erfüllt, sowie die Beseeltheit des Ausdrucks. Einzelne der Heiligen, wie die hl, Notburga, der wundervolle Christophorus und der hl. Vitus, sind Meisterwerke kirchlicher . Malerei.

Gegenwärtig arbeitet H. A. Brunner an . den Fresken des Gewölbes der Kirche Frauen h o f e n bei Horn, Die zu bemalende Fläche ist wesentlich kleiner als die

600 Quadratmeter der Arbesbächer Deckenfresken. Bisher ist nur ein kleinerer Teil der Malerei fertiggestellt, aber schon dieser beweist, daß sich der Künstler außerordentlich entwickelt hat. Auch motivisch ist die Arbeit wirkungsvoller. Die Stirnwand des Hauptschiffes, die sich wie ein Triumphbogen vor der Apsis aufbaut, zeigt die Hl. Dreifaltigkeit, emporschwebend über zwei Apostelgruppen, die von hinreißendem dramatischem Leben erfüllt sind. Schon die einzelnen Kartons erweisen die wirklich geniale Meisterung beseeltet Charakterisierung. Die vier Kirchenväter als Verteidiger der Heiligen Dreieinigkeit leiten über zu dem Mittelstück . der Deckenmalerei, einer Auferstehung Mariens, an das sich dann wieder eine Heiligengruppe anschließt. In den Frauen- hofener Fresken wirkt die Komposition schon bedeutend einheitlicher, die Darstellung ist ungemein lebendig, die Farben sind frischer und sehr nobel aufeinander ab- ,. gestimmt.

Zweifellos ist es ein erfreuliches Zeichen regen kirchlichen Lebens und anerkennenswerter Kunstfreundlichkeit, wenn so bald nach der Kriegsbarbarei eine so bedeutungsvolle Manifestation religiöser Kunst erfolgen kann und wenn sich vor allem auch ein Künstler gefunden hat, der imstande ist, Werke von diesem Umfange rind dieser künstlerischen Güte zu schaffen. Hoffentlich findet sich auch in. Wien Gelegenheit, H. A. Brunner mit einem größeren Auftrag dieser Art zu betrauen. Die von der Architektin Hella K o 11 e r - B u c h w i e s e r in so feiner künstlerischer Art wiederaufgebaute . Pfarrkirche von St. Leopold im zweiten Bezirk entbehrt noch eines Hauptaltarbildes, da das alte barocke Meisterwerk des älteren Altomonte vernichtet wurde. Es wäre kein : sehr glücklicher Gedanke, einfach eine Kopie dieses Bildes an die Stelle des zerstörten zu setzen. Ein Künstler wie H. A. Brunner . müßte imstande sein, ein Werk aus unserer Zeit heraus zu schaffen, das sich trotz seines Zeitcharakters harmonisch in die Gesamtkomposition des Altars einfügte. Mari muß unseren Künstlern nur Möglichkeiten geben, sie werden an ihnen reifen' und Besseres der Nachwelt schenken als eine mehr oder weniger geglückte Kopie eines alten. Meisters.

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